Im Rundfunk stocken die Verhandlungen

Seit nahezu fünf Monaten werden in den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern Tarifverhandlungen geführt. Für die Mitarbeiter*innen geht es um gute Tariferhöhungen. Die Auszubildenden und Volontär*innen kämpfen um höhere Ausbildungsvergütungen und für niedrigere, von den Auswirkungen der Inflation besonders betroffene Tarifgruppen soll es angemessene Mindesterhöhungen geben. Aber die Rundfunkanstalten stellen auf stur: Alle bisherigen Angebote liegen im gleichen, niedrigen Spektrum und lassen keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Forderungen der Gewerkschaften erkennen.

Die Angebote der Rundfunkanstalten folgen alle einem ähnlichen Schema und sind nahezu unverändert geblieben: um die 2,25 Prozent lineare Erhöhung im ersten Jahr und 2,46 Prozent ab dem 1.4.2025 – dies aber nur unter Vorbehalt der Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Letzteres wird seitens der Gewerkschaften als falsches politisches Signal gewertet. Sollte die Politik nämlich die Verfassung brechen und damit die Erhöhung des Rundfunkbeitrages vorübergehend blockieren, darf dies nicht die Beschäftigten treffen.

Unter dem Inflationsausgleich

Die Differenz zwischen der ver.di-Forderung und dem Arbeitgeberangebot liegt immer noch bei rund 8,5 Prozent – und das nach zum Teil fünf Verhandlungsrunden! Zieht man die Preissteigerungen in Betracht, wird auch klar, dass die Rundfunkanstalten mit ihren Minimalangeboten nicht einmal einen Ausgleich schaffen.

Dem Zeitspiel der Rundfunkanstalten haben sich die Gewerkschaften von Anfang an entgegengestellt. Die Beschäftigten erwarten von ihren Arbeitgebern einen professionellen Umgang mit ihren Tarifvertragspartnern. Selbst in den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes der Länder (eine durch die Rundfunkanstalten immer wieder hinzugezogener Referenz) ist es nach kurzer Zeit professioneller Anstrengung gelungen, einen guten Abschluss zu erzielen. Dass die Verhandler*innen der Rundfunkanstalten hingegen die Tarifverhandlungen verschleppen, löst unter den Mitarbeiter*innen Unverständnis aus.

Den ÖRR erhalten

Als größte Mediengewerkschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es für ver.di erklärtes Ziel, diesen zu stärken. Dies wird jedoch nur dann gelingen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen der Tarifverhandlungen in die festen und freie Mitarbeiter*innen investiert. Nur dann können auch junge Medienschaffende, hochprofessionelle Fachkräfte von morgen, gehalten werden. Mit wem sonst wollen die Rundfunkanstalten auch in Zukunft ihren Programmauftrag erfüllen und weiterentwickeln?

Die Warnstreiks bei NDR, SWR, WDR, BR und bei Radio Bremen/Bremedia in den vergangenen Wochen und Monaten sind das Resultat dieser Blockade-Haltung der Rundfunkanstalten. Programmänderungen und Ausfälle waren die Folge. Doch die Verhandlungen stocken noch immer.

SWR

Am 10. Juni fand die fünfte Runde der Tarifverhandlungen beim SWR statt. Sie endete ergebnislos, da der Verhandlungsführer Jan Büttner keine Bereitschaft zeigte, das bisherige Angebot von 2,25 Prozent für die ersten 15 Monate, dann möglicherweise weitere 2,46 Prozent für die nächsten 15 Monate zu erhöhen. Insbesondere die Ablehnung eines Inflationsausgleichs und der kategorische Ausschluss einer sozialen Komponente in Form eine Mindesterhöhung rief scharfe Kritik der Gewerkschaften hervor.

Zwar brachte der SWR eine zusätzliche Einmalzahlung ins Spiel. Allerdings kann eine solche die inflationsbedingte dauerhaften Preissteigerungen nicht ausgleichen. Deshalb bleibt ver.di bei der Forderung nach einem Inflationsausgleich und deutlichen Erhöhungen für die Auszubildenden und unteren Lohngruppen.

NDR

Bei der fünften Verhandlungsrunde im NDR sieht es ähnlich aus: Auch hier wurde nicht auf die Gehalts- und Honorarforderungen der Gewerkschaften eingegangen. Stattdessen hält der NDR-Verhandlungsführer, Dr. Michael Kühn, an dem bisherigen Angebot einer geringen linearen Erhöhung von 2,25 Prozent für 2024 fest. Eine kurze Laufzeit von 12 Monaten – wie es ver.di gefordert hat – schließt der NDR nach wie vor aus. Mindestens 24 Monate müsse man planen können. Dies erscheint allerdings absurd, da der NDR selbst von einer unsicheren finanziellen Lage ab 2025 spricht. Mit einer kürzeren Laufzeit hätte der NDR die Chance, mit Flexibilität auf die finanzielle Situation reagieren zu können. Auch beim NDR wird die geforderte Mindesterhöhung, die vor allem den niedrigeren Vergütungsgruppen zugutekäme, abgelehnt. Eine Einmalzahlung lehnt ver.di im NDR ab, ebenso wie die Möglichkeit, einen zweiten Erhöhungsschritt von der verfassungskonformen Umsetzung der geplanten Rundfunkbeitragserhöhung 2025 abhängig zu machen.

WDR

Im WDR sind alle vier Verhandlungsrunden bisher ebenfalls ergebnislos verlaufen. Auch der WDR bietet lediglich eine Erhöhung von 2,25 Prozent bei einer Laufzeit von 30 Monaten an. Unter der Voraussetzung, dass die von der KEF empfohlene Gebührenerhöhung kommt, hatte der WDR zudem eine weitere lineare Erhöhung um 2,46 Prozent zum 1. Januar 2025 angeboten. Auch hier weicht man nicht von der Linie innerhalb der ARD ab. Es kommt erschwerend hinzu, dass der WDR die Gehalts- und Honorarverhandlungen dafür nutzen will, den Honorarrahmen für Freie neu zu verhandeln. Für freie Mitarbeiter*innen würde der vom WDR vorgeschlagene neue Honorarrahmen bedeuten, dass sie Kürzungen von 30 Prozent und mehr akzeptieren müssten. Die Gewerkschaften lehnen Änderungen mit dieser Art Auswirkungen ab und haben für die Verhandlungen zum Honorarrahmen ein neues Strukturmodell vorgelegt.

BR

Vier Verhandlungsrunden hat es ebenfalls beim Bayerischen Rundfunk gegeben. Nicht überraschend, dass auch im Süden die Blockadehaltung der Rundfunkanstalten deutlich wird. Der Tarifforderung nach einer linearen Erhöhung von Gehalt und Honoraren um 10,5Prozent bei zwölf Monaten Laufzeit steht weiterhin das Angebot einer minimalen Erhöhung – genau wie bei den anderen Rundfunkanstalten – gegenüber: 2,25 Prozent Steigerung zum 01.01.2024 und im Falle der Erhöhung des Rundfunkbeitrages weitere 2,46 Prozent zum 01.01.2025 bei einer Laufzeit eines Tarifvertrags von 30 Monaten. Eventuelle Verhandlungsbereitschaft hatte der BR bisher lediglich bezüglich der Laufzeit signalisiert. Dass das nicht ausreichend ist, haben die Gewerkschaften im BR klar gemacht.

DLR/RB/BREMEDIA/MDR/SR

Die jeweiligen Auftaktgespräche und ersten Verhandlungsrunden bei Deutschlandradio, Radio Bremen/Bremedia und dem MDR verliefen bisher alle ergebnislos. Im SR (Laufzeitende war am 31.5.2024) gab es bisher noch keinen Verhandlungstermin.

 

 

 

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