„VG-Wort-Scheck wird in Zukunft äußerst mager ausfallen“
Die Verwertungsgesellschaft Wort hat im Jahr 2005 wieder ein „Rekordergebnis“ erzielt. Dennoch mochte auf den Versammlungen der VG Wort am 20. und 21. Mai in Berlin keine rechte Freudenstimmung aufkommen. Grund ist der so genannte Zweite Korb der Urheberrechtsreform, der – würde er, so Gesetz – die Einnahmen aller Verwertungsgesellschaften und damit ihre Ausschüttungen an Journalisten, Autoren, Fotografen und andere Kreative versiegen lassen wird.
In einer bisher einmaligen Aktion hatte sich die VG Wort bereits wenige Tage vor den Versammlungen mit einem „Brandbrief“ an die Journalisten gewandt, deren Zweitverwertungsrechte sie wahrnimmt. „Die Hiobsbotschaft gleich vorweg: Ihr jährlicher VG-Wort-Scheck wird in Zukunft äußerst mager ausfallen oder ganz ausbleiben“, heißt es dort eingangs. „Denn nicht zuletzt Ihr (Urheber)Recht auf angemessene Vergütung fürs (private) Kopieren soll ausgehebelt werden! Das trifft im Print-, im Audio- und im audiovisuellen Bereich die angestellten Urheber ebenso wie alle Freien. Es geht um Einkommenseinbußen der VG Wort im zweistelligen Millionen-Bereich, die bei der jährlichen Ausschüttung fehlen werden.“
Wer die VG Wort kennt, weiß, dass den dort Handelnden wahrlich kein Hang zur Dramatik unterstellt werden kann. Und wenn Professor Ferdinand Melichar, der auf äußerste Seriosität bedachte geschäftsführende Vorstand der VG Wort, die Urheber in einem Flyer auffordert, „Nutzen Sie diese letzte Möglichkeit, um sich gegen den Raubbau am Vergütungsrecht für Ihr geistiges Eigentum zu wehren!“, dann ist das garantiert keine rhetorische Phrase.
45 Prozent ihrer Gesamteinnahmen erzielt die VG Wort aus der Gerätevergütung, berichtete Melichar in Berlin. Das waren 2005 rund 41 Millionen Euro. Durch den 2. Korb sollen diese Vergütungen zu Gunsten der IT-Industrie auf fünf Prozent des Gerätepreises gedeckelt werden. Aufwändige empirische Untersuchungen – zu zahlen von der VG Wort – werden notwendig, um nachzuweisen, welche Geräte überhaupt in welchem Maße zur Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke genutzt werden (unter zehn Prozent, soll es keine Gerätevergütung mehr geben) und alle bisher im Gesetz festgeschriebenen Vergütungen entfallen. „Ich befürchte, dass wir deshalb drei, vier, fünf Jahre gar keine Einnahmen aus Gerätevergütungen bekommen werden“, sagte Melichar. Man schätzt, dass sich diese Einnahmen um 80 Prozent der jetzigen Summe verringern werden.
Gar nichts erhalten die fast 139.000 Ausschüttungsempfänger der VG Wort (plus 4 %, davon 132.000 Autoren) bisher für die heutzutage gebräuchlichsten Kopiergeräte. Nach wie vor verweigert die IT-Industrie Abgaben auf PCs, Drucker und Multifunktionsgeräte. Dennoch war das Aufkommen für Gerätevergütungen im Jahr 2005 bei der VG Wort deutlich höher, weil erstmals 9,2 Millionen Euro aus der DVD-Brenner-Vergütung flossen, allerdings für zweieinhalb Jahre.
Insbesondere darauf ist es zurückzuführen, dass die VG Wort ihre Einnahmen insgesamt um 15 Prozent auf die bisherige Rekordsumme von 91,3 Millionen Euro steigern konnte. Erwähnt werden muss allerdings, dass im Vorjahr 2004 die Erlöse erstmals gesunken waren.
Ein Großteil der DVD-Brenner-Vergütung und auch der für CD-Brenner kann allerdings noch nicht 2006 ausgeschüttet werden, da die privat kopierten Inhalte aus dem Internet stammen. Dies erfordert erstmals ein Meldeverfahren für Online-Veröffentlichungen, das die VG Wort in diesem Jahr testen will. Vorgesehen ist, dass jeder Text mit einer von der VG Wort zur Verfügung gestellten elektronischen Markierung versehen werden soll, die die Zugriffszahlen via Internet übermittelt.
Auf den Versammlungen wurde aus dem Kreis der freien Journalisten gefordert, dass es auch andere Meldemöglichkeiten geben müsste. Denn die Freien haben seit Jahren schlechte Erfahrungen mit ihren Verlegern gemacht, wenn es um ihre Online-Rechte geht. Bei einem Meldesystem, bei dem es in der Hand des Online-Anbieters liegt, ob er eine VG-Wort-Markierung an einem Artikel anbringt oder nicht, fürchten sie bei der für 2007 geplanten Ausschüttung für den Internet-Bereich von dann wohl 10 Millionen Euro weitgehend leer auszugehen.
Kaum Veränderungen gibt es bei den anderen Einnahmen. Bei Pressespiegeln gab es einen Rückgang von 4,6 auf 3,9 Millionen Euro, da immer mehr Unternehmen, Verbände und Institutionen auf elektronische Pressespiegel umsteigen. Immerhin gingen bereits 470.000 Euro an Zahlungen der Presse-Monitor GmbH bei der VG Wort ein, die davon ausgeht, dass 2006 die Millionengrenze durchbrochen wird.
Deutlich gestiegen ist das Gesamtaufkommen im Bereich Hörfunk/Fernsehen von 14 auf 21,7 Millionen Euro, was insbesondere die Urheber beim Fernsehen freuen dürfte, deren durchschnittliche Ausschüttung zuletzt rückläufig war.
Wer in diesen Tagen seinen Scheck von der VG Wort erhält, sollte allerdings daran denken: Der „VG-Wort-Scheck wird in Zukunft äußerst mager ausfallen oder ganz ausbleiben“ – wenn es den Urhebern nicht noch gelingt, den 2. Korb in der von der Bundesregierung geplanten Form zu verhindern.