Deutsches Sicherheitsrecht wird zum Ausländerrecht

Buchrezension: Der Terrorist als Gesetzgeber

„Angst“, heißt es im Volksmund, „ist ein schlechter Ratgeber“. Allerdings, das hat die Geschichte mehrfach verhängnisvoll unter Beweis gestellt, ein äußerst wirksamer. Heribert Prantl, der das Ressort Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung leitet, erinnert in „Der Terrorist als Gesetzgeber“ beispielsweise an Ketzerprozesse und Hexenverfolgungen im Mittelalter. Und er warnt vor der Rückkehr solch finsterer Zeiten. Denn seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 habe sich in der westlichen Welt ein Klima der Angst ausgebreitet, dem von Seiten der Regierungen nicht etwa besonnen entgegengewirkt, sondern mit dem gezielt Politik gemacht werde. Und zwar die Politik eines vermeintlich „starken“, autoritären Staates, der im vorgeblichen Bemühen, die „innere Sicherheit“ zu verteidigen, bürgerliche Freiheits- und menschliche Grundrechte abbaut und damit, wie der promovierte Jurist, ehemalige Richter und Staatsanwalt ebenso anschaulich wie eindringlich darlegt, Gefahr läuft, sich zu einem totalitären Polizeistaat zu entwickeln.

„Überall“, schreibt Prantl, „werden vergiftete Paragraphen und Gesetzesartikel produziert, werden rechtsstaatliche Grundsätze geopfert, wird die Privatsphäre der Bürger missachtet.“ In sechs Kapiteln geht er dieser für den Rechtsstaat bedrohlichen Entwicklung auf den Grund, bei der die US-Regierung ebenso eine unheilvolle Vorreiterrolle einnimmt, wie das deutsche und europäische Ausländerrecht, in dem die Rechtswegegarantie de facto außer Kraft gesetzt sei. „Das deutsche Sicherheitsrecht verwandelt sich in ein Ausländerrecht“, stellt Prantl fest und versteht dies als Warnung und Anklage zugleich. In den gegenwärtigen Diskussionen um „Rettungsfolter“, einen „Präventionsstaat“, der die Strafverfolgung immer weiter ins Vorfeld einer Tat verlagert, und ein „Feindstrafrecht“, das diejenigen, die der Staat zu seinen Feinden erklärt, als „Unpersonen“ deklariert und damit von den Rechtsgarantien des normalen Strafrechts abkoppelt, bezieht Prantl unmissverständlich Position für den Rechtsstaat und die Würde des Menschen. „Ein Feindstrafrecht“, mahnt er, sei „nicht der Retter der freiheitlichen Gesellschaft, sondern ihr Untergang.“ Und: „Ein Staat, der sich vom Anker der Menschenrechte losreißt, ist kein Rechtsstaat mehr; in einem solchen Staat diktiert der Terrorist die Gesetze“.
Wirklich neu, ist die Erkenntnis nicht, dass auch dann der Terrorismus siegt, wenn man die Werte, die man ihm gegenüber verteidigen möchte, auf dem Altar der „Inneren Sicherheit“ opfert. Prantl zeigt in seiner engagierten, klugen Streitschrift für Rechtssicherheit, Freiheit und Menschenwürde, jedoch plastisch auf, dass eine solche Einsicht in Zeiten kollektiver Angst nur wenig gilt. Deshalb appelliert er, klare Grenzen zu ziehen, die ein Rechtsstaat unter keinen(!) Umständen überschreiten darf. Und dabei verhehlt er nicht, dass die Bundesrepublik diese Grenzen aus seiner Sicht in etlichen Bereichen – wie etwa der Sicherheitsverwahrung oder des Asylrechts – längst übertreten hat. Ein brisantes, mutiges und wichtiges Buch.


Heribert Prantl:
Der Terrorist als Gesetzgeber.
Wie man mit Angst Politik macht.

München: Droemer.
220 Seiten. 14,95 Euro.

 

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