Diversität im Film: “Es passiert was!”

Martina Zöllner, Skadi Loist, Emrah Ertem, Moderatorin Esra Karakaya und Tyron Ricketts (v.l.n.r.) diskutieren auf der Media Convention Berlin 2019 über Diversität in Film und Fernsehen
Foto: Media Convention Berlin

Spiegeln deutsche TV- und Kinoproduktionen wider, wie divers die deutsche Gesellschaft mittlerweile geworden ist? Wie und in welchen Rollen begegnen uns Migrant*innen, LGBTQ-Menschen und Gehandicapte? Diesem Thema widmete sich ein Panel auf der parallel zur re:publica stattfindenden Media Convention Berlin. Dabei waren sich die Diskutant*innen aus Forschung, öffentlichem TV und Filmindustrie durchaus nicht immer einig in ihrer Einschätzung des Status quo.

Die Gastprofessorin an der Babelsberger Filmuniversität Konrad Wolf und Expertin für die Themen Arbeitsbedingungen, Diversität und Gendergerechtigkeit in der Film- und Medienindustrie Dr. Skadi Loist machte gleich zu Beginn auf eine Unschärfe aufmerksam: Während Initiativen wie #metoo und ProQuote für Aufmerksamkeit bezüglich der Unterrepräsentiertheit von Frauen in der Medienbranche gesorgt hätten, bleibe der Umgang mit anderen gesellschaftlichen Minderheiten noch relativ unterbeleuchtet. Demgegenüber verwies Loist auf die „Diversity Standards“ des britischen Filminstituts BFI. Das ist ein Verfahren, bei dem die Produktion bereits bei der Einreichung des Förderantrags die Berücksichtigung von Minderheiten bei Stoff, Zusammensetzung der Gewerke, Karrierechancen und Zugängen (Barrierefreiheit etc.) dokumentiert. Die angemessene Berücksichtigung wird vorausgesetzt bzw. mit einem Label zertifiziert.

Der in Deutschland geborene schwarze* Schauspieler Tyron Ricketts (u.a. „SOKO Leipzig“) , Inhaber der Produktionsfirma Panthertainment, brachte das Problem aus persönlicher Anschauung auf den Punkt: „In etwa 20 Jahren als Schauspieler und in etwa 60 Rollen habe ich in 5 Prozent der Fälle einen normalen Typen von hier, Klaus oder Patrick, gespielt. In 95 Prozent der Fälle war ich der Andere: Der amerikanische Cop, der Hoteldirektor auf Mauritius, der Geflüchtete.“ Das seien oft auch gute Rollen gewesen, aber solange sie ihm als in Deutschland geborenem Schwarzen* fast automatisch zugewiesen würden, müsse man sich über gesellschaftliche Ungleichheiten und Intoleranzen nicht wundern. “Deshalb die Notwendigkeit der Diversität in den Medien”, endete Ricketts.

Auch der türkischstämmige selbstständige Casting Director Emrah Ertem (u.a. „Keinohrhasen“, „Tatort“) kennt diese Situation aus seinem Berufsleben. Sein Vorschlag, eine hessische Taxifahrerin mit der vietnamesischen (tiefstes Hessisch sprechenden) Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi zu besetzen, sei beim Sender zunächst mit großer Überraschung aufgenommen worden. Ein Dialekt sprechender albanischer Darsteller in einer Gangsterrolle sei nachträglich deutsch nachvertont worden: “Vom Schauspiel des Kollegen waren später 50 Prozent durch die Synchro verschwunden,” erboste sich Ertem über die Entscheidung des Senders. Trotzdem gehe es voran. Er wisse bereits, dass es demnächst einen “diversen, mit starkem Akzent sprechenden Tatort-Kommissar geben wird” – Name noch geheim.

Als Vertreterin der so gescholtenen öffentlich-rechtlichen Sender schien Marina Zöllner, Programmbereichsleiterin Dokumentationen und Fiktion beim RBB, zunächst einen schweren Stand zu haben. Die „Diversity Standards“ des British Film Institute findet sie interessant, schreckt aber davor zurück, alles über Quoten zu regeln. “Ich möchte wahrhaftige Geschichten erzählen – und die, besonders historische Geschichten, sind nicht immer prozentual ausgewogen im Sinne der Diversität”, formulierte sie vorsichtig.

Mit dem Wechsel vom rein linearen Fernsehen hin zum „Second Screen“ und dann zum nur noch online verteilten Fernsehen gehe eine formale und dann auch eine inhaltliche Öffnung voran („Second Screen“ meint die Verwendung eines zweiten Geräts, meist Smartphone oder Tablet, parallel zum linearen Fernsehen, Anm.d.R.). “Lineares Fernsehen bedingt Formatfernsehen bedingt normiertes Erzählen und Berichten”, ist sich Zöllner sicher. Ausstieg aus Linearität führe zur Öffnung, auch gegenüber der gesellschaftlichen Diversität. “Das zeigen doch schon die tollen Serien, die von uns gekommen sind und die auch ins Fernsehen vordringen”, ergänzte sie. Serien wie „Bad Banks“ und „Berlin Babylon“, das „24 h Europe“-Projekt, Sender wie der Online-Jugendkanal funk und auch der Output von ARTE und inzwischen selbst das Vorabendprogramm seien Belege dafür, dass neue Formate traditionelle Rahmen sprengen und Diversität befördern würden.

Tyron Rickett sieht bei den Sendern allerdings noch starke Beharrungskräfte gegen Diversität, und zwar bedingt durch den hohen Altersdurchschnitt des Publikums, bedingt auch durch die Währung Einschaltquote und deren Messung in wenig diversen 5.000 ausgesuchten Durchschnittshaushalten. Dass aber inzwischen, vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Sendern “etwas passiert”, darüber sind sich dann alle einig. Skadi Loist berichtete von Veranstaltungen der MaLisa-Stiftung mit dem Erich Pommer Institut, der HFF Babelsberg und den Sendern und Produktionshäusern, wo intensiv gemeinsam an der Berücksichtigung von diversen Sicht- und Produktionsweisen gearbeitet werde: “Auch mithilfe von Checklisten, die aber eigentlich niemand wirklich will,” betonte sie mit leichtem Lächeln.

*geändert am 13.05.2019 aufgrund der Leserkritik im  Kommentar vom 11.05. 2019

 

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