Im Prozess gegen die deutsche Journalistin Mesale Tolu hat die türkische Staatsanwaltschaft am Donnerstag einen Freispruch beantragt. Die Urteilsverkündung sei auf den 24. Dezember vertagt worden, teilte Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, mit. Stumpp ist in Istanbul vor Ort und beobachtet den Prozess. Tolu sagte nach der Verhandlung dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Ulm, dass dies für die Staatsanwaltschaft „ein politischer Offenbarungseid“ sei. Er zeige, dass sich das Verfahren von Anfang an auf bodenlose Vorwürfe gestützt habe.
Der aus Ulm stammenden Tolu werden „Terrorpropaganda“ und „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vorgeworfen. Am Donnerstag fand auch der Prozess gegen ihren Ehemann Suat Corlu und weitere Menschen statt.
Die Staatsanwaltschaft habe den Freispruch von Tolu in allen Anklagepunkten aus Mangel an Beweisen beantragt. Corlu indessen soll zwar von dem Anklagepunkt der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung freigesprochen, aber wegen Terrorpropaganda schuldig gesprochen werden. Tolus Anwälte hätten den Antrag der Staatsanwaltschaft angenommen, der ihnen erst am Mittwoch zugegangen sei, berichtete Stumpp.
Tolu sagte dem epd: „Auch ein möglicher Freispruch im Dezember kann all das Erlebte, all die Schikanen und Repressionen nicht wiedergutmachen.“ Weiterhin seien Dutzende Menschen inhaftiert, Kritiker Repressalien ausgesetzt. „Dass ich oder meine Mitangeklagten vermutlich freigesprochen werden, wird an dieser Tatsache nichts ändern.“
Grünen-Politikerin Stumpp ergänzte, die lange Untersuchungshaft unter schwierigsten Bedingungen sei nie gerechtfertigt und völlig unangemessen gewesen. „Ich bin natürlich sehr froh über den beantragten Freispruch von Mesale Tolu, allerdings ist auch dieser Prozess unrechtmäßig und eine Schikane gegen politisch Andersdenkende.“
Der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, Christian Mihr, sagte in Berlin, sein Verband begrüße außerordentlich, dass die türkische Staatsanwaltschaft heute beantragt habe, Tolu freizusprechen. Die Vorwürfe seien haltlos gewesen. „Das haben wir während der viel zu langen vier Jahre, die dieser Prozess dauerte, immer wieder deutlich gemacht.“ Tolu sei in Deutschland in Sicherheit, aber noch immer säßen viel zu viele Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit zu Unrecht in Haft.
Tolu war Ende April 2017 in Istanbul festgenommen worden und anschließend mehr als sieben Monate in Haft. Die Journalistin kurdischer Herkunft hatte in Istanbul unter anderem für die Nachrichtenagentur Etha gearbeitet. Der Prozess gegen sie begann im Oktober 2017, rund zwei Monate später wurde Tolu unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Im August 2018 durfte sie nach Aufhebung der Ausreisesperre in ihre Heimat Deutschland zurückkehren.