Seit Jahren brechen den Tageszeitungen Auflagen und Werbeeinnahmen weg. Noch immer haben sie kein valides Geschäftsmodell für das digitale Zeitalter gefunden. „Money for nothing and content for free?“ Unter diesem an einen alten Song der Dire Straits angelehnten Titel stellte die Landesanstalt für Medien NRW in Berlin eine Studie über die Voraussetzungen von „Zahlungsbereitschaft für digitaljournalistische Inhalte“ vor.
Mit einer aus Verlagssicht schlechten Nachricht eröffnete LfM-Direktor Tobias Schmidt die Präsentation: „Drei Viertel der Bevölkerung finden, die Grundidee des Internets ist, dass dort alle Informationen kostenlos zur Verfügung stehen.“ Und lehnen es folgerichtig ab, für journalistische Inhalte zu zahlen. Paradoxerweise werde gleichzeitig der Wert von Journalismus „zumindest abstrakt relativ hoch eingeschätzt“. Entscheidend für die Frage, ob Journalismus dem Nutzer geldwert erscheine, sei „nicht allein der Inhalt, sondern die Angebotsform“. Also die Art und Weise, in der Informationen präsentiert werden.
Christian Wellbrock, Professor für Medien und Technologiemanagement an der Universität zu Köln, skizzierte die Anlage der Studie. Befragt wurden demnach 6017 repräsentativ ausgewählte Online-Nutzer*innen ab 14 Jahre. Dazu gesellten sich die Ergebnisse aus vertiefenden Gruppendiskussionen in Kleingruppen.
Es gebe zwei Hauptkategorien von Inhalten, für die Nutzer*innen am ehesten bereit seien zu zahlen, berichtetet Christopher Buschow, Juniorprofessor für Organisation und vernetzte Medien an der Bauhaus-Universität in Weimar. Zum einen sind das „Inhalte mit hoher persönlicher Relevanz und praktischem Mehrwert“, salopper gesagt: Service- und Ratgeberthemen. Auch Personen, die sich mit zielgenauen Infos eine Meinung zur gesellschaftlich wichtigen Fragen bilden wollen, zeigen eine überdurchschnittlich hohe Zahlungsbereitschaft. Dabei schneiden die Ressorts Wirtschaft, Politik und Wissenschaft besser ab als etwa Kultur und Sport.
Der digitale Journalismus werde jedoch heute allzu häufig noch als „Katze im Sack“ wahrgenommen. Das Risiko, sich angesichts der Fülle von Informationen „im Angebot zu vergreifen“, werde als zu hoch eingeschätzt. Die Erfahrung, kostenpflichtige Texte anderswo gratis aufzufinden, schrecke manche User vom Abschluss eines Abos ab. Selbst attraktive Medienmarken allein würden „nicht mehr ausreichend Signalkraft entfalten“, konstatierte Buschow.
Zwecks Steigerung der Zahlungsbereitschaft für digitaljournalistische Angebote empfehlen die Verfasser der Studie den Verlagen die Bündelung von Kräften und Ressourcen. Aus Sicht der User sind Plattformen („One-Stop-Shops“) das populärste Bezahlmodell. Diese zeigten Erfolgsmodelle wie „Steady“, „Readly“ oder „Riffreporter“.
Im Publikum gebe es ein „ausgeprägtes Bedürfnis nach Orientierung im Inhalte-Dschungel“, konstatierte Wellbrock. Dem könnten die Verlage entgegenkommen: Durch Kuratierung, durch Personalisierung, durch spezielle Empfehlungssysteme. Entscheidend sei nicht zuletzt der Preis. Hier hätten Anbieter aus anderen Branchen wie Netflix und Spotify kaum verrückbare Standards geschaffen. Als Obergrenze gelte ein monatlicher Abopreis von maximal zehn Euro. Gefragt seien auch transparente, leicht verständliche Preisstrukturen, kostenlose Probemonate und kurze Kündigungsfristen.
Wo das Publikum nach konkretem Nutzwert suche, müssten sich Verlage darauf einstellen: durch das Etablieren von Ratgeber- und Hilfsfunktionen für spezifische Nischen wie zum Beispiel Finanzen, Börse und Verbraucherthemen.
Usern, die Werbung als störend empfinden, könne man auch eine werbefreie Produktversion anbieten. Auch könne es eine „lohnenswerte Strategie sein, die gesellschaftliche Relevanz des digitalen Journalismus stärker in den Vordergrund zu rücken“. Publikationen wie die „taz“ oder der britische „Guardian“ könnten auf ermutigende Erfahrungen mit freiwilligen Zahlungen ihrer User verweisen.
Beim Messen der Zahlungsbereitschaft schneiden die gedruckten Medien in der Regel besser ab als die digitalen Angebote. Dies sollten die Hersteller digitaler Inhalte für sich nutzbar machen: etwa durch die periodische Auskopplung von Printprodukten. Denkbar wäre auch, ein Printprodukt als „identitätsstiftenden Türöffner“ auf den Markt zu bringen, um es anschließend digital zu erweitern.
Dennoch, so fürchtet Buschow, gebe es wohl keinen Weg zurück in das Schlaraffenland der vordigitalen Ära. Das bedeute nicht das Ende des Qualitätsjournalismus. Es heiße aber schon, „dass wir darüber reden müssen, wie Organisationsprozesse in Redaktionen aussehen, wie Zusammenarbeit im Journalismus künftig aussieht“. Hier eröffne sich „ein spannendes Feld für Experimente“.