Selbstständige befragen Parteien vor der Bundestagswahl
Soloselbstständige und Freiberufler waren in Pandemie-Zeiten in aller Munde. Zielgenaue Hilfen blieben vielfach aus. Was speziell diese Erwerbstätigen von den demokratischen Parteien für ihre künftig bessere soziale Absicherung erwarten können, fragte das ver.di-Referat Selbstständige im Vorfeld der Bundestagswahl.
Nur wenige Soloselbstständige können sich gegenwärtig gegen Arbeitslosigkeit oder längere auftragslose Zeiten absichern. Wie das geändert werden kann, war die erste Frage. CDU und CSU lehnen eine allgemeine Versicherungspflicht für diese Klientel ab. Die bisherige freiwillige Arbeitslosenversicherung werde lediglich „überprüft“. Die Linke will sie dagegen so reformieren, dass alle Erwerbstätigen, auch Soloselbstständige und Freiberufler*innen, nach dem tatsächlichen Einkommen einbezogen werden und Auftraggeber an den Beiträgen beteiligt werden. Auch die Grünen wollen Zugänge vereinfachen und das System zu einer „Arbeitsversicherung“ weiterentwickeln. In Krisenzeiten sollte für freiwillig Versicherte auch Kurzarbeit möglich sein. Die SPD will als „wichtige Lehre aus der Corona-Zeit“ den Zugang zur bestehenden Versicherung verbessern und für kurzfristige Notlagen ein „Sicherungsgeld“ der Bundesarbeitsagentur einführen. Auch die FDP will die Arbeitslosenversicherung „weiter öffnen“ und an den tatsächlichen Einnahmen „orientieren“. In Krisenzeiten soll eine negative Gewinnsteuer greifen.
Die Frage nach einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung, die eine Alterssicherungspflicht einschließt und wechselnde Erwerbsverläufe berücksichtigt, wurde von SPD, Grünen und Linken positiv beschieden. Die Grünen führten ihre Pläne für eine Bürgerversicherung ins Feld, in die auch Selbstständige solidarisch einbezogen werden sollen. Die SPD will eine „grundsätzliche Pflicht zur Altersvorsorge“ und Selbstständige schrittweise mit einkommensabhängigen Beiträgen integrieren. Sondersysteme sollen „auf lange Sicht“ passé sein. Die Linke will den Umbau zu einer Erwerbstätigenversicherung, die alle Erwerbseinkommen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezieht. Die FDP befürwortet eine Pflicht zur Altersvorsorge und will dabei „maximale Wahlfreiheit“ für Selbstständige.
Kurz waren die Antworten auf die Frage, ob Unternehmen, die Soloselbstständige beauftragen, an den Sozialversicherungskosten zu beteiligen sind. Ja, sagt die Linke, für „diskussionswürdig“ halten das die Grünen, die die praktische Durchführbarkeit prüfen wollten. Auftraggeber dürften „nicht aus der Verantwortung entlassen werden“, meint zumindest die SPD. Für CDU/CSU erübrigt sich die Frage, weil eine allgemeine Sozialversicherungspflicht für (Solo)Selbstständige abgelehnt wird.
Um einem „Ruinösen Preiswettbewerb entgegen“ zu wirken bzw. „Ausbeutung durch extrem niedrige Honorare“ zu verhindern, sind Linke und SPD dafür, branchenspezifische Mindesthonorare bei öffentlichen Auftragsvergaben zu regeln. Auch die Grünen wollen Mindesthonorare über ein neu einzuführendes „Bundestariftreugesetz“ ermöglichen. Die Unionsparteien sehen das als Aufgabe der Bundesländer, wo es fast überall bereits entsprechende Vergabegesetze gäbe. „Selbst verhandeln“, sollen Selbstständige und Auftraggeber bei der FDP.
Weniger klar sind die Aussagen, ob Soloselbstständige, die mindestens ein Drittel ihrer Einkommen von einem einzigen Auftraggeber beziehen, als arbeitnehmerähnlich eingestuft werden sollten und damit unter den Schutz von Tarifverträgen fallen könnten. Von der Linken gibt es ein klares Ja. Auch die Grünen wollen „den § 12a des Tarifvertragsgesetzes so erweitern, dass Tarifverträge“ auch für selbstständige Erwerbstätige abgeschlossen und allgemeinverbindlich erklärt werden können. Die SPD will zwar „Tarifbindung wieder deutlich“ erhöhen, ob eine solche Einstufung sinnvoll sei, müsse jedoch geprüft werden. CDU/CSU halten eine solche Änderung für „nicht zwingend notwendig“.
Schließlich fragen die ver.di-Selbständigen, ob sich die Parteien für
einen „gesetzlichen Kriterienkatalog“ zur Unterscheidung echter Selbstständigkeit von verdeckter abhängiger Beschäftigung
einsetzen würden. Alle zeigen sich offen. Die Union will „noch 2021“ das Statusfeststellungsverfahren für Selbstständige vereinfachen und beschleunigen. Die FDP will mit „klaren gesetzlichen Positivkriterien“ reformieren, prüfen soll künftig „eine unabhängige Stelle“. Laut Linke müssten Betriebs- und Arbeitnehmerbegriff aktualisiert werden, damit die Betriebsverfassung für alle abhängig Beschäftigten gelte. Zur Statusfeststellung hält die Partei drei ausformulierte Kriterien bereit. Die bisher zu allgemein formulierte Kriterien „durch einen differenzeierten Katalog“ ergänzen, wollen die Grünen. Künftig solle tätigkeitsbasiert statt auftragsbasiert geprüft werden. Auch die Sozialdemokraten sehen noch „weitergehenden Handlungsbedarf“: der Arbeitnehmerstatus solle einfacher geklärt werden können und Gewerkschaften „digitales Zugangsrecht“ auch zu virtuellen Betrieben erhalten. Schließlich will man ein Verbandsklagerecht und mehr Rechte für Betriebsräte bei der Vergabe von Werkverträgen.