Starke Proteste gegen Programmreform im Kulturradio des WDR
Zunächst ein Wort in eigener Sache: Der Autor dieses Textes arbeitet selbst auch für WDR5 und WDR3 – und gilt jetzt als Ewiggestriger. Jedenfalls in den Augen von WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz. Der hat nämlich den Kollegen, die gegen die Reform des Kultursenders WDR3 protestierten, bescheinigt, sie hingen einem Kulturverständnis der 70er Jahre nach. Ein harter Vorwurf.
Das Kulturradio WDR 3 soll reformiert werden. Dagegen protestieren „Die Radioretter“. So nennt sich eine „Initiative für Kultur im Rundfunk“, ehemalige WDR-Redakteure, Künstler und Wissenschaftler sind beteiligt. Sie beklagen „die Streichung von täglich 32 Minuten politischer Berichterstattung im ‚Journal’, das Verschwinden eines wöchentlichen Feature-Platzes für Musik und Literatur, die Verwandlung des werktäglichen aktuellen Kulturmagazins ‚Resonanzen’ in ein Wiederholungsprogramm und das Aus für das sonntägliche Auslandsmagazin ‚Resonanzen weltweit’ – um nur einige der als Organisationsreform angekündigten ‚Kleinigkeiten’ zu nennen.“
Viel Unterstützung für „Die Radioretter“
„Die Radioretter“ schrieben deshalb einen Offenen Brief an die Intendantin Monika Piel mit dem Tenor, sie würde doch „derart undurchdachte Pläne sicher nicht zulassen und mit einem Federstrich verhindern“. Der Brief hatte einen sarkastischen Unterton, als glaubten die Verfasser selbst nicht recht daran, dass sich etwas ändern ließe. Die Resonanz dürfte sie wahrscheinlich auch überrascht haben. Bis dato kamen an die elftausend Protest-Unterschriften zusammen. Ziemlich viel Prominenz aus Kultur und Wissenschaft dabei, von Günter Wallraff über Navid Kermani bis Dieter Süverkrüp. Auch viele Journalisten, die für den Sender arbeiten, unterschrieben.
Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz hat geantwortet und, mit Recht, darauf verwiesen, dass der WDR viel in die beiden Wellen investiert, dass hier engagierte Redakteure arbeiten. Aber genau diese Kulturleistung sehen die Initiatoren des Offenen Briefs gefährdet und haben damit einiges aufgerührt. ver.di im WDR und die ver.di-Bundesfachgruppe Medien schlossen sich dem Protest an, der Deutsche Kulturrat verwies auf den öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag und der WDR-Rundfunkrat bat um Vorlage eines Gesamtkonzepts für die Kulturwelle.
Schon Ende Januar hatte die Redakteursvertretung in einer vorläufigen Stellungnahme das Vorhaben scharf kritisiert und gefordert, die „Reform“ vorläufig auszusetzen. Die Planungen seien keineswegs, wie behauptet, transparent gehandhabt worden. Vielmehr habe die Senderleitung viele Fakten schon geschaffen, ehe die Redakteursvertretung gehört wurde.
Jetzt hat sich die Auseinandersetzung exemplarisch am Schicksal der WDR-3-Sendung „Resonanzen“ entzündet. Dabei handelt es sich um ein zweistündiges Magazin, wochentags von 18 bis 20 Uhr, das in besonderer Weise Kultur und Politik verbindet. „Die Welt aus dem Blickwinkel Kultur“ lautet der Slogan. „Resonanzen“ war schon 2008 um eine Stunde verkürzt worden. Jetzt sollte das Magazin ab März hauptsächlich mit Wiederholungen aus anderen Kultursendungen bestückt werden. Das wiederum bestreitet der Hörfunkdirektor. Allerdings wurden schon Ende 2011 die freien Autoren informiert, künftig würden „keine exklusiv in Auftrag gegebenen Beiträge mehr gesendet“.
Dabei ist „Resonanzen“ selbst Ergebnis einer „Reform“. Noch vor wenigen Jahren war auf dieser Sendeleiste eine Mischung aus Kultur, Politik, Information zu hören gewesen. Flaggschiff war das weit über den WDR hinaus bekannte politische Feuilleton „Das kritische Tagebuch“. Das wurde schon vor drei Jahren abgebaut, wie vieles andere auch, „die literarischen Lesungen, Rezensionen, Originaltonmitschnitte in ‘Dokumente und Debatten’, Gesprächssendungen wie ‘Zeitfragen/Streitfragen’ oder ‘Funkhausgespräche’ sowie Features und Hörspiele“, wie die „Radioretter“ aufzählen. Das alles ist auch deshalb durchgegangen, weil es die Hörfunkleitung immer sehr geschickt verstanden hat, die Eingriffe so klein zu reden, dass der Rundfunkrat sich nicht damit befassen musste.
Kerngedanke des schon lange laufenden Umbaus ist die Idee der Formatierung: Das Programm als Marke. WDR 5 als Wortprogramm soll vor allem die Tagespolitik reflektieren, WDR 3 als Klassiksender vor allem auf klassische Musik und auf Durchhörbarkeit setzen. Organisatorische Maßnahmen begleiten das Unterfangen. So soll das Musikprogramm von WDR 3 tagsüber vom „Music Master“ generiert werden (mit Ausnahme des „Klassik-Forum), „Musikpassagen“ sollen ersatzlos gestrichen werden – WDR 3 auf dem Weg zum genormten Klassikradio?
Häppchen-Kultur
Modernes Feuilleton mit seiner herausfordernden Verbindung von Kultur und Politik stört in einer solchen einseitigen Formatierung nur. Es ist absurd: Während die Printmedien ihre Feuilletons in den letzten Jahren ausgebaut und politisiert haben, baut der WDR sie ab. Während Landschaftskulturplaner Flüsse wieder mäandern lassen, begradigt der WDR seine Programmflüsse. Das Ewiggestrige, das Wolfgang Schmitz meint, ist die Vorstellung, Hörer würden heutzutage noch gezielt Radio hören wollen. Modern soll demnach sein, die Programme zu formatieren, dem Publikum mit Häppchen-Kultur nachzulaufen und die Arbeit von Fachredakteuren zu entwerten.
Die Redakteursvertretung erinnert dran, dass schon lange Pläne für eine kostengünstige ARD-weite Kulturwelle kursieren und vermutet, dafür solle das Feld bereitet werden. Ihre Kritik ist grundsätzlich: „Aus allen Wellen die immer gleichen Durchhörprogramme zu machen, organisiert von ihrer Programmverantwortung zunehmend enthobenen Redakteuren, ist zudem eine Missachtung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrages“.
Erstes Ergebnis der Proteste: Der Umbau von „Resonanzen“ zu einem recycelten Kulturmagazin ist zunächst bis Mai 2012 verschoben.