EU-Fakten für faire Wahlen

Frau mit großer Lupe

Foto: 123rf

Rund 400 Millionen EU-Bürger*innen haben Anfang Juni, ihre Vertretung im Europäischen Parlament gewählt. Es ist davon auszugehen, dass mehr als die Hälfte von ihnen im Zuge des Wahlkampfes Informationen aufgerufen oder erhalten hat, die die Realität bewusst falsch darstellen oder die falsch sind. Angesichts der sinkenden Wahlbeteiligung und dem ungebremsten Aufwind rechter Akteure gerade mithilfe von gezielt eingesetzten Falschinformationen müssen Journalist*innen das Rüstzeug haben, diese populistischen Methoden zu entlarven.

Denn gerade EU-Politik und EU-Themen sind für viele Journalist*innen nicht unbedingt leicht zu durchschauen. Der Rückgriff auf verkürzte Erläuterungen oder auch grundsätzlich eine geringe Aufmerksamkeit für Vorgänge in Brüssel schaffen zusätzlich Raum für „Alternative Fakten“. Und wenn der Newswert es gebietet, können auch seriöse Medien ins Fahrwasser falscher Informationen geraten. Es gibt viel „Unverständnis darüber, was da in Brüssel eigentlich gemacht wird“, erklärte kurz vor der Europa-Wahl die Journalistin Dunja Hayali in der ZDF-Wahlsendung „Wie geht’s, Europa?“. Es wachse sogar, denn das politische Geschehen erscheine als „zu intransparent“, „zu bürokratisch“, „zu weit weg von den Menschen“.

Initiative GADMO

Das German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) ist ein Teil von von European Digital Media Observatory (EDMO). Die EU-geförderte Initiative soll ein Netzwerk schaffen, das in der Lage ist, Desinformationskampagnen aufzudecken und zu analysieren, Maßnahmen zur Stärkung der Medienkompetenz auf nationaler und multinationaler Ebene zu organisieren und andere Aktivitäten zur Bekämpfung von Desinformation zu unterstützen.

Warnung vor Falschinformationen

In welchem Ausmaß Chatbots weltweit im Wahljahr 2024 Stimmentscheidungen beeinflussen oder auch im Zusammenhang mit den Europa-Wahlen beeinflusst haben, wird ein Thema der Analyse sein müssen. Das unabhängige Recherche-Netzwerk CORRECTIV hatte im Vorfeld verschiedene Chatbots wie ChatGPT einem Faktencheck unterzogen, indem ihnen Fragen zur Europa-Wahl gestellt wurden.

Die Programme, so heißt es, stellten keine verlässliche Informationsquelle dar. „Zur Europawahl schreibt Googles Chatbot selbst bei einfachsten Fragen wie der nach dem Wahltermin nichts. Microsoft Copilot kennt die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien mal gar nicht, mal denkt er sich welche aus. Und ChatGPT schlägt uns erfundene Telegramm-Kanäle als Informationsquelle vor“, beschreiben die Faktencheck- Redakteur*innen. Oder die KI empfiehlt AfD-Telegramm-Kanäle, fügen sie hinzu.

Faktenchecks stellen Aussagen und schnell erhältliche Angebote auf die Probe. Das Konzept ist denkbar simpel: Sie überprüfen eine bestimmte Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt und kommen am Ende zu einer Einschätzung.

 GADMO: Faktenchecks für Journalist*innen

Im März stellte sich mit GADMO der derzeit größte Zusammenschluss von Faktencheck-Organisationen und Forschungsteams gegen Desinformation in Deutschland und Österreich der Öffentlichkeit vor. Als zentrale Plattform für deutschsprachige Faktenchecks sollen hier Desinformationskampagnen und ihre Verbreitung beobachtet und erforscht werden, ebenso Gegenmaßnahmen von großen Technologiekonzerne. Außerdem arbeite man „aktiv an der Verbesserung der Medienkompetenz der Internetnutzenden in Deutschland und Österreich“.

Mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa), der Agence France-Presse (AFP), der Austria Presse Agentur (APA) und CORRECTIV kooperieren damit erstmals führende Faktencheck-Organisationen in Deutschland und Österreich untereinander und mit Forschenden aus Kommunikations- und Datenwissenschaften. Jeder der Partner hat eine eigenständige Faktencheck-Redaktion, das heißt man tauscht sich untereinander aus, arbeitet bei den Recherchen aber unabhängig voneinander und veröffentlicht damit zu einem Thema so möglicherweise auch mehrere Beiträge.

 

 

 

 

 

 

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