Medien für die Zukunft machen

Blick in die Zukunft Foto: Shutterstock/A. Solano

Eine sich stetig wandelnde, zunehmend digitalisierte Medienbranche verändert Berufsbilder und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten rasant. Journalist*innen, Techniker*innen, Mediengestalter*innen … stehen immer wieder vor neuen Herausforderungen. Auch die Ausbildung unterliegt einer häufigen Evaluation und Modifizierung. Einige Schlaglichter!

Unsere Gesellschaft steht vor enormen Herausforderungen, die wir in keinem Falle als Einzelne stemmen können: ökologische Krisen und demografischer Wandel, Digitalisierung und die deutlich sichtbaren Risse im globalisierten neoliberalen Kapitalismus, dazu die alten Feinde der Menschheit, Krieg und Armut. Eine plurale und freie Gesellschaft kann mit solchen Problemen nur umgehen, wenn sie ihr Verhalten koordiniert und kollektive Maßnahmen auch offen debattieren kann. Dazu kommt, dass dort, wo viel in Bewegung ist, auch viel daneben gehen kann. Nur wenn die Gesellschaft kleine Probleme und große Fehlentwicklungen wahrnehmen kann, kann sie ihnen begegnen.

Die Rolle der Medien ist es in diesem Zusammenhang, die Debatte fair zu organisieren und zu gewährleisten, dass sie auf Fakten basiert. Das ist vor allem deswegen relevant, weil es genügend Akteur*innen gibt, die sich einen Vorteil davon erhoffen, diese offenen Debatten zu stören oder das Vertrauen in eine gemeinsame Wirklichkeit zu unterminieren. Dies können russische Desinformationskampagnen sein oder Fake News aus dem Weißen Haus, Klimaleugnung aus der Ölindustrie oder rechte Parteien, die gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hetzen. Vielen dieser Angriffe kann Aufklärung durch Recherche und Einordnung entgegengesetzt werden. In jedem Fall sollten sie auch ein Ansporn sein, hohe Qualität nachhaltig zu liefern, um das Vertrauen des Publikums auch zu gewinnen. Nicht zuletzt braucht es eine transparente und professionelle Fehlerkultur, um die Qualität auch weiter zu steigern.

Die Medien haben also aktuell sehr wichtige Aufgaben und sie sind Angriffen ausgesetzt. Beides rechtfertigt schon ein besonderes Augenmerk auf die Ausbildung von Menschen, die in den Medien arbeiten. Dazu kommt aber auch noch ein sich ständig veränderndes Mediensystem mit immer neuen Technologien, Akteuren und Logiken. Dieser Aspekt ist eine doppelte Herausforderung für die Ausbildung: Wir müssen nicht nur für die Bedarfe einer neuen Gegenwart ausbilden, sondern auch für eine unbekannte Zukunft. Während Ausbildung ganz allgemein immer auf die Erfahrung der Ausbildenden setzen konnte, müssen wir uns Gedanken machen, welche unserer Antworten überhaupt zu den künftigen Fragen passen. Wobei mir hier die Nebenbemerkung erlaubt sei, dass nicht einmal die stetige Veränderung sicher ist, auch eine Stabilisierung von Medientechnologien und Formaten ist möglich.

Doppelte Herausforderung

Alle drei Aspekte (Wichtigkeit, Wehrhaftigkeit und Wandel der Medien) betreffen die ganze Vielfalt der Berufsgruppen, die in ihnen beschäftigt sind: Die Chefredakteurin und den Intendanten, die Kamerafrau und den Mediaspezialisten, die Reporterin und den Mediengestalter. Sie müssen für ihre Aufgaben ausgebildet werden und müssen dauerhaft bereit sein dazuzulernen. In einer gut eingespielten Organisation wird dabei auch die Spezialisierung und Profilierung einzelner Personen eine wichtige Rolle spielen. Moderne Technologien haben zwar Berufsbilder wie VJ oder Influencer geschaffen, die verschiedene unabhängige Gewerke integrieren. Doch gerade für Karrieren in größeren Organisationen ist eine thematische oder technische Profilierung dann ein Vorteil, wenn man gleichzeitig interdisziplinär teamfähig bleibt.

Was soll in einer guten Ausbildung vermittelt werden? Das lässt sich in drei Gruppen zusammenfassen: Wir wollen die Werte des jeweiligen Berufs vermitteln, professionelle Fähigkeiten weitergeben und Aneignungskompetenz lehren. Alle drei Bereiche gehen Hand in Hand und können einander unterstützen. Am besten geschieht das, wenn die Ausbildung in Betrieben, an Institutionen und Hochschulen geschieht, die die berufliche Praxis ins Zentrum stellen, aber auch Reflexionsräume eröffnen. So kann journalistische Ethik mit journalistischem Handwerk verbunden werden. So können Gestaltungsprinzipien neuer Formate mit bewährten Methoden getestet werden. So kann über innovative Geschäftsmodelle nachgedacht werden, die nicht die Glaubwürdigkeit des Unternehmens bedrohen.

Eine solche praxisorientierte Ausbildung ermöglicht den jungen Talenten von Beginn an mit einem wichtigen Beitrag in die Unternehmen einzutreten: Der Kameramann, der die Hochkant-Ästhetik von TikTok beherrscht, die Volontärin, die einen gut recherchierten Podcast im Portfolio hat, ein Management-Trainee mit Expertise im Roboterjournalismus. Sie bringen Veränderungen in Unternehmen, die sich allerdings auch darauf einlassen müssen. Ein weitsichtiges Management wird dies allerdings ohnehin tun, wandelt sich doch auch der Medienbereich von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt. Demografischer Wandel, gestiegene Ansprüche an die Beschäftigten und jahrelanges Lamento über schlechte Aussichten führen dazu, dass inzwischen die Unternehmen um qualifizierte Beschäftigte werben müssen und nicht mehr umgekehrt. Vor diesem Hintergrund besteht auch jetzt die Chance, Arbeitsbedingungen wieder zu verbessern.

Die Medienunternehmen begreifen, dass das Personal ihre wichtigste Ressource ist. Sie stehen in der Konkurrenz mit bekannten und neuen Marktteilnehmern um die Aufmerksamkeit des Publikums und nicht zuletzt in einer Abhängigkeit zu den Anbietern technologischer Plattformen mit ihren intransparenten Regeln und Algorithmen. Deswegen ist es wichtig, ihre Mitarbeitenden zu halten und sie in der beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Das gilt natürlich besonders für die öffentlich sichtbaren Gesichter der Medien, die beim Publikum Vertrauen gewinnen. Es gilt aber eben auch für die verlässliche Qualität, die im Hintergrund bereitgestellt wird. Die Basis der Aufmerksamkeitsökonomie ist das verlässliche Erreichen eines möglichst großen Publikums. Das kann auch manchmal zu Clickbait und leeren Aufreger-Kampagnen führen. Nachhaltiger Erfolg hingegen benötigt Mitarbeitende, die wissen, was sie tun.

Organisieren in der Gewerkschaft und solidarisch sein

Für die Menschen, die in den Medien arbeiten, bedeutet diese wichtige Rolle natürlich auch Macht. Gerade wenn sie sich in richtigen Gewerkschaften organisieren und solidarisch an einer nachhaltigen Entwicklung ihrer Organisationen mitarbeiten. Dabei ist es wichtig, neue Berufsbilder mit in den Blick zu nehmen, etwa die Programmiererin in der Datenjournalismus-Redaktion oder den Social-Media-Performance-Analysten. Statt diese – häufig nicht im Medienbereich sozialisierten – Kolleg*innen als Bedrohung wahrzunehmen, sollten wir sie integrieren, aber auch darauf hinwirken, dass sie die wichtigen Herausforderungen der Medien in unserer Gesellschaft zu ihrer Mission machen.

Dr. Bernhard Goodwin ist Leiter der Geschäftsstelle des Departments Executive Director des MSCL und Auslandsbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung. Foto: Marian M. Misch

 

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