Das Team für die Veränderungen gewinnen – alte Gewohnheiten ablegen
Am Ende einer Film-, Fernseh- oder Werbeproduktion steht im Idealfall nicht nur ein erfolgreiches Werk, sondern auch immer ein großer Berg an Müll und ein gigantischer CO2-Fußabdruck. Dass sich dies ohne Mehrkosten oder -aufwand vermeiden lässt, beweisen mittlerweile immer mehr Produktionen. Wie man eine grüne Produktion durchführt, vermittelte beeindruckend das „Green Me – Best Practice Production Panel“ im Rahmen des 9. Green Film Festivals am letzten Januarwochenende in Berlin.
Das von der Sustainable Productionmanagerin Korina Gutsche organisierte und geleitete Panel versammelte alle Akteure, die sich im Bereich grünes Produzieren engagieren. Dies zeigt wie weit am Anfang die Bewegung noch ist und dies obwohl mit den Bavaria Filmstudios in Grünwald schon das erste Studio auf einen komplett klimaneutralen Betrieb umgestiegen ist. Birgit Heidsieck, Herausgeberin der jährlich zur Berlinale erscheinenden Broschüre ‚Green Film Shooting‘ stellte daher auch fest: „Es gibt Produzenten, die finden grünes Drehen regelrecht blöd und trotz derjenigen, die es machen, gibt es insgesamt immer noch viel zu wenige grüne Produktionen“.
Neben Beispielen und Erfahrungen wurden vor allem Tipps genannt, wie man eine grüne Produktion anpackt. „Grünes Produzieren ist oft eine Frage der Bequemlichkeit“, legt die freie Aufnahmeleiterin Sandra Böttger-Thieme, die schon einige grüne Produktionen organisiert hat, den Finger in die eigentliche Wunde. Schließlich ist nichts schwerer, als alte Gewohnheiten zu verlernen – und grün zu produzieren, ist genau das. Es heißt wieder verwendbare Becher zu
benutzen, auf die man achten muss, damit sie nicht weg kommen; Wasser aus Spendern in eigene Flaschen zu füllen; Mülltrennung; fleischlose Tage, da die Fleischproduktion auf den CO2-Fußabdruck wirkt; Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen; Drehbuch lesen auf dem Tablet, die Dispo aus der Dropbox ziehen und, und, und. Und besonders hart für Schauspieler: Bahn fahren, anstatt zu fliegen und bei Fahrgemeinschaften auch mal zu warten.
Schlüsselposition Produzent
Um die Umstellung so verträglich wie möglich zu machen, empfiehlt die Umweltingenieurin Nicola Knoch, die Filmproduktionen bei grünen Drehs berät, zeitig mit der Kommunikation anzufangen und das Team für umweltfreundliches Produzieren zu begeistern. „Es ist das Team, das eine grüne Produktion mit Leben füllt. Damit es funktioniert, muss man es sehr, sehr früh einbinden, mit den Leuten sprechen und ihre Vorschläge einholen.“ Die Schlüsselposition ist jedoch der Produzent. Weiß er nicht, warum er einen grünen Dreh möchte, kann er kaum das Team dafür gewinnen. Gleich nach dem Produzenten folgen die Leiter der einzelnen Gewerke, da sie wissen, wo die Stellschrauben sind.
Nicola Knoch warnt indes davor, die Sache auf die leichte Schulter zu leicht nehmen: „Es ist sehr wichtig, dass ein grüner Dreh ein Erfolg wird. Wer negative Erfahrungen macht, trägt sie in die nächste Produktion hinein. Die so verbreiteten Ansichten zu revidieren, ist sehr schwer.“ Hat man die Leute jedoch auf seiner Seite, sind sie aktiv mit dabei. Das belegt eine frische Mail vom „Notruf Hafenkante“-Set, die der Produktionsleiter der Serie, Macrus Kreuz von Letterbox, mit einigem Stolz vorliest. Darin schlägt eine Schauspielerin vor, die en masse gebrauchten Plastik-Wattestäbchen durch nachhaltige Papp- und kompostierbare Versionen auszutauschen, auch wenn sie teurer seien. Für Kreuz eine hochwillkommene Einlassung: „Es gibt immer irgendwo eine Stellschraube und man muss die Leute, gerade wenn sie neu hinzu kommen, immer wieder auffordern, Anregungen für nachhaltiges Handeln zu geben. Gerade bei einer Fernsehserie amortisiert sich grünes Produzieren, selbst wenn es Anfangskosten verursacht.“
Nicht alles ist überall umsetzbar
Und noch eines ist ganz wichtig, so Kreuz: „Man muss auf die Dienstleister zugehen und sie dazu bringen ein umweltfreundliches Angebot in genügender Menge vorzuhalten, wie etwa E-Autos.“ Das gleiche gilt auch für LED-Licht. Und auch Sandra Böttger-Thieme weiß aus eigener Erfahrung, dass die Lernkurve bei der konkreten Umsetzung einer grünen Produktion sehr steil und unerwartet abläuft. Nicht alles ist überall umsetzbar. Eine tägliche, getrennte Müllabholung ist
nicht an jedem Drehort machbar und für wiederverwendbares Geschirr und Besteck braucht man Wasser. Ohne Zuleitung ist das entweder gar nicht oder nur mit Mehraufwand zu bewerkstelligen. „Man muss sich einzelne Felder suchen und sie nach-und-nach und Film-für-Film bearbeiten“, sagt Sandra Böttger-Thieme. Wie alle anderen Panel-Teilnehmer_innen ist auch sie überzeugt: Ist die Umstellung erst einmal vollzogen, wird sie so normal sein wie die jetzige mit ihren Müllbergen. Aber alleine den ersten Schritt dorthin getan zu haben, fühlt sich gut an, weil man zu den Guten gehört.
Grüner Drehpass im Norden
„Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass wir die Verantwortung tragen und entsprechend handeln“, sagt Christiane Dopp, von der Film Commission der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH). Ein Weg dieses Bewusstsein zu fördern, ist der Grüne Drehpass, den die FFHSH an Produktionen vergibt, die in vier von sechs Bereichen umweltbewusst handelt. Seit 2012 wurden über 60 Produktionen ausgezeichnet. Besonders nachgefragt wird der Grüne Drehpass vom Nachwuchs, der gleich mit dem Gedanken des grünen Produzierens aufwächst. Hier gibt es einen sehr engen und fruchtbaren Austausch der Film Commission mit der Hamburg Media School. Bei Werbeproduktionen wird das grüne Bewusstsein der Kunden immer häufiger zur Auftragsgrundlage gemacht. In Hamburg und Berlin gibt es zudem Annahmestellen für alte Kulissen. Unabhängige Theater und Produktionen sowie Schulen können sich hier unentgeltlich bedienen. Kommerzielle Produktionen gegen eine Aufwandsentschädigung.
Ein erhebliches Problem bleibt jedoch bestehen und wird sich so schnell nicht lösen lassen: die Belastung aufgrund des sogenannten Fördertourismus, der dazu führt, dass Filmproduktionen reisen, weil sie die Förderung dort ausgeben müssen, wo sie sie erhalten. Aus produktionstechnischen Gesichtspunkten ist das oft sinnlos. Immerhin hat eine Auswertung mit dem CO2-Berechungstool Albert ergeben, dass 38 Prozent der Umweltbelastung durch Reisen und 30 Prozent durch das Produktionsbüro verursacht werden.
Mehr Informationen:
CO2-Belastung ausrechnen
Greenfilm Service Providers Guide der Medienboard Berlin-Brandenburg
Material Mafia in Berlin