Crossmedia Pilotprojekt in Wuppertal unter Dach und Fach
Seit Tom Buhrow Intendant beim WDR ist, steht im Sender das Schlagwort Crossmedia ganz hoch im Kurs. Damit will Buhrow den Sender für die Zukunft sicher aufstellen und junge Menschen für das Programm zurück gewinnen. Geplant sind sogenannte crossmediale Leuchttürme, etwa beim Sport, der Wirtschaft und in der Wissenschaft. Dafür entstehen im Kölner Sender gerade sogenannte Crossmedia-Flächen, von denen aus die Redaktionen dann alle drei Medien bedienen sollen.
Dabei ist Crossmedia keineswegs eine neue Idee. Schon Fritz Pleitgen sprach vom Internet als der dritten Säule neben Hörfunk und Fernsehen. Doch jetzt will sein Nachfolger die Idee mit aller Kraft umsetzen. Alleine die Umbau-Maßnahmen für die aufwendigen Crossmedia-Flächen kosten viel Geld. Ausgesuchte Fach-Redaktionen von Fernsehen, Hörfunk und Internet sollen dabei auch räumlich zusammenrücken und so Hand in Hand einen Themen-Bereich für alle drei Kanäle bearbeiten. Das ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung. Geht es nach den Vorstellungen des WDR, können im Ideal-Fall AutorInnen ein Thema dann einmal recherchieren und für alle drei Medien-Angebote umsetzen. Am Ende soll dabei ein zeitgemäßes Programm entstehen, das für jung und alt gleichermaßen attraktiv ist. Kritiker befürchten dagegen, dass diese Arbeitsweise eher schlecht für die Qualität der einzelnen Beiträge sein wird. Zudem kann das für die AutorInnen eine nicht unerhebliche Mehrbelastung, sprich Stress, bedeuten. Denn alle drei Medien haben ihre spezifischen handwerklichen Anforderungen, die man auch alle beherrschen muss.
Versuchsfeld im Bergischen Land.
Der Sender geht davon aus, dass durch das crossmediale Arbeiten zum Beispiel Synergien bei der Recherche entstehen. ver.di bezweifelt, dass dieser Effekt in der Praxis wirklich so stark zu Buche schlägt. Um das auszutesten haben die Gewerkschaften und der Sender sich auf einen Pilotversuch geeinigt. Als „Versuchsfeld”, wurde das Studio Wuppertal auserkoren. Dafür gibt es gleich ein ganzes Bündel von Gründen: Zum einen herrscht zwischen der Studioleitung und den rund 50 festen freien Mitarbeitern ein gutes Vertrauensverhältnis. Zum anderen gibt es hier vergleichsweise viele Freie, die alle drei Medien technisch und inhaltlich beherrschen. Und last but not least ist das Studio im Bergischen Land technisch besonders gut ausgerüstet.
Der WDR hat zunächst ein sogenanntes Modular-System mit Pauschalen vorgeschlagen, dass zu einer erheblichen Reduzierung der Honorare geführt hätte. Nach ziemlich intensiven Verhandlungen in einer kleinen Sondierungsgruppe, die sich über neun Monate hingezogen haben, konnten sich beide Seiten auf einen anderthalbjährigen Pilotversuch einigen. Er gilt allerdings nur für die tagesaktuelle Nachrichtenberichterstattung im Studio und betrifft täglich zirka drei Reporter-Einsätze. Voraussetzung: Bei Beauftragung eines aktuellen Nachrichten-Themas müssen mindestens zwei Beiträge für zwei Medien in Auftrag gegeben werden. Honoriert wird dann nach einem eigens entwickelten Crossi-Model, das für jede anfallende Tätigkeit, eine bestimmte Menge an Crossi-Punkten vorsieht. Das hat den Vorteil, dass keine Pauschalen gezahlt werden, sondern die neuen Honorare in der Systematik beim WDR-Honorarrahmen bleiben, also als Einzel-Leistungen honoriert werden. Mindestens sollen so 12 Crossi-Punkte zustande kommen, die einem Wert von 312 Euro entsprechen. Wenn die freie Mitarbeiterin mit dem Auftrag nicht auf 12 Punkte kommt, dann kann auch ein zweites Thema in Auftrag gegeben werden. Darüber hinaus haben die Verhandler Rahmenbedienungen entwickelt, die zum Beispiel einen Statuswechsel durch den Piloten verhindern sollen. Die Sondierungs-Gruppe trifft sich zudem alle drei Monate, um zu schauen, ob eventuell nachjustiert werden muss. Der Online-Zuschlag von 4,5% ist in die Crossis eingepreist, wird aber gesondert ausgewiesen. Eigenproduktionszuschläge, etwa für die Benutzung der eigenen Kamera, werden weiterhin gezahlt. Außerdem wurden Ausgleichsregelungen für den Fall vereinbart, dass über das neue Honorierungsmodell deutliche Einkommensverluste entstehen. Eine Clearingstelle überwacht das ganze Projekt. Damit alle Beteiligten nach der Pilotphase tatsächlich besser wissen, welche Synergien oder welche zusätzlichen Belastungen entstehen, wird der Versuch genau evaluiert. Der Pilot ist zudem ohne Nachwirkung, das heißt nach anderthalb Jahren geht wieder alles auf den Anfang zurück.
Vollversammlung stimmt zu.
Weil die Gewerkschaften sich hier auf ganz neuem Terrain bewegen, haben sie auch ganz neue Wege der Rückkoppelung mit den Betroffenen gewählt: Im August hat es eine Freienvollversammlung im Studio Wuppertal gegeben. Da haben der WDR und die Gewerkschaften das Modell gemeinsam vorgestellt und anschließend zur Abstimmung gegeben. 32 freie Mitarbeiter haben den Piloten befürwortet und nur 2 waren dagegen – das hört sich nach einem guten Startschuss an!