Pflichtabgabe zur Bundesfilmförderung geplant

Rexrodt nimmt die TV-Sender an die Kandare – IG Medien bei Anhörung

Das schmeckt ihnen überhaupt nicht, was Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt da plant: Die privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter sollen gesetzlich zu Abgaben nach dem Filmförderungsgesetz (FFG) verpflichtet werden.

Während die TV-Stationen bisher insofern privilegiert waren, als sie nur sogenannte freiwillige Beiträge zahlten, waren die Film- und die Videowirtschaft auch bislang schon abgabepflichtig. Nachdem die Video-Industrie vor allem wegen der Ungleichbehandlung das Bundesverfassungsgericht angerufen hatte und auch die filmwirtschaftlichen Verbände eine Fortschreibung dieses Zustands nicht mehr länger hinnehmen wollten, sah sich das für die Filmförderung des Bundes zuständige Wirtschaftsministerium offenkundig genötigt, die Notbremse zu ziehen, um den Fortbestand der ohnehin vor allem von den Kommerzsendern seit Jahren attackierten Filmförderungsanstalt in Berlin zu retten.

Gegen die Einführung einer Pflichtabgabe im Zuge der Novellierung des Gesetzes, das in seiner geltenden Fassung Ende 1998 ausläuft, fuhren erwartungsgemäß gerade die privaten TV-Anbieter schweres Geschütz auf. Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), Jürgen Doetz, nannte die Abgabepflicht einen „verfassungsrechtlich im übrigen höchst umstrittenen Rückfall in die filmpolitische Steinzeit“ und sprach von einem „Affront“, mit dem das Ministerium einen politischen Konsens über die Filmförderung nach 1998 blockiere. VPRT-Sprecher Markus Schöneberger konkretisierte die Verbandsforderung einer „umfassenden Strukturreform“, indem er eine Verankerung der Filmförderung im Grundgesetz und eine klare Definition der unterschiedlichen Aufgaben von Bund und Ländern verlangte. Außerdem sollte die FFA „in eine moderne Dienstleistungszentrale mit GmbH-Charakter umgewandelt“ werden, erklärte Schöneberger bei einer Anhörung in der Berliner Außenstelle des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums.

Die heftige VPRT-Polemik gegen die sogenannte „Zwangsabgabe“ unterschlug allerdings geflissentlich, daß der Referentenentwurf den Sendern ja durchaus ein Schlupfloch ließ: Denn die TV-Stationen können die Abgabe, die künftig auf Basis der Zahl der ausgestrahlten Filme und des erreichten Zuschaueranteils berechnet werden soll, dadurch ablösen, daß sie mit der FFA Verträge über jährliche Pauschalzahlungen schließen. Auf die Angabe konkreter Summen verzichtet der Entwurf allerdings, was signalisiert, daß hier durchaus noch Verhandlungsspielraum besteht. Dabei dürfte es insbesondere um die 50prozentige Anrechnung der Zahlungen an die Länderförderungen gehen, die die Privatsender beim jüngsten Kompromiß durchgesetzt hatten.

Warnung der IG Medien

Diese Klausel dürfte nach Einschätzung von Experten dazu führen, daß von den rund 30 Millionen Mark, die die privaten TV-Veranstalter für 1997 und 1998 freiwillig für die Filmförderung bereitstellen, nur etwa die Hälfte bei der FFA in Berlin eingeht. Vor dieser bedenklichen Entwicklung hatte bereits im April die IG Medien gewarnt: Mit dem Engagement der Privatsender bei den Länderfilmförderungen dürfe „nicht die Möglichkeit verbunden werden, Mittel von der FFA auf die Länder umzuschichten; da die Länder auch Fernsehprojekte fördern können, kann dies zu einer Umleitung einer eigentlich para-fiskalischen Filmabgabe auf die Förderung von Fernsehprodukten führen“, hieß es in der damaligen Stellungnahme. Daß die zunehmende Verfolgung von Partikularinteressen eine Aushöhlung der Berliner Anstalt bewirken könnte, ließ Minister Rexrodt durchblicken, als er im Einladungsschreiben zu der Berliner Anhörung Ende August schrieb, daß „das Fortbestehen und die Leistungsfähigkeit der Filmförderanstalt langfristig gesichert“ werden müßten. „Deshalb müssen alle Gruppen, die vom Film profitieren, das sind Kinos,

Videoverleiher und die öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender, eine angemessene Leistung erbringen.“ Die vorgesehene Abgabepflicht, für die sich im Vorfeld auch die IG Medien eingesetzt hatte, stieß bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten erwartungsgemäß ebenfalls auf keine Gegenliebe. Der WDR-Fernsehspiel-Chef Gunther Witte nannte das Vorhaben ein „Fallbeil für die bisherige gute Zusammenarbeit“. Bei der Berliner Anhörung machte analog zum Einwand des VPRT auch ZDF-Justitiar Carl-Eugen Eberle Verfassungsbedenken gegen eine Abgabepflicht geltend. Auf die bisherige gute Zusammenarbeit zwischen öffentlich-rechtlichem Fernsehen und FFA machte Jörn Klamroth, Film-Koordinator der ARD, aufmerksam. Diese beruhe jedoch auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, das Eigeninitiative, Phantasie und Verantwortlichkeit wachhalte. Klamroth wie Eberle wiesen die Verantwortung für geplante Zwangsmaßnahme des Gesetzgebers dem VPRT zu. „Wenn sich die Privatsender ihren Verpflichtungen nicht so konsequent und phantasievoll entzogen hätten, wäre es gar nicht erst soweit gekommen.“

Waren sich die rivalisierenden TV-Lager bei der Filmabgabe ausnahmsweise einmal einig, so zeichnet sich in der Debatte um die künftige Gestaltung der Förderung des deutschen Films eine neue Frontstellung zwischen Bund und Ländern ab. Wichtiger als der traditionsreiche Kompetenzstreit zwischen den Ländern, die für den Film als Kulturgut zuständig sind, und dem Bund, der sich um den Film als Wirtschaftsgut kümmert, ist dabei eine andere Arena.

Denn gerade die Länder, die in den letzten Jahren große Filmfördereinrichtungen gegründet haben und damit massive Standort-Interessen verfolgen, fürchten, daß die Fernsehveranstalter, die sie gerade erst erfolgreich eingebunden haben, ihr Engagement wieder reduzieren könnten, falls die Pflichtabgabe im FFG verankert wird. Bayerns Staatsminister Kurt Faltlhauser (CSU) schrieb denn auch prompt an Rexrodt, eine Pflichtabgabe an die FFA würde „die erfolgreiche Filmförderung der Länder gefährden“. Außerdem seien zusätzliche Abgaben „das falsche Signal an die Wirtschaft“. Widerstand kündigten auch Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen an.

Im Gegenzug rief Bundesinnenminister Manfred Kanther die Länder, die ja inzwischen ein Vielfaches der Bundesmittel für die Filmförderung bereitstellen, zur Verständigung auf. Mit Blick auf die Vielgliedrigkeit des Förderungssystems sagte Kanther Anfang September beim 1. Filmforum der CDU in Berlin, notwendig sei „ein Höchstmaß an Koordinierung und Zusammenarbeit“ zwischen Bund und Ländern. Im übrigen appellierte der Minister an alle Beteiligten, die Finanzierung der FFA „dauerhaft zu sichern“ und die „ständigen und existenzbedrohenden Auseinandersetzungen“ zu beenden. Private Fernsehveranstalter wie Videoanbieter „sollten die Bedeutung der Filmförderungsanstalt als der einzigen bundesweiten – von Standortinteressen unabhängigen – Einrichtung der wirtschaftlichen Filmförderung anerkennen und ihr die Unterstützung nicht verweigern.“ Wie auch immer der Streit um die Pflichtabgabe ausgeht, in einem Punkt scheinen sich alle einig zu sein: Die schwerfällige FFA muß „schlanker“, ihre Vergabekommission kleiner werden. Diese Forderung unterstützt auch die IG Medien. Bei der Berliner Anhörung schlug die Gewerkschaftsvertreterin Ursula Höf vor, die Kompetenzen der Kommissionsmitglieder zu erweitern. Außerdem müsse bei deren Besetzung künftig die fachliche Qualifikation und nicht mehr die Verbandzugehörigkeit entscheidend sein.

 

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