1. Fachtagung zur Personalentwicklung in der Medienbranche
Das Vorzeigeland der Medien- und Kommunikationsbranche Nordrhein-Westfalen investiert in die strategische Bindung von „human ressources“ an den Medien-Standort NRW und initiierte das Koordinierungscentrum aim. Es wird von 27 Institutionen, Verbänden und Unternehmen der Medienbranche organisiert, unterstützt aus Mitteln des Landes. Im November lud aim zu einer ersten Fachtagung für Personalentwicklung und Rekrutierung im Kölner Komed ein.
Konstantin von Ahlefeld
Geschäftsführer von MAP TV
Gute Mitarbeiter zu finden ist schwierig. Und in Zeiten des rasanten Technologiewandels und des immensen Innovationsschubes fluktuieren Mitarbeiter, also das Personal, innerhalb von Branchen, Standorten und persönlicher Entwicklung. Gerade hat die new economy Federn lassen müssen, und auch etliche Medienunternehmen mussten dem Gott der Globalisierung frönen. Bei Kinowelt gingen kürzlich 900 Arbeitsplätze verloren und im Zuge der Verschmelzung der Sendeanstalten ProSieben und Sat 1 zur ProSiebenSat1 Media AG werden bis zu 900 Mitarbeiter aufgegeben. Festangestellte wie Freelancer, große und kleine Unternehmen benötigen viel Energie für diesen Beschaffungsprozess, der nicht immer verantwortungsbewusst durchgeführt wird. Die Medienbranche wird immer gern dafür zitiert, wie modern und zukunftsgerichtet ihre Arbeitsstrukturen seien. Die Spezifika, die Lutz P. Michel, Geschäftsführer der Michel Medienforschung referierte, sind bekannt: hoher Akademikeranteil, viele Quereinsteiger, junge Branche mit wenig Krisenerfahrung, hoher Anteil an Freiberuflern, hohes Innovationstempo, projektorientierte Organisationsform, Kleinstbetriebe. Wie finden sich nun in diesen komplexen Wirtschaftseinheiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Erstaunlicherweise gehen die Unternehmen gar nicht so innovativ vor. Statt dessen funktioniere die Personalbeschaffung traditionell „nach Gutsherrenart“, gibt Konstantin von Ahlefeld, Geschäftsführer von MAP TV, offen zu. In der Medienbranche gebe es vereinzelt Weiterbildungsangebote, vor allem für Festangestellte, die punktuell und auf den kurzfristigen Bedarf zugeschnitten seien und meist verpufften. Es herrscht noch immer eine „Verheizer-Mentalität“.
Meist fehlt es an strategischer Planung, um Mitarbeiter fest an ein Haus zu binden und im Bedarfsfall auf diese zurückzugreifen. Jutta Klebon, Referentin für Berufbildungspolitik von ver.di NRW, beklagt, dass es nicht einmal soziale Mindeststandards gebe, da es an einer einheitlichen Arbeitgebervertretung fehle. Durch das „just in time“ und „just in budget“-Credo gibt es auch keine Unternehmensphilosophie, die Loyalität und Vertrauen erzeugen würde. Diese ist aber wichtig, um das Konkurrenzdenken aufzugeben und gemeinsame Ausbildungskonzepte zu initiieren, die es ja gibt beispielsweise im Ausbildungsverbund „Veranstaltungstechniker“ in Köln oder in der Verbundeinrichtung der Druckindustrie.
Plädoyers für proaktives Handeln
Willi Vogt, Landesfachbereichsleiter Medien von ver.di NRW, regt zudem eine überbetriebliche Weiterbildung an, die sich aus Abgaben der Verwertungsgesellschaften und der Künstlersozialkasse speisen könnte und die Freie mit einschließt. Gefordert werden „best practice“-Beispiele, die zu mehr „Sicherheit im Umgang mit Unsicherheit“ verhelfen. Nach den negativen Erfahrungen aus der Multimediabranche und der new economy, in der Quereinsteiger über learning by doing nur die Aufbauphase eines Unternehmens schafften, komme man zurück auf die Errungenschaften der alten Wirtschaft: hierarchische Organisation, qualifiziertes Personal und proaktives Handeln.
Proaktiv statt reaktiv – dafür plädierten viele der anwesenden Experten. Prof. Dr. Wolfgang Benkert, Professor für Wirtschaftspolitik und öffentliche Finanzen an der Privaten Universität Witten / Herdecke, sieht die proaktive Personalentwicklung als strategischen Prozess, der Veränderungen sowohl beim Mitarbeiter als auch im Unternehmen zulässt. Dadurch könnten Talente besser entdeckt und gefördert werden. Der strategische Ansatz umfasst eine Evaluierung der Leistungswilligkeit und -fähigkeit, seiner persönlichen Entwicklungsziele und der Chance im Unternehmen. Dieser Prozess beginnt bereits in der Schule und in Hochschulen, die über die Berufsbilder und Unternehmen praxisorientierter aufklären sollten. Die Personalentwicklung erstreckt sich darüber hinaus auf ein „Tracking“ von Mitarbeitern, das von Mentoren oder „Sparringpartnern“ durchgeführt werden kann. „Die Kosten-Nutzen-Relation dieser Personalinstrumente sind vergleichsweise gering angesichts der Kosten von Fehlentscheidungen“, so Benkert.
Angebote des Landes bleiben oft ungenutzt
Die Erst- und Folge-Qualifizierung von Mitarbeitern steht ganz im Mittelpunkt der Personalfindung und ist deren erstes Instrument. Erstaunlich die Feststellung, dass viele Angebote des Landes ungenutzt bleiben. Noch immer ist es nicht gelungen, eine einheitliche Zertifizierung und Qualitätssicherung zu schaffen. Matthias Laermans, Geschäftsführer aim: „Die Sozialpartnerschaft funktioniert erst dann in der Medienbranche, wenn ein präziseres Arbeitsmarkt-Monitoring vorgenommen, mehr Transparenz geschaffen und die Beratungsresistenz bei Unternehmen durchbrochen wird. Der Dialog wird fortgesetzt auf dem „Qualifizierungsforum“, das im kommenden Juni in Köln stattfindet.