Zeugnisverweigerung wirksam erweitert

Telefonüberwachung von Journalisten jedoch noch nicht völlig ausgeschlossen

Rechercheergebnisse gehören nicht in Strafakten. So lautete die jahrelange Forderung der Journalistinnen und Journalisten und ihrer Organisationen nach einer Reform des Zeugnisverweigerungsrechtes. Nun ist endlich ein Etappenziel erreicht: mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 15. Februar trat einen Tag später die neue Fassung mit einer Änderung des § 53 der Strafprozessordnung (StPO)in Kraft.

Die Novelle dehnt das Zeugnisverweigerungsrecht aus auf selbstrecherchiertes Material, auf „den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen“. Zugleich gilt dieses Recht nun auch für nichtperiodische Druckerzeugnisse – Bücher, Informations- und Kommunikationsdienste sowie Filmberichte. Damit ist das Redaktionsgeheimnis gestärkt und der Informantenschutz wesentlich verbessert worden

Erstes Urteil nach verändertem Gesetz

Wie kurz in der letzten Ausgabe berichtet, hat sich diese Änderung bereits positiv in einem ersten Urteil niedergeschlagen – die Beschlagnahme von SWR-Filmmaterial wurde rückgängig gemacht. Der Anlass – eine Schlägerei am Rande eines Prozesses in Freiburg – erfüllte nicht die Ausnahmekriterien, die immer noch im § 53 der Strafprozessordnung enthalten sind: Wenn es um die Aufklärung von Verbrechen oder Friedensverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates oder Landesverrat oder Gefährdung der äußeren Sicherheit geht, soll das Recht auf Zeugnisverweigerung ebenso wenig gelten wie bei einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder bei Geldwäsche. Allerdings dürfen auch hier Aussagen verweigert werden, die die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder sonstiger Informanten offenbaren würden.

Und ganz wesentlich: Auch für diese Fälle gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine Beschlagnahme ist nur zulässig, wenn sie „unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs.1. Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“ (§ 53 Abs. 5 Satz2 StPO).

Ganz zufrieden kann man dennoch mit dieser Lösung nicht sein. Wie in vielen Stellungnahmen bekräftigt, hat die dju immer eine Regelung ohne Einschränkungen durch einen Ausnahmekatalog gewünscht. „Wir warnen vor einem derartigen Katalog – auch wenn die genannten Ausnahmeregelungen im einzelnen nachvollziehbar und begründbar sind – und der Möglichkeit, ihn als Türöffner zu missbrauchen!“, stellte Manfred Protze für die dju fest.

1995 hatte dazu der Journalistentag der dju in Berlin unter dem Motto „Hände weg von den Medien“ an die Verantwortlichen in Parteien, Regierung und Bundestag appelliert, sich einzusetzen für: „die Einhaltung der bestehenden Vorgaben und Ausbau des bislang lückenhaften Zeugnisverweigerungsrechts ohne straftatenbezogenen Ausnahmekatalog“. Auf diesem Journalistentag wurden die damals vorliegenden Gesetzentwürfe der Grünen (bereits seit 1988! ohne Katalog) der SPD (mit damals noch wesentlich umfangreicherem Ausnahmekatalog) und des Bundesrates (dito) diskutiert.

Recherchematerial nicht für den Staatsanwalt

„Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot sind unerlässliche Grundlagen der journalistischen Berufsausübung; die Recherche dient der Berichterstattung und nicht der Erleichterung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen“ schrieb Detlef Hensche im Vorwort einer umfangreichen Dokumentation der Fachgruppe Journalismus der IG Medien, die zum Journalistentag vorlag.

Neben ausführlich beschriebenen Einzelfällen wurden rund 40 staatliche Aktionen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit, Redaktionsdurchsuchungen und Beschlagnahmungen von Film-, Foto- und Recherchematerial im Zeitraum 1990 bis 1994 veröffentlicht. 1998 folgte im Rahmen der Kampagne „Hände weg von den Medien“ ein zweiter Band. Die „Chronik der äußeren Pressefreiheit von 1995 bis 1997“ listete erneut mehr als 30 Beispiele des „staatlichen Griffs nach den Medien“ auf. Die wachsende Zahl der staatlichen Übergriffe wurde begleitet von mehr oder weniger öffentlichen Schritten in den Überwachungsstaat, erleichtert durch neue technische Möglichkeiten und gesetzgeberische Initiativen wie ein restriktives Telekommunikationsgesetz.

Spielraum für Interpretation

Nach dem Auslaufen des bislang geltenden § 12 Fernmeldeanlagen- Gesetzes (FAG) am 1. Januar dieses Jahres wurde die Auskunft über Telekommunikationsverbindungsdaten bei strafprozessualen Ermittlungen im § 100 StPO neu geregelt. Danach müssen Telekommunikationsdienste derartige Daten von Personen dann unverzüglich preisgeben, wenn diese einer Straftat „von erheblicher Bedeutung“ verdächtigt werden.Gleichzeitig muss dies „für die Untersuchung erforderlich“ und die „Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert“ sein. Eine sehr offen gehaltene, eher schwammige Formulierung: Sie lässt viel Spielraum für Interpretation und zunächst willkürliche Entscheidungen.

Für Journalisten von besonderer Brisanz ist die Tatsache, dass das neue erweiterte Zeugnisverweigerungsrecht im Fall der Telekommunikationsdaten (die übrigens weit über das Telefonieren hinausgehen) zwar für Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete gelten soll, aber ausgerechnet nicht für Journalisten. Damit ist die erweiterte Regelung des § 53 bereits wieder erheblich eingeschränkt. Wohin das führt, belegen beunruhigende Beispiele wie der Fall des RAF-Mitgliedes Klein. Die deutsche Justiz konnte seiner nur durch die Überwachung und Ausnutzung der Telefondaten einer „stern“-Kollegin Habhaft werden. Angesichts dieses offenkundigen Missbrauchs ist die Herausnahme von Journalisten aus dem besonderen Schutz des Zeugnisverweigerungsrechtes bei der Telefonüberwachung besonders bedauerlich. Der Vertrauensschutz gegenüber Informanten wird durch die Hintertür wieder ausgehebelt.


Hände weg von den Medien

Die Dokumentationen Teil I und II sind in geringer Anzahl in der dju-Bundesgeschäftsstelle vorrätig – Versand auf Anfrage

Tel. (030) 69 56 23 38,
Fax: (030) 69 56 36 57,
E-mail: journalismus@verdi.de

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

krassmedial: Diskurse gestalten

Besonders auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Telegram verbreiten sich rechtsextreme Narrative, die zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wie Journalist*innen dem entgegen wirken und antidemokratische Diskursräume zurückgewinnen können, diskutierten und erprobten etwa 70 Teilnehmende der diesjährigen #krassmedial-Sommerakademie von ver.di am Wochenende in Berlin-Wannsee.
mehr »

KI-Bots: Kompletten Schutz gibt es nicht

KI-Bots durchstreifen das Netz, „scrapen“, also sammeln dabei auch journalistische Inhalte, um damit KI-Modelle wie Chat GPT zu trainieren. Welche technischen Maßnahmen können Journalist*innen ergreifen, um ihren Content zu schützen? Tipps des KI-Beraters Branko Trebsche.
mehr »