Das Schweigen der Ämter brechen

Interview mit Manfred Redelfs, Greenpeace, Netzwerk Recherche Hamburg

M | Als Recherchechef bei Greenpeace kämpfen Sie gegen das Schweigen der Ämter und ermutigen andere Auskunftsrechte offensiver zu nutzen. Wo liegen die Blockaden?

MANFRED REDELFS | Nicht in einem Mangel an Gesetzen, denn mit Informationsfreiheitsgesetz, Umweltinformationsgesetz und den Landespressegesetzen sind Grundlagen gelegt. Aber Behörden, Ämter und Körperschaften des öffentlichen Rechts verweigern die Herausgabe von Informationen gern mit Begründungen wie dem Schutz von personenbezogenen Daten und Betriebsgeheimnissen oder schieben einen zu hohen Aufwand vor. Journalistinnen und Journalisten selbst scheuen die Nachfrage oder geben bei einer Ablehnung zu schnell auf. Ein Anspruch auf Auskunft ist beim Informationsfreiheitsgesetz nicht einmal auf Journalisten beschränkt, Recht darauf haben alle Personen. Zudem dürfen Antragsteller – anders als beim Landespressegesetz – selbst entscheiden, in welcher Form sie die Information erhalten möchten: als Telefonauskunft, per Akteneinsicht oder durch Zusenden von Kopien. Leider reagieren viele Ämter so langsam, dass Journalisten diese Rechtsgrundlage nur sinnvoll nutzen können, wenn sie keine feste Deadline haben.

M | Verschleppung gehört also dazu?

REDELFS | Eine beliebte Zermürbungstaktik, manchmal auch das Ergebnis schwerfälliger Behördenorganisation. Leider hat sich der Gesetzgeber bei Fristen nicht festgelegt. Im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes heißt es, der „Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen“, was nur eine unverbindliche Empfehlung und keine Fristsetzung ist. Das Gesetz taugt somit nicht für die Tagesberichterstattung, wohl aber für hintergründige Recherche.

M | Es braucht also einen langen Atem …

REDELFS | … und strategisches Vorgehen. So kann es sinnvoll sein, erst anhand telefonischer Vorrecherche herauszufinden, welche Ämter über welche Akten oder Informationen verfügen, um in einem zweiten Schritt den Antrag möglichst präzise zu stellen. Falls sich die Behörde etwa auf Datenschutz beruft, sollte man darauf drängen, dass wenigstens die nicht geschützten Teile herausgegeben werden. Außerdem müssen bei personenbezogenen Daten die Betroffenen mitunter gefragt werden, ob sie mit der Weitergabe einverstanden sind. Die Behörde hat also eine Anhörungspflicht und kann nicht einfach von sich heraus ablehnen.

M | Wo konnten Sie selbst in letzter Zeit das Schweigen der Ämter brechen?

REDELFS | Greenpeace hat beispielsweise nach einem langen Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgesetzt, dass die Spitzenempfänger von Agrarsubventionen veröffentlicht werden. In der Empfängerliste tauchte auch ein Unternehmen auf, gegen das nun wegen Subventionsbetrugs in Höhe von 370 Millionen Euro ermittelt wird. Die Firma hatte, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, zu Unrecht Zuckersubventionen bezogen. Anhand der eingestrichenen Subventionssumme konnte hochgerechnet werden, dass für mehr Ware Zuschüsse kassiert worden waren, als die Firma in ihrem Lagerhaus im Freihafen überhaupt unterbringen konnte. Ein schönes Beispiel, dass Transparenz auch ein Mittel ist, um Korruption zu bekämpfen.

M | Allerdings können sich wohl nur große Verlagshäuser oder Organisationen wie Ihre einen solchen Aufwand leisten.

REDELFS | Nicht unbedingt, zu den Agrarsubventionen hatte auch eine freie Journalistin Auskünfte verlangt und konnte nachher Exklusivberichte verkaufen. Soviel Mut und Weitsicht sind dringend nötig. Nur wenn Journalisten viel selbstbewusster ihre Rechte auf Auskunft wahrnehmen und sportlichen Ehrgeiz entwickeln, wird sich langfristig das Klima in den Verwaltungen ändern. Die Auskunftsrechte zu stärken, ist aber auch eine Aufgabe der Journalistengewerkschaften. Das Informationsfreiheitsgesetz beispielsweise hat viele Schwächen und muss dringend nachgebessert werden.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

VG Wort ändert Verteilungsplan

Die Mitgliederversammlung der VG Wort hat in ihrer Mai-Sitzung eine Reform des METIS-Systems mit der erforderlichen Mehrheit in allen Berufsgruppen beschlossen. Sie führt zu wichtigen Änderungen im Verteilungsplan der VG Wort. Vertreter der dju in ver.di haben das vorliegende Papier in Teilen kritisiert und versucht, es noch mit Änderungsanträgen zu beeinflussen – ohne Erfolg.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »