Neuer Manteltarifvertrag ab 1. Januar 1998

Für die Beschäftigten im privaten Rundfunk Baden-Württembergs

Nach rund einem Jahr zäher Verhandlungen haben am 14. Januar 1998 die Gewerkschaften und der Verband Südwestdeutscher Rundfunkanbieter (VSRA) einen neuen Mantel- und Gehaltstarifvertrag abgeschlossen. Besitzstand wurde grundsätzlich gewahrt, Arbeitszeit und Mehrarbeit praxisnah geregelt, Abstriche im bescheidenen Maße konnten nicht verhindert werden. Aber: Die Gehälter werden rückwirkend zum 1. Januar 1998 für alle Beschäftigten um linear 1,65 % erhöht. Laufzeit 12 Monate.

Angetreten waren die Unternehmervertreter mit der Forderung nach massiven Verschlechterungen des bestehenden Manteltarifvertrages: Weniger Urlaub, geringere Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Senkung des Urlaubsgeldes und zehn Prozent Kappung der Berufsjahrstaffel im Gehaltstarifvertrag, Verschlechterung des Kündigungsschutzes, Arbeitszeiten zwischen 30 und 40 Stunden in der Woche unter Beseitigung der Mehrarbeitszuschläge.

Dieser Kahlschlag wurde verhindert. Und: Die Arbeitszeit wurde den Erfordernissen einer individuellen Arbeitszeitgestaltung näher gebracht:

Die Arbeitszeit, ihre Erfassung, Gestaltung und die Handhabung von Mehrarbeit wurde auf neue Füße gestellt:

1. Es gilt die 38-Stunden- und die 5-Tage-Woche.

2. Ab der 39. Arbeitsstunde gibt es sofort einen Zuschlag, der sowohl in Zeit oder in Geld gesammelt und abgenommen werden kann.

3. Jede/r Beschäftigte erhält ein Zeitkonto, wenn er/sie Mehrarbeit leistet. Der Unternehmer ist zur Dokumentation der Mehrarbeit verpflichtet.

4. Mehrarbeitszeitkonten müssen im Laufe des Kalenderjahres bzw. bis spätestens zum 31. März des Folgejahres ausgeglichen sein. Zeitguthaben müssen bis zu diesem Datum vom Beschäftigten schriftlich zur Abnahme geltend gemacht werden. Lehnt der Arbeitgeber dies schriftlich begründet ab, wird das Mehrarbeitszeit-Konto finanziell abgegolten.
Für Arbeit an Sonn- und Feiertagen bzw. in der Nacht, werden Zuschläge in Höhe von 25 Prozent gutgeschrieben. Werden mehrere Zuschläge fällig, wird nur der Höchste gezahlt. Auch die Zuschläge können im Ausnahmefall finanziell abgegolten und auch pauschaliert werden.

5. Über den Zeitraum eines Jahres sind unter Wahrung des materiellen Gehaltes des Tarifwerks auf der Grundlage von Betriebsvereinbarungen auch Langzeitarbeitskonten möglich. Allerdings: Kein Unternehmer kann eine solche Betriebsvereinbarung erzwingen. Auch der Gang in die Einigungsstelle ist dem Unternehmer verwehrt. Und es muß zwingend ein Betriebsrat vorhanden sein, um eine solche abzuschließen.
Wenn die Beschäftigten und der Betriebsrat eine solche Vereinbarung nicht wollen, gibt es sie nicht.

Die Gewerkschaften haben dieser Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Einrichtung von Arbeitszeitkonten unter dem Gesichtspunkt zugestimmt, daß sowohl die Beschäftigten als auch das Unternehmen mehr als bisher ihre Arbeitszeitwünsche realisieren können. Wildwuchs wird verhindert. Die Gewerkschaften werden die Beschäftigten und die Betriebsräte bei der Einrichtung von Betriebsvereinbarungen und Arbeitszeitkonten intensiv beraten.

Das Urlaubsgeld wurde leider um 5 Prozent-Punkte gekürzt. Allerdings liegt es immer noch 5 % über dem Niveau von 1996. Ein zehnprozentiger Abschlag konnte verhindert werden, und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle beträgt weiterhin 100 Prozent.

Der Manteltarifvertrag hat eine Laufzeit bis zum 30. September 2002.

Die Erklärungsfrist gilt bis zum 10. Februar 1998.

Wir finden, ein akzeptables Gesamtergebnis, das massive Verschlechterungen wie in anderen Branchen verhindert und bei der Arbeitszeitgestaltung konstruktives Neuland betritt. Der Gehaltsabschluß liegt über dem Abschluß Lokalfunk NRW und etwas unter dem Abschluß TPR. Meinungsäußerungen sind gerne gesehen.

Die Gehaltstabellen und der Manteltarifvertrag mit neuem Wortlaut können angefordert werden bei:
IG Medien Baden-Württemberg
Theodor-Heuss-Straße 16
70174 Stuttgart
Telefon 0711/292441
Fax 0711/2261956

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »

Altersversorgung für Filmschaffende

Zusammen mit der Schauspielgewerkschaft BFFS und dem Tarifpartner Produktionsallianz hat ver.di einen Tarifvertrag für eine branchenweite betriebliche Altersversorgung für Filmschaffende in Film- und Serienproduktionen abgeschlossen. Für die etwa 25.000 auf Projektdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden vor und hinter der Kamera wird die neue tarifliche Altersvorsorge ab Juli 2025 starten.
mehr »