Die Schreibschule von Gabriel García Márquez in Kolumbien
Solide Recherche und das virtuose Spiel mit den Worten sind Vorrausetzungen, um in der Schreibschule von Gabriel García Márquez Aufnahme zu finden. Die in Cartagena de Indias, an der kolumbianischen Karibikküste, angesiedelte Stiftung tritt nicht nur für die Verbesserung der Berichterstattung in Lateinamerika ein, sondern auch für die Pressefreiheit.
Links von dem unscheinbaren Haus gegenüber von der Jesuitenkirche San Pedro Claver hat der „El Espectador“ seine Redaktion, rechts davon die Konkurrenz von „El Universal“. „Lächelnd hat sich Gabriel García Márquez die Hände gerieben, als wir damals nach einem Haus für unsere Stiftung suchten und vor dieser Tür standen“, erzählt Jaime Abello Banfi. Schließlich hat die Ikone des kolumbianischen Journalismus einst selbst für den El Espectador die Feder gespitzt. Nach seinem ersten Redaktionsleiter, Clemente Manuel Zabala, hat Gabo wie García Márquez in Kolumbien genannt wird, einen der beiden Seminarräume in der „Fundación de Nuevo Periodismo Interamericano“ benannt.
Der Name – „Stiftung für einen neuen interamerikanischen Journalismus“ – klingt zumindest auf Deutsch etwas hölzern, aber die Zielsetzung ist klar. „Einen neuen, besseren Journalismus wollen wir und haben nicht nur Lateinamerika, sondern auch Spanien und Portugal im Blick“, erklärt Jaime Abello Banfi, der Exekutivdirektor der Stiftung. Gemeinsam mit Gabo und dessen Bruder Jaime hat er die Schule 1994 aus der Taufe gehoben und kümmert sich um die Organisation der Seminare und Publikationen. Jaime García Márquez, einige Jahre jünger als Gabo, ist hingegen für die Finanzen und die Administration verantwortlich, während sich der große Bruder nur noch dann einschaltet, wenn es gilt internationale Aufmerksamkeit für die Stiftung und ihre Ziele herzustellen oder an der Konzeption zu feilen.
Themen liegen auf der Straße
Anders als zu Beginn ist es nicht mehr nötig, um Referenten zu buhlen. Leute wie Miguel Angel Bastenier von El País aus Madrid, Jon Lee Anderson vom New Yorker oder Julio Blanck vom Clarín aus Buenos Aires sind Wiederholungstäter. Sie, aber auch viele andere wie den kürzlich verstorbenen Ryszard Kapuscinski, eine Journalismuslegende, hat Gabriel García Márquez höchstpersönlich nach Cartagena gelotst. Die Stadt hat viele Vorteile, denn zum einen hat Gabo hier ein Domizil, zum anderen verfügt sie über einen internationalen Airport und gilt als leidlich sicher in dem von Bürgerkrieg, Gewalt und Entführungen geprägten Land. Dort liegen die Themen auf der Straße, denn hinter den schönen Fassaden der als Weltkulturerbe prämierten Stadt, wird gekungelt, bestochen und paktiert, so Fernando Alonso Roso. „Das ist in Cartagena nicht anders als im Rest des Landes“, so der ehemalige Redakteur der Wochenzeitung Semana. Die ist so etwas wie eine Insel in der Redaktion. Abgetrennt von den Kollegen arbeiten Recherchespezialisten an besonders brisanten Themen. Separater Eingang, eigener Etat und ein hohes Maß an Unabhängigkeit kennzeichnen die riskante Arbeit.
Derart professionelle Arbeitsbedingungen sind alles andere als Usus, so Alonso. „Geschichten, die mit der heißen Nadel gestrickt sind, stellen ein hohes persönliches Risiko für die Redakteure da“. Das ist nicht nur in Kolumbien, sondern auch in Mexiko oder Brasilien so.
Alonso kennt viele Kollegen, die ins Ausland gehen mussten, weil sie in ihrem Heimatland nicht mehr sicher waren. Das jüngste Beispiel ist der kolumbianische TV-Journalist Hollman Morris, der Ende Oktober seine Koffer packte, weil er massiv bedroht wurde. Er hatte nicht nur Reportagen über die Friedensgemeinde von San José de Aparató, sondern auch über die Hintergründe des Paramilitarismus in Kolumbien gedreht. Mehrfach wurde Morris national und international für seine Arbeit ausgezeichnet. Zuletzt von Gabriel García Márquez, der ihm dem Premio Fórum des FNPI verlieh. Doch auch der hohe Bekanntheitsgrad war für Morris kein ausreichender Schutz, denn immer wieder ist es zu Ausfällen des Präsidenten Álvaro Uribe Vélez gegen kritische Medien- und Medienvertreter gekommen. Vorwürfe und Angriffe auf Medienvertreter hat es in den letzten Jahren häufig auch von Regierungsvertretern gegeben. Nicht nur in Kolumbien, sondern auch in Venezuela, Bolivien oder Cuba. Untätigkeit der Regierungen bei Angriffen auf Medienvertreter sind hingegen noch weiter verbreitet, so FNPI-Direktor Jaime Abello Banfi. Der kommt viel rum, denn längst nicht alle Seminare der Fundación werden in Cartagena abgehalten. „Wir haben unseren Radius erweitert; organisieren Veranstaltungen in Buenos Aires oder La Paz genauso wie in Madrid“. Über 3.000 Journalisten haben bisher die talleres, die Seminare der FNPI, besucht. Viele von ihnen mit einem Stipendium, denn die Schreibschule Gabos kooperiert nicht nur mit den nationalen und internationalen Journalistenorganisationen, sondern auch mit UN- Organisationen, politischen Stiftungen und Unternehmen. Notwendige Förderer, so Jaime Abello, denn „Qualität hat nun einmal ihren Preis“.