Femme Medi@le – 20 Jahre Herbsttreffen der Frauen in den Medien/ARD & ZDF
„20 Jahre und (k)ein bißchen weiter?“ Barbara Schönfeldt, Journalistin, von Anfang an dabei und somit zur „Gründungsmutter“ avanciert, gefiel der Titel „mit dem verschämten ,k’“, den die SDR-Frauen für die Jubiläums-Veranstaltung im großen Sendesaal der Villa Berg ausgesucht hatten, keineswegs. „Das Ende der Bescheidenheit“ sei längst eingeläutet. „Wann hören Frauen endlich auf, ständig ihre Bescheidenheit mit sich herumzuschleppen, sich immer wieder klein zu machen?“
Der Verlauf der Tagung, die etwa 350 ARD-, ZDF-, ORF- und auch einige SRG-Frauen zusammenführte, machte dann auch deutlich, daß die Frauenarbeit in den öffentlich-rechtlichen Sendern sich nicht zu verstecken braucht, wenn auch die Erfolge, mißt frau sie an den Daten zum Geschlechterverhältnis auf den verschiedenen Hierarchie-Ebenen der Sender, in der Tat noch immer sehr bescheiden sind.
Immerhin, im Bayerischen Rundfunk gibt es nach über zehnjährigem Ringen seit dem 1. November nun endlich auch eine Dienstanweisung zur Frauengleichstellung und demnächst – 11/4 Jahre nach Inkrafttreten des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes, das sie vorschreibt -, soll die Position einer Frauenbeauftragten ausgeschrieben werden. Der BR, so stellte dessen Personalratsvorsitzende Eva Meier, maßgeblich am Zustandekommen dieser Vereinbarungen beteiligt, fest, ist damit noch „keine Welt, in der für Frauen alles in Ordnung ist“, aber eine, die ihnen „derzeit gute Chancen“ ermöglicht.
Wie die obligatorischen Berichte aus den Sendern deutlich machten, muß die Frauenbeauftragte allerorten „oft gegen den Strom“ schwimmen. Trendwenden sind nirgends zu verzeichnen, wohl aber „kleine Erfolge“. Beim ORB wirkt sich ein „frauengünstiges Klima“ auf Personalentwicklung und Programm aus: Der Frauenanteil im neuen Sender konnte seit Gründung bereits deutlich auf 56 Prozent gesteigert werden, im Programm – Hörfunk und Fernsehen – gibt es mehr Frauenmagazine als anderswo.
Auch die WDR-Frauen sehen „das Gesamtbild“ ihres Senders – eine Fernsehchefredakteurin, eine Justitiarin, Auslandstudioleiterinnen und demnächst auch eine Hörfunk-Direktorin – derzeit „an sich sehr positiv“. Auf die Gefahr, daß die alten hierarchischenStrukturenauch in den neuen Zukunftsarbeitsplätzen im Online- und Internet-Bereich dominieren könnten, wies, angesichts nicht vorhandener Bewerbungen von Frauen, die ZDF-Gleichstellungsbeauftragte Dagmar Skopalik hin.
„Änderungsgewinne“ in punkto Gleichstellung, so nochmals Barbara Schönfeldt, sind nicht die Wirkung institutionalisierten Papiers, sondern des Drucks, der „täglich neu erzeugt werden muß“.
Partnerschaft noch nicht selbstverständlich
Ob es nun ein Fortschritt oder Rückschritt sei, „daß wir uns einen Mann als Frauenbeauftragten leisten können?“ Auch dies ein Thema der Jubiläums-Diskussion, bei der Johannes Kiebranz, seit einem Jahr Gleichstellungsbeauftragter beim MDR, mit auf dem Podium saß – völlig zu unrecht, wie viele der Anwesenden fanden, nötigte seine Anwesenheit die Diskussion doch zu ungewollter Fixierung auf ihn als einzigem Mann. Er hätte lieber ,nein‘ sagen sollen zum Amt und auch zur Teilnahme am Podium, noch sei es Sache der Frauen, „ihre Rechte selber durchzusetzen“.
Der Ansicht Kiebranz’, wir seien heute „historisch gesehen an einem Punkt angelangt, wo es egal sein müßte, ob Frauen oder Männer Frauen vertreten“, widersprach auch Jubiläums-„Gästin“ Herta Däubler-Gmelin, früher selbst einmal Frauenbeauftragte: Das sei wohl „irgendwann später als Ziel richtig“, heute jedoch „kann überhaupt noch nicht von einer Selbstverständlichkeit der Partnerschaft gesprochen werden“. Im Gegenteil, „viel weniger als erwartet“ sei „eine selbstverständliche Partizipation von Frauen erreicht worden“.
Daß Frauen sich oft nicht einig seien in ihren Interessen und ohne Ziel, bedauerte die Gleichstellungsbeauftragte des SWF, Angelika Lipp-Krüll, und ihre Kollegin bei Radio Bremen, Silke Samel, kritisierte so manche Frauen, die sich auf „erkämpfte Frauenplätze“ setzen und „sich damit zufrieden geben“, ohne frauenpolitisch weiterzuarbeiten. Solidarität und klare Konzepte seien aber notwendig, so Lipp-Krüll, um „auch Männer zu überzeugen, daß sie davon profitieren, wenn mehr Frauen verantwortliche Positionen innehaben“.
Angesprochen wurde auch das Verhältnis zur Macht, sowohl die – falsche – weibliche Angst vor ihr als auch die männliche vor mächtigen Frauen. „Einer Frau“, so die Erfahrung Däubler-Gmelins, „wird übel genommen, wenn sie Macht will und auch noch sagt, daß es ihr Spaß macht“.
Doppelter Dialog
Eingeladen zur „femme mediale“ war auch Alice Schwarzer. Sie bot einen durchaus unterhaltsamen Abend trotz des ernsten Themas. Es ging um das „kontraproduktive Zusammenspiel von fachlicher Kompetenz und weiblicher Selbstinszenierung“ und die Frage, wie kann frau in einer „durchgängig männerdominierten Welt“ zu einer „würdigeren Existenz der Frau, auch in den Medien“ beitragen. Schwarzers Kritik galt insbesondere einigen prominenten TV-Frauen, vornehmlich privat-kommerzieller Sender, die sich in Zeitschriften für Fotos „Wie inszeniere ich mich, wenn ich erotisch bzw. verführerisch sein will“ hergaben. Mit der Präsentation als Sexobjekt versuchten sie, dafür „Verzeihung zu heischen, auch einen Kopf haben zu wollen“. „Wir können aber nicht“, so Schwarzer, „den doppelten Dialog führen -, den der emanzipierten Frau und den der unterworfenen Frau“. Sie appellierte an die Teilnehmerinnen, auf Unterwerfungsrituale, wie weiblich inszenierte Kleidung, leise Stimme und „für einen schlauen Satz zweimal dumm zu lächeln“, zu verzichten. In der anschließenden, auch kontrovers geführten Diskussion wurde gefordert, das Verständnis journalistischer Ethik dahingehend zu erweitern, auch gegen den um sich greifenden Voyeurismus in den audiovisuellen Medien, gegen das „distanzlose Dabeisein“ und die Aufhebung von Grenzziehungen anzugehen.
Arbeitsgruppen
Das Rüstzeug, sich fit zu machen für die anstehenden Auseinandersetzungen im Rundfunkbereich boten – wie jedes Jahr – zahlreiche Workshops. Themen fanden sich genug, sei es im persönlichen Arbeitsumfeld, wo outsourcing, Fusionen, Personalabbau, Konkurrenz und männliche Seilschaften die Bedingungen erschweren, oder im medienpolitischen Bereich, wo Bertelkirch zum Monopol ansetzt und ARD und ZDF die Luft zum Atmen, das heißt die Rahmenbedingungen für ein qualitätvolles, mehrheitsfähiges Programm, zu nehmen versucht. Sie wurden unterstützt von weiblicher Rundfunkprominenz wie Gerda Hollunder, Programmdirektorin DLR, Rieke Müller-Kaldenberg, SDR-Spiel und Unterhaltung, und Conny Hermann, „Mona Lisa“.
Nach der Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen wurde hier gefragt, Strategien für mehr Frauenbeteiligung und -gerechtigkeit bei der von Männern konzipierten SDR/SWF-Fusion zum neuen Südwestrundfunk wurden entwickelt, journalistisches Selbstverständnis hinterfragt, Modelle für effektive Frauen-Netzwerke diskutiert, Umgang mit Frauenkonkurrenz und produktives Konfliktmanagement vermittelt, zu Karrierefragen – Wege in die Selbständigkeit oder in die Chefetage – beraten, Teilzeitmodelle, die für beide Geschlechter attraktiv sein könnten, erörtert, Rhetorik und Selbstverteidigung geübt und – gleich mit drei Arbeitsgruppen – in die Internetpraxis und -theorie eingeführt. Auslandskorrespondentinnen und ausländische Journalistinnen tauschten ihre Erfahrungen aus.
Zukunftsplanung
Auch die Zukunft der Medienfrauentreffen selbst war Thema einer konstruktiven Diskussion: Mehr Infos aus den Frauengruppen der Sender, weniger Statistik, soll es künf-tig geben. Die sich abzeichnenden medienpolitischen Veränderungen, gekennzeichnet durch Konzentration und Monopolisierung, Digitalisierung, Pay-TV und immense Programmvermehrung, der damit verbundene Wandel der Medienberufsbilder – und vor allem die sonst kaum thematisierten Konsequenzen für Frauen als Programmschaffende und auch als Programmnutzende -, sollen stärker berücksichtigt werden. Die Frage, wie die Berührungsängste vieler – insbesondere jüngerer – Rundfunkmitarbeiterinnen gegenüber der Frauenpolitik in den Sendern abgebaut werden können, soll ebenfalls in die Konzeption der nächsten Herbsttreffen eingebracht werden.
Saure Gurke
Und last but not least – der Wanderpreis ,Saure Gurke‘ für frauenfeindliches Fernsehen! Nach zweitägiger Sichtung der von den Frauengruppen eingebrachten Sendungen, entschied sich die Jury für einen „Tatort-Alptraum“ vom NDR, erfunden von den beiden Bodos, Kirchhoff (Buch) und Fürneisen (Regie), und ,würdigte‘ so exemplarisch das von Männern erdachte Powerfrauenbild. Die Botschaft des Krimis: „Erfolgreiche Frauen werden nicht geliebt. Sinnliche Frauen fangen keine Verbrecher. Frauen, die beim Aufstieg die Weiblichkeit verlieren, müssen sterben“. Und Schuld war „letztendlich wieder mal die Mutter des Täters, die berufstätig war und Frauen liebte“.
Medien-Frauen, so die Botschaft ihres 20. Treffens, wollen mehr: endlich die ihnen zustehende Teilhabe an Programmverantwortung und Positionen in ,ihren‘ Sendern, Zukunftsperspektiven und Programme mit realistischen, vielseitigen und phantasievollen Frauen- und auch Männerbildern, Kollegialität und Solidarität – auch und gerade mit Frauen, die anderswo ausschließlich wegen ihres Geschlechts diskriminiert und mißhandelt werden. So wie in Afghanistan. Eine entsprechende Resolution an den Außenminister, die EU-Kommissarin und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte wurde einstimmig verabschiedet.
Nächstes Jahr in Saarbrücken
Und wie wird es weitergehen? Optimistisch gaben sich die Frauen vom Saarländischen Rundfunk, wo im nächsten Herbst der Start in das dritte Jahrzehnt der Medienfrauentreffen stattfinden wird. Sie luden ein „zu einem Sender, der eine Zukunft hat, auch und insbesondere für Frauen“. Daß zwei Tage nach dem Stuttgarter Treffen der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Frauenquote europaweit für rechtens erklärt hat, könnte ein gutes Omen sein!