Seit 50 Jahren behauptet sich das ZDF erfolgreich im Senderreigen
Die ersten Sendungen kamen in Schwarz-Weiß aus Baracken in Eschborn bei Frankfurt. Aus dem Einzelkanal „Zweites Deutsches Fernsehen“ wurde inzwischen längst eine Senderfamilie. Von Anfang an stand das Zweite im Fokus politischer Begehrlichkeiten. Am 1. April wird das ZDF 50 Jahre alt.
Das erste Geburtstagsgeschenk machte sich der Sender selbst. Erstmals seit 2005 belegte das ZDF im vergangenen Jahr mal wieder Platz 1 im Ranking der bundesweiten TV-Sender. Mit einem Marktanteil von 12,6 Prozent blieben die Mainzer knapp vor dem Ersten und RTL, die jeweils auf 12,3 Prozent kamen. Ein prestigeträchtiger Erfolg, zu dem allerdings maßgeblich die Übertragungen von der Fußball-Europa-Meisterschaft beitrugen.
Getrübt wird die Freude durch die medienpolitische Großwetterlage. Die Auseinandersetzungen um den neuen Rundfunkbeitrag, vor allem aber die Sparvorgaben der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) machen den Mainzern zu schaffen. Bis Ende 2016 muss das ZDF im Personalbereich 75 Millionen Euro einsparen – das läuft auf einen Abbau von bis zu 400 der 3.600 Stellen hinaus. Seit Ende 2011 herrscht ein Stellenstopp, wird versucht, ältere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für den Vorruhestand zu motivieren. Die Maßnahmen zeigen offenbar Wirkung. Zum 1. April 2013 werde er „den bestehenden Einstellungsstopp schrittweise aufheben“, kündigte Intendant Thomas Bellut Ende 2012 an: „Wir müssen den Krisenmodus, in dem wir uns seit einem Jahr bewegen, wieder verlassen.“
Länderhoheit und Binnenpluralismus
Unfreiwilliger Geburtshelfer des ZDF war Anfang der 60er Jahre Altkanzler Konrad Adenauer. Dessen Versuch, durch Gründung der privatrechtlichen „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ eine Art Regierungs-Fernsehen ins Leben zu rufen, wurde vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht in eindrucksvoller Weise abgeschmettert. Der Rundfunk, so urteilten die Verfassungshüter, sei nach deutschem Recht eine „öffentliche Aufgabe“. Der Bund habe hierfür keine Kompetenz „aus der Natur der Sache“. Die alleinige Zuständigkeit für Organisations- und Programmfragen auf dem Gebiet des Rundfunks obliege den Ländern. Nach dem Spruch vom 28. Februar 1961 hatte überdies jeder Veranstalter innerhalb seines Programms für Vielfalt und Ausgewogenheit zu sorgen. Dies solle durch die Mitwirkung gesellschaftlich relevanter Eirichtungen und Organisationen in den Aufsichtsgremien geschehen – die klassische Definition von Binnenpluralismus.
Am 6. Juni 1961 unterzeichneten die Ministerpräsidenten der Länder den Staatsvertrag über die „Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen“. Er trat am 1. Dezember desselben Jahres in Kraft. Als Standort wurde Mainz auserkoren, nachdem anfangs auch Frankfurt und Düsseldorf im Gespräch waren. Die Besetzung der Führungspositionen unterlag von Beginn an parteipolitischem Postenschacher. Die CDU/CSU bestand auf dem Erstvorschlagsrecht für den Intendanten, die SPD sollte den Programmdirektor bestimmen dürfen, der gleichzeitig stellvertretender Intendant war, die FDP den Verwaltungsdirektor – eine bis heute übliche Auskungelei des Personaltableaus entsprechend den jeweiligen parlamentarischen Kräfteverhältnissen.Neues Sendezentrum
Neues Sendezentrum
Gründungsintendant wurde Karl Holzamer, den Altkanzler Adenauer bereits für den Spitzenjob in seiner gescheiterten „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ vorgesehen hatte. Er eröffnete am 1. April 1963 mit einer Ansprache aus den behelfsmäßigen Studiobaracken in Eschborn das Programm. Slogan: „Am Ersten das Zweite“. Danach kamen die „heute“-Nachrichten, eine weitere Ansprache des damaligen baden-württembergischen CDU-Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger, gefolgt von der 90minütigen vorher aufgezeichneten Unterhaltungssendung „Berlin Melodie“. Zeitgenossen nannten das Gelände „Telesibirsk“ – es bestand aus einem Bauernhof und einigen ehemaligen Arbeitslagern. Von einer bundesweiten Ausstrahlung konnte eigentlich noch keine Rede sein: die technische Reichweite lag bei 61 Prozent der Fernsehteilnehmer, ein Wert, der bis 1967 auf 80 Prozent gesteigert wurde. Bereits ein Jahr später kaufte das ZDF von der Stadt Mainz das Gelände für ein eigenes Sendezentrum auf dem Mainzer Lerchenberg, das bis 1974 – mit der Fertigstellung des 14-stöckigen Redaktions- und Verwaltungsgebäudes – stufenweise in Betrieb genommen wurde.
Heute ist der Sender in jeder Landeshauptstadt mit einem Studio präsent. Zehn Jahre nach der Wende eröffnete das Zweite im Berliner Zollernhof sein neues Hauptstadtstudio. Die Auslandsberichterstattung besorgt ein weitverzweigtes Korrespondentennetz mit 18 Auslandsstudios. Längst ist das Zweite, wie es selbst stolz verlautbart, „von einem langjährigen Einkanalsender zu einer multimedialen Programmfamilie herangewachsen“. Hinzugekommen sind die Partnerkanäle 3sat (1984), Arte (1992), KiKa und Phoenix (beide 1997); außerdem die Digitalkanäle ZDFneo, ZDFkultur und ZDFinfo. Im Zeichen von Finanzkrise und Sparappellen der Politik sind letztere in jüngster Zeit unter Beschuss geraten. Erst kürzlich kündigte ZDF-Intendant Bellut an, ZDFkultur (Marktanteil: 0,1 Prozent) zugunsten eines gemeinsam mit der ARD organisierten Jugendkanals einzustellen. Neben dem Einspareffekt wäre dies zugleich ein weiterer Schritt in der Verjüngungsstrategie des Senders. Der Altersdurchschnitt von 61 Jahren hatte dem Zweiten gelegentlich den Spottnamen „Kukident-Sender“ eingetragen.
Politischer Karriereschacher
Ende 2009 legte ein Konflikt um die Vertragsverlängerung des damaligen Chefredakteurs Nikolaus Brender die Mechanismen bloß, nach denen im ZDF über Karrieren entschieden wird. Einer Phalanx von CDU-Politikern, angeführt vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, gelang es damals, gegen den ausdrücklichen Wunsch von Intendant Markus Schächter, eine Weiterarbeit von Brender zu verhindern. Dieter Stolte, Schächters Vorgänger in der ZDF-Intendanz von 1982-2002, hat in seinen im Herbst 2012 veröffentlichten Erinnerungen „Mein Leben mit dem ZDF“ eindrucksvoll bestätigt, nach welchen Kriterien am Lerchenberg Personalpolitik läuft. Wie schon Adenauer und andere Kanzler hatte auch der Pfälzer Helmut Kohl als ZDF-Verwaltungsratsvorsitzender die Besetzung der Spitzenpositionen zur Chefsache gemacht. Demnach war der Intendant in der Regel CDU-nah, der Chefredakteur ein den Sozis genehmer Kandidat, der Programmdirektor wiederum eher konservativer Couleur. Dem Politschacher der jeweiligen Freundeskreise fielen mehrfach hochqualifizierte Bewerber zum Opfer. Ideale Kandidaten wie Unterhaltungschef Peter Gerlach oder Fernsehspiel-Leiter Hans Janke bekamen so nie eine echte Chance auf einen Direktorenposten.
Nach wie vor hat sich an der fragwürdigen Zusammensetzung der ZDF-Gremien nichts geändert. Vor allem im 14köpfigen Verwaltungsrat existiert weiterhin ein staatsvertraglich abgesichertes Übergewicht der Politik. Unter dem Vorsitz des ehemaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck agieren dort weitere vier Landesväter: Matthias Platzek, Horst Seehofer, Stanislaw Tillich und Volker Bouffier. Außerdem als Vertreter des Bundes Medienstaatsminister Bernd Neumann und die vom Fernsehrat gewählte ehemalige Staatsministerin Ilse Brusis. Im Fernsehrat beträgt der Anteil von Partei- und Staatsvertretern 46 Prozent. Demnächst soll das Bundesverfassungsgericht über die Ende 2010 eingereichte Klage des Landes Rheinland-Pfalz gegen den ZDF-Staatsvertrag entscheiden. Den Klägern geht es darum, künftig eine „angemessene Staatsferne“ in der Komposition der Aufsichtsgremien sicherzustellen.
Werbung im Grenzbereich
Eine weitere Baustelle des ZDF sind die permanenten Auseinandersetzungen um Produktplatzierungen – im Volksmund meist auch Schleichwerbung genannt. Zuletzt hatten die auffällig prominent präsentierten Auftritte der beiden Automobilmarken Mercedes-Benz und Audi bei „Wetten, dass…?“ für negative Schlagzeilen gesorgt. Über ihre Firma Dolce Media hatten die Gebrüder Gottschalk jahrelang die populärste Programmfläche des Zweiten zur Werbefläche umfunktioniert. Ein geschäftstüchtiges Treiben, dem der Sender tatenlos zusah. Andere überführte Schleichwerbe-Sünder wie Moderatorin Andrea „Kiwi“ Kiewel wurden nach kurzer Bewährungsfrist begnadigt. Schon früher hatte in der Vorabendserie „Sabine!“ ein veritabler Landwirtschaftsminister Werbung für Pfälzer Riesling betreiben dürfen. Trotz mancher Selbstverpflichtungserklärung des Senders sahen die ZDF-Controller über die Einbindung von Produkten in fiktionale Programme gern großzügig hinweg. Leider verführen die nicht eindeutigen Bestimmungen des aktuellen Rundfunkstaatsvertrags im Kapitel „Zulässige Produktplatzierungen“ offenbar immer wieder dazu, die Grenzen der Selbstkommerzialisierung des Programms phantasievoll auszuloten. Ob die Senderverantwortlichen aus dem jüngsten Skandal gelernt haben? Zweifel sind angebracht. Erst kürzlich erschien im „ManagerMagazin“ eine Anzeige des Senders, das einen Audi-Manager (!) gemeinsam mit ZDF-Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein auf Regiestühlen zeigte. Eingerahmt von den Logos beider beteiligter Institutionen warb die Schlagzeile der Anzeige: „Ihre Marke fühlt sich wohl bei uns, weil wir sie auf die Überholspur bringen.“
Wenn an den kommenden Osterfeiertagen das ZDF mit zwei großen Jubiläumsshows seinen 50. Geburtstag feiert, dürften auch Nostalgiker auf ihre Kosten kommen. Der Sender verspricht eine Zeitreise durch die Fernsehgeschichte, mit Klassikern wie „Der Goldene Schuss“, „Disco“, „Hitparade“, „Schwarzwaldklinik“ und anderen Perlen öffentlich-rechtlicher Unterhaltung. Natürlich werden auch die Starmoderatoren von „heute“ und „heute-Journal“ Auftritte bekommen. Mit der „heute-show“ leistet sich das Zweite seit einiger Zeit sogar eine richtig bissige Satire-Sendung. Einzelne Highlights können aber nicht darüber hinweg täuschen, dass das Hauptprogramm längst von sperrigen, allzu anspruchsvollen Formaten befreit wurde. Im Zeichen der Verspartung wanderte fast alles, was irgendwie zu stark vom Mainstream abwich, in die diversen Kultur- oder Themenkanäle, in 3sat, Arte oder Phoenix. Digitalkanäle wie ZDFneo oder ZDFkultur dienen heute als Experimentierfläche, um neue Formate für jüngere Publika auszuprobieren.