Der Bremer Autor, Menschenrechtler und Rechtsanwalt Rolf Gössner hat einen langwierigen Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz endgültig gewonnen: Als letzte Instanz hat ihm jetzt das Bundesverwaltungsgericht bescheinigt, dass er fast vier Jahrzehnte lang rechtswidrig von dem Geheimdienst beobachtet wurde. Ein später Triumph für den 72-Jährigen, der jahrelang auch Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte war.
Bereits 1970, während Gössners Studienzeit in Freiburg, hatte der Verfassungsschutz damit begonnen, Material über den linken, aber parteilosen Geheimdienst- und Polizeikritiker zu sammeln. Das ging so weiter bis 2008, als Gössner längst als Anwalt und Autor in Bremen arbeitete. Registriert wurden vor allem Gastbeiträge und Interviews in linken Medien wie „Neues Deutschland“ oder „Marxistische Blätter“, aber auch Auftritte bei der DKP, der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) oder der „Roten Hilfe“.
Der Inlandsgeheimdienst begründete die Dauerüberwachung später damit, dass Gössner linksextremistische Bestrebungen unterstütze; dabei agiere er absichtlich nicht als Mitglied, sondern nur als vermeintlich unabhängiger Experte, denn dadurch wirkten seine Äußerungen glaubwürdiger.
Nachdem Gössner durch eine Auskunftsanfrage von seiner Überwachung erfahren hatte, ging er juristisch dagegen vor. 15 Jahre lang dauerte das Widerspruchs- und Klageverfahren durch alle Instanzen, bis es jetzt ein Ende gefunden hat: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Woche ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster, wonach die jahrzehntelange Beobachtung rechtswidrig war.
Das OVG hatte festgestellt, dass Gössner keine verfassungsfeindlichen Positionen vertrete. Die Beobachtung durch das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz habe schwerwiegend seine Grundrechte beeinträchtigt, sei unverhältnismäßig gewesen und könne abschreckende Wirkung auf die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit haben, so das OVG-Urteil von 2018, über das M berichtet hatte. Die dagegen gerichtete Revision des Verfassungsschutzes wurde jetzt vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Begründung steht noch aus. (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 11.18)
Gössner sprach nach dem Urteil von einem „gerichtlichen Sieg über geheimdienstliche Verleumdungen und Willkür sowie über antidemokratische Denk-, Interpretations- und Handlungsmuster eines staatlichen Sicherheitsorgans“.
Sein Anwalt Udo Kauß wies darauf hin, dass es sich um die längste bisher dokumentierte „Dauerbeobachtung einer unabhängigen, parteilosen Einzelperson durch den Inlandsgeheimdienst“ gehandelt habe. Mit dem jüngsten Urteil sei Gössner nun „endlich rechtskräftig rehabilitiert“. Die seit 1970 verantwortlichen Bundesinnenminister und Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes hätten „eine schwere und blamable Niederlage erlitten in diesem skandalösen Überwachungsfall“.
Aus dieser „geradezu kafkaesken Überwachungsgeschichte“, so Anwalt Kauß weiter, müssten dringend politische, behördliche und gesetzgeberische Konsequenzen gezogen werden. „Gesinnungsschnüffelei und Gesinnungskontrolle durch den ‚Verfassungsschutz‘ sind durch klare gesetzliche Vorschriften zu unterbinden.“ Auch der Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin, forderte: „Ein Weiter-So darf es nicht geben.“