Dunkle Sonnenseiten

Solares Fachmagazin Photon in Insolvenz – Betriebsrat verhindert

Die Geschäftsleitung des von der Insolvenz bedrohten Fachmagazins Photon hat nicht nur die Beschäftigten in der Vergangenheit immer wieder versucht einzuschüchtern. Die für die Pleite Verantwortlichen wollen den Redaktionsbetrieb unter Abwälzung der Schulden auf Mitarbeiter und andere Gläubiger fortführen, obwohl gegen sie vielfältige Strafverfahren anhängig sind.

Screenshot Photon
Screenshot Photon

Vor Weihnachten erhielt die Redaktion des solaren Fachmagazins Photon unangemeldeten Besuch von der Polizei. Die Ordnungshüter beschlagnahmten jede Menge Kisten mit Geschäftsunterlagen, nachdem bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Aachen Strafanzeige wegen möglicher Insolvenzverschleppung und weiterer Straftaten gegen die Leitung des Blattes eingereicht worden war, wie Oberstaatsanwalt Robert Deller bestätigt.
Kurz darauf meldete die Photon Europe GmbH tatsächlich Insolvenz an. Betroffen sind 100 Mitarbeiter am Stammsitz in Aachen, 30 in Berlin und weitere zehn an Auslandsstandorten. Photon ist eines der weltweit führenden Fachblätter für Solarenergie, erscheint monatlich in sechs Sprachen. Doch es sind nicht nur die Probleme der Solarbranche mit dem wegbrechenden Anzeigengeschäft, die die Arbeitsplätze bedrohen. Der Unmut vieler Mitarbeiter richtet sich gegen die Leitung des Hauses um Herausgeber Philippe Welter und Chefredakteurin Annegret Kreutzmann. So hatten diese nach Erkenntnissen von ver.di-Fachbereichssekretär Franz Blatt über Jahre hinweg mit Druck die Bildung eines Betriebsrates verhindert. „Die Beschäftigten hatten Angst, entlassen zu werden“, sagt Blatt. Doch mit dem Ausbleiben von Gehaltszahlungen ab August 2012 hielten sie nicht mehr still. Dreimal, so der Gewerkschafter, hätten sie seit Oktober versucht, einen Betriebsrat zu konstituieren. „Dreimal ist dem Wahlvorstand daraufhin gekündigt worden“. Blatt selber habe wegen seiner Beratung der Mitarbeiter Hausverbot erhalten.
Gegen die Kündigungen laufen zwar Einsprüche vor den Arbeitsgerichten, doch die Rücksichtslosigkeit der Verlagsleitung geht weiter. Noch während im vorläufigen Verfahren Insolvenzverwalter André Seckler nach Investoren suchte und immerhin für die Monate November bis Januar über das Insolvenzgeld für die Zahlung der Gehälter sorgte, präsentierten sich die für die Pleite Verantwortlichen unverfroren als neue Retter. Eine neu gegründete Photon-Schwesterfirma bot sich als Käufer an. Zum Hintergrund: Das Magazin ist Teil eines undurchsichtigen Firmengeflechts. Während die Insolvenz mit der Photon Europe – bei der die Mitarbeiter angestellt sind – nur eine dieser Firmen betrifft, liegen die Namensrechte bei einer anderen Photon-Gesellschaft. Ohne die Rechte an dem Titel aber ist eine Übernahme für externe Investoren uninteressant. Die neue Photon-Firma mit Geschäftsführerin Kreutzmann habe laut Blatt manchen Mitarbeitern, die von ihr bei der insolventen Firma einst angestellt wurden und die immer noch auf mehrere Monatsgehälter warten, neue Arbeitsverträge zu schlechteren Konditionen angeboten. Auf der Online-Seite des Magazins hat die Firmengruppe unverhohlen bereits neue Jobs ausgeschrieben. Dagegen können weder der Insolvenzverwalter noch die Gerichte juristisch etwas unternehmen. Während Seckler vor allem an einem hohen Verkaufspreis interessiert ist – auch wenn er von den Gesellschaftern der insolventen Firma stammt – könne der Staatsanwalt trotz der laufenden Strafverfahren „nicht präventiv vorgehen“, so Deller. Gelänge der Deal, wären zwar die Jobs einiger Redakteure erst einmal gesichert. Doch dann hätte sich das Photon-Konglomerat auf Kosten der übrigen Mitarbeiter und seiner weiteren Gläubiger saniert. Die Firmenleitung bestätigte auf Anfrage die Kaufabsicht, wollte sich zu den Mitarbeiterverhandlungen aber nicht äußern.
Nicht nur die Photon-Redakteure weltweit warten auf ihr Geld. Auch Dienstleister wie das für die spanische Ausgabe zuständige Übersetzungsbüro und selbst die Sozialkassen beklagen hohe Außenstände. Ärger hat die Verlagsleitung in der Vergangenheit auch immer wieder wegen ihrer Berichterstattung erhalten. So gab es vom deutschen Presserat 2012 einen Hinweis wegen der Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht.

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