Der Dokumentarfilm „Silence Radio“ begleitet die bekannte mexikanische Journalistin Carmen Aristegui in ihrem Kampf gegen Drohungen und Zensur. Die Regisseurin Juliana Fanjul zeigt meisterhaft auf, wie gefährdet die Pressefreiheit in Mexiko ist. Und wie wichtig es ist, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Die Angst darf nicht siegen“, ruft die Journalistin ihren Landsleuten in einer ihrer Sendungen zu.
„Gerechtigkeit für Javier!“, ertönt es aus den Lautsprechern. „Gerechtigkeit“, antwortet die Menge, die sich nach der Ermordung des Journalisten Javier Valdez im Mai 2017 in Mexiko-Stadt versammelt hat. Während der so traurigen wie kämpferischen Kundgebung tritt auch die bekannte Journalistin Carmen Aristegui ans Mikrofon. Als sie samt Personenschutz den Ort verlässt, ruft ihr eine Frau zu: „Pass auf dich auf Carmen, wir brauchen dich!“
Die Anfangsszene des Dokumentarfilms „Silence Radio“ von Juliana Fanjul zieht direkt in die bedrückende Wirklichkeit Mexikos hinein. Schmerz und Trauer über einen weiteren Mord vermischen sich mit dem unbedingten Willen, Aufklärung zu fordern. Seit dem Jahr 2000 wurden in Mexiko laut der Menschenrechtsorganisation „Articulo 19“ insgesamt 137 Journalist*innen aufgrund ihrer Arbeit ermordet. Die Straflosigkeit ist fast absolut. Wer zu Drogenkartellen oder staatlicher Korruption recherchiert, muss mit Schikanen, Drohungen und Zensur rechnen. So wie Carmen Aristegui, deren Geschichte „Silence Radio“ erzählt.
Im Jahr 2014 hatte Aristegui einen Korruptionsskandal aufgedeckt, in dem es um ein millionenschweres Luxusanwesen des damaligen Präsidenten Enrique Peña Nieto ging. Im März 2015 löste das Medienunternehmen MVS den Vertrag mit der erfolgreichen Investigativ-Journalistin unter vorgeschobenen Gründen auf. Ohne den Druck der damaligen Regierung, die über Werbebudgets gehörigen finanziellen Einfluss auf Medienunternehmen hatte, ist dieses Vorgehen nicht erklärbar.
In „Silence Radio“ zeigt Fanjul, die als Mexikanerin seit zehn Jahren in Genf lebt, wie Aristegui unter widrigen Bedingungen weitermacht und eine eigene Nachrichtenplattform aufbaut. Meisterhaft gelingt es der Regisseurin, die Bedrohung der Pressefreiheit in Mexiko greifbar zu machen. Die Kamera folgt Aristegui in ihrem beruflichen Alltag, auf Redaktionskonferenzen und den Besuchen bei Anwälten. Interviews mit Mitarbeiter*innen zeugen davon, unter welchem Druck diese inmitten ständiger Drohungen bei ihrer Arbeit stehen. In einer der vielen starken Szenen schaut sich das Redaktionsteam gemeinsam das Überwachungsvideo eines gerade stattgefundenen Einbruchs in ihre Büroräume an. Die Eindringlinge scheinen sich nicht nur auszukennen, sondern fühlen sich so sicher, dass sie sich nicht einmal maskieren. Einer der Täter schaut gar provozierend in die Kamera.
Knapp zwei Jahre nach ihrem Rausschmiss kehrt Aristegui mit einem eigenen Internet-Stream zurück, der sich schnell etabliert. Wenige Monate später vermeldet sie in ihrer Sendung sichtlich erschüttert die Ermordung von Javier Valdez, die bereits in der Eingangsszene thematisiert wurde. „Die Angst darf nicht siegen“, betont sie kurz darauf kämpferisch.
Der Film endet mit der Wahl des linken Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador. Der Abspann liest sich fast wie ein persönliches Happy End, da Aristegui nun wieder über Radiowellen senden kann. An der hohen Gefährdungslage von Journalist*innen hat sich jedoch nichts nennenswert verändert. Seit der Amtseinführung des neuen Präsidenten im Dezember 2018 wurden bereits 18 Journalist*innen getötet. In keinem Land der Welt waren es im vergangenen Jahr mehr als in Mexiko.
Silence Radio. Ein Dokumentarfilm von Juliana Fanjul, Laufzeit: 78 Minuten / D 2019, Spanisch mit deutschen UT, FSK ab 16 Jahren, Kinostart: 15. April.