Zukunft liegt in der Kombination von Bewegtbild und Text

Alles online? Zur Digitalisierung von Politik und Publizistik“ ist der Titel der diesjährigen Vortragsreihe des Ehemaligen-Vereins des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft, des OSI-Clubs an der Freien Universität Berlin. Am 27. April referierte Stefan Aust zu den „Chancen und Risiken für den Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter“.

Für Aust ist seine aktuelle Tätigkeit „eine interessante Herausforderung und etwas, das ich beim Spiegel immer wollte“. Was er derzeit als Herausgeber anschiebt, ist laut dem ehemaligen Konkret- und NDR-Redakteur, Spiegel-TV-Gründer und Spiegel-Chefredakteur zudem die wenn nicht einzige zukunftsträchtige, dann zumindest zukunftsträchtigste Form des Journalismus: die Integration von Text und Bewegtbild im Internet. Dass dazu eigentlich auch Radio gehört (was auf der Basis des Fernsehmaterials leicht zu machen sei), gab Aust auf Nachfrage zu.
Wie es für Medienkonzerne weitergehen kann, führt der Axel-Springer-Verlag vor. Er kaufte Aust 2014 den Nachrichtensender N24 ab und machte ihn zum Herausgeber der WeltN24 GmbH. „Du brauchst Bewegtbild-Inhalte“, erklärte Aust im mit über 100 Menschen so ziemlich bis auf den letzten Platz belegten Saal. Er glaubt offensichtlich, dass ein großer Verlag einen eigenen Fernsehsender haben muss: „Wer für das Internet erst Bewegtbild herstellen muss, ist pleite, bevor er eine nennenswerte Zahl von Usern hat.“ Wie die Mediensynthese der Zukunft genau aussehen wird, weiß Aust noch nicht – „aber das, was Springer hat, hat sonst niemand“.
Überhaupt bestand Austs Vortrag vor allem darin, das eigene Projekt als zukunftsweisend darzustellen, und sich über das Treiben oder die Fragen der Anderen überwiegend unwissend, oder zumindest eher uninteressiert, zu zeigen. Wie wird Qualitätsjournalismus zukünftig finanziert? „Damit mühen sich alle ab.“ Was ist mit der Einbindung des Publikums, auch bei der Finanzierung von Inhalten? Er sehe da keine substanziellen Projekte, kenne sich aber auch nicht sehr damit aus. Leser-Reporter? „Da bin ich skeptisch, aber vielleicht bin ich da auch old-fashioned“. Aust ist sogar gegen Online-Kommentare, solange sie anonym sind, weil da so viel Mist zusammenkommt. Beim Spiegel sei jedem Leserbrief hinterher telefoniert worden, um die dazugehörige Identität zu prüfen. Selbst als er gefragt wurde, was er sich denn von Online-Kommentaren erwarte, fiel Aust nur ein: „Intelligente Kommentare unter richtigem Namen.“ Zum derzeit heißen Thema: Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Medien hatte er nichts Wesentliches zu sagen – und das als Führungsfigur gerade bei Springer!
Interessanter waren seine Anekdoten, so über den Beginn von Spiegel Online und Austs damalige Gewissheit, Tageszeitungen würden nicht ebenfalls tagesaktuelle Inhalte gratis ins Internet stellen, weil sie sich so selbst „kannibalisieren“ würden.
An Ausblick gab es wenig. Immerhin, so Aust, habe die Werbung „online auch noch nicht ihren Platz gefunden“. Ein Problem seien dabei die mobilen Lesegeräte, wo es keinen Platz für Anzeigen neben den Artikeln gebe. Generell sieht Aust große Entwicklungsmöglichkeiten für die Verlage, er hält aber auch schnelle Abstiege für möglich. Er vertraut zudem auf innovative Ideen junger Leute – die dann von großen Verlagen eingekauft würden.

Einen Tag zu spät kam am Dienstag eine Nachricht, die ein großes Anliegen des erfahrenen Medienmanagers betrifft: Google will in den nächsten drei Jahren 150 Millionen Euro ausgeben, um in Europa Innovationen im digitalen Journalismus zu fördern. Der Konzern glaubt so, sein Verhältnis zur Branche zu verbessern und arbeitet bei diesem Projekt mit acht europäischen Verlagshäusern zusammen. Sein Hilfsangebot betreffe zunächst Fortbildungen und technische Hilfeleistungen, sagte FAZ.net-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron im RBB-Inforadio.
Einen Tag zuvor, am Montag, hatte Stefan Aust sich noch über Googles Marktmacht und faktische Torwächter-Funktion beklagt, ebenso über dessen Kooperation mit dem NSA. „In Europa sollte mal viel Geld in die Hand genommen werden, um eine Alternative zu Google zu schaffen“, forderte Aust mit Hinweis auf das erfolgreiche Airbus-Projekt als Alternative zur amerikanischen Flugzeug-Industrie – nun läuft es zunächst andersrum und Google kommt mit Geld in der Hand.

 

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