Eine Tagung über den Nutzen des audiovisuellen Angebotes
Am Ende wurde ein Appell verabschiedet. Von all jenen, die am 21. November bei der Kooperationstagung des Bildungswerkes der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Vereins „Sichtwechsel“, der sich für gewaltfreie Medien einsetzt, dabei waren.
Die Tagung in Berlin trug den Titel „Medienbildung statt Medienverwahrlosung“. Sie diente der Bestandsaufnahme. Und ein wenig auch der Vergewisserung, dass es möglich ist, etwas für gewaltfreie Medien zu tun. Träume müssen nicht Schäume sein.
Eine Menge Zahlen wurden genannt. Sie erschrecken die, deren Kinder viel Zeit vor Fernsehern, Computern und Spielkonsolen verbringen, und freuen jene, die mit Computerspielen richtig Geld verdienen. „Killerspiele sind wie Landminen für die Seele“, sagte Elke Ostbomk-Fischer, Dozentin an der Fachhochschule Köln, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften.
Weihnachten werden eine Menge solcher Minen unter geschmückten Tannenbäumen liegen. Kinder und Jugendliche werden glücklich sein, in ihre Zimmer verschwinden und lernen, den Feind zu töten. Mit allen Finessen, jeder Kriegslist und so mancher Foltermethode. „World of Warcraft“, „Doom“, „Mortal Combat“, „Call of Duty“, „Halo 3“ – hier kommen Kettensägen und Maschinengewehre zum Einsatz, wird verstümmelt, zerstückelt, erschossen, gedemütigt.
Viele Killerspiele sind aus den professionellen Trainingsprogrammen der US-Armee entstanden, gemacht, um Soldaten zu desensibilisieren und für das Töten zu konditionieren. Die Frage ist: Warum sollten Kinder und Jugendliche anders als Soldaten reagieren, wenn sie vor dem Bildschirm sitzen? Die Computerspielbranche erwirtschaftet weltweit einen Jahresumsatz von rund 30 Milliarden Euro. Ihre Vertreter waren auf der Tagung nicht anwesend, auch nicht TV-Programmmacher, die einen Teil der Verantwortung dafür tragen, dass auf deutschen Sendern täglich rund 70 Menschen ermordet werden. Das ist kein Mangel, aber ein Dilemma. Es gibt inzwischen sehr viele Initiativen und Vereine, die sich gegen Gewalt in den Medien – und damit sind nicht die Nachrichten und Berichte über Krieg und Elend gemeint – wenden. „Sichtwechsel e.V.“ (www.sichtwechsel.de) beispielsweise, der sich für gewaltfreie Fernsehprogramme und einen bewussteren Umgang mit visuellen Medien einsetzt. Aber irgendwann wird man die, die vom virtuellen Töten profitieren, aus dem manchmal ganz handfeste reale Probleme erwachsen, und mit Mord und Totschlag Einschaltquoten generieren, an den Tisch bekommen müssen. Diejenigen, die Killerspiele lieber Ballerspiele nennen, gegen ein gesetzliches Verbot eintreten, und davon reden, dass ja ausreichend Medienkompetenz vorhanden sei, um Spiel und Wirklichkeit auseinanderhalten zu können. Inzwischen gibt es rund 3.500 empirische Untersuchungen, die das Gegenteil und den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Mediengewalt und gesteigerter Aggressivität beweisen.
Man war sich auf der Tagung denn auch einig, dass der Begriff „Medienkompetenz“ inzwischen verbrannt ist, weil er zu oft der Legitimation genau jener Produkte dient, deren Verschwinden vom Markt in den Augen vieler Eltern, Erzieher, Lehrender, Psychologen, Wissenschaftler kein Verlust wäre. Worum es gehen müsse, sei Medienbildung, so Veranstalter, Referierende und Zuhörende. Man wagte sogar den Satz: „Medienbildung schließt Herzensbildung mit ein.“ Sie orientiere sich an den Konventionen der Menschenrechte und fördere eine kooperative mitmenschliche Umgangskultur.
Einen trotz aller Empörung und auch Hilflosigkeit differenzierten Blick auf die jungen Konsumenten forderte Verena Metze-Mangold, Vizepräsidentin der deutschen UNESCO-Kommission, ein. Man könne zum einen Kinder nicht vor Medien schützen, zum anderen gelte weiterhin das Schillerwort, der Mensch sei nur dort ganz Mensch, wo er spielen kann. Es könne also nicht um Seh- und Spielverbote, sondern müsse um Ermunterung gehen, Medienbildung zu fördern und zu fordern.
Nichtsdestotrotz – darin herrschte Einigkeit – sollten Killerspiele vom Markt verschwinden. Im von den Tagungsteilnehmern verabschiedeten Appell wird die Politik aufgefordert, „das Problem der Wirkungen audiovisueller Medien, die ein Novum in der Geschichte der Kommunikationsweisen sind, auf ihre Agenda zu nehmen. Entwicklungsbeeinträchtigende Sendungen, Filme, Videos, PC-Spiele müssen konsequent zurückgezogen und dürfen nicht mehr produziert werden.“
Wahrscheinlich ist und war allen Anwesenden klar, dass hier eine Utopie formuliert ist, die einer Illusion recht nahe kommt. Was Geld bringt, verschwindet nur selten vom Markt. Realistischer und somit optimistischer scheinen da alle Vorstöße, Medienbildung zum festen Bestandteil von Bildung überhaupt zu machen. Bildung für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene. Dies kann nur gut angelegtes Geld und lohnenswert eingesetztes Engagement sein. Der Rundfunkjournalist Jürgen Liminski brachte in seinem Vortrag den Begriff „Mediendiät“ und meinte dies als Alternative zur Medienaskese, die nicht wenige sich und ihren Kindern zu verordnen versuchen, weil es oft unmöglich erscheint, maßvollen Umgang zu pflegen mit einem so lauten und massiven Medium, wie dem Fernsehen, und einem so faszinierenden, wie dem Computer, der mit einem spielt und wo man immer gewinnen kann. Der Jugendlichen die Erkenntnis beschert, „Wenn ich abgeschossen bin, stehe ich wieder auf“, und der Kinder glauben lässt, dass ihr Avatar das Leben besser meistert, als sie es tun.
Was wird aus dem Appell der Kooperationstagung „Medienbildung statt Medienverwahrlosung“? Kann er mehr sein, als bedrucktes Papier? Die ihn verfasst und verabschiedet haben, hoffen das. Die ihn hören und was draus machen sollen, müssen gefragt werden.