Auswirkungen der Branchenkonvergenz auf die Tätigkeitsprofile der „Inhaltsproduzenten“
In einem von AOL geförderten Forschungsprojekt ging Kerstin Engels der Frage nach, welche Auswirkungen die Branchenkonvergenz im Online- und Multimedia-Bereich auf die Tätigkeitsprofile und Qualifikationen der redaktionellen „Inhaltsproduzenten“ hat. Die Mitarbeiterin des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung in Hamburg untersuchte hierfür 2001 anhand von elf elektronischen Stellenbörsen 290 Job-Anzeigen und führte 15 vertiefende Experten-Interviews.
»M«: Wird in den Online-Medien der klassische Journalismus als Berufsprofil eine entscheidende Rolle spielen?
Kerstin Engels: Rein quantitativ gesehen, ist Journalismus im engeren Sinne jetzt schon in der Minderheit. Qualitativ ist es insofern anders, als dass das einzige bisher schon etablierte Berufsbild journalistisch ist und über eine Vielzahl an handwerklichen Regeln verfügt. Insofern spielt Journalismus als die Folie für die neuen Berufe eine wichtige Rolle.
»M«: Welche Bedeutung hat die technische Erweiterung hin zum Content-Management für den Online-Journalismus?
Kerstin Engels: Was sich anhand der Analyse der Stellenanzeigen recht gut abgezeichnet hat, sind zwei unterschiedliche Ausprägungen. Während Online-Redakteure am nächsten am journalistischen Verständnis angesiedelt sind, ist im Bereich der Content-Manager die Nähe zum Journalismus nicht so groß. Inhalt wird hier zur Ware und zum Gegenstand des Managements und der Verwaltung.
»M«: Einerseits wird das berufliche Anforderungsprofil durch neue Marktstrategien immer höher – Stichworte sind „Cross-Media“, „Content-Syndication“ und „Integration von Content und Werbemöglichkeiten“, andererseits die inhaltlich-redaktionelle Produktion ausgelagert. Verwässert dies den journalistischen Auftrag nicht schon im Vorfeld?
Kerstin Engels: Es geht um das Erschließen zusätzlicher Erlösquellen. Cross-Media erzielt dies durch Synergien. Eine andere Möglichkeit ist, externe Kundeninteressen eng in den redaktionellen Zusammenhang einzubinden. Der Trennungsgrundsatz von Werbung und Redaktion wird dadurch ausgehöhlt. Durch Content-Syndication geht das publizistische Ziel eines gesamten Medienproduktes verloren. In dem Moment, wo für unterschiedliche Produktionszusammenhänge gearbeitet wird, bekommt das einen austauschbaren Charakter. Aber die Tätigkeit für verschiedene Medien ist im Journalismus nicht neu. Von daher ist Content-Syndication nur eine Weiterentwicklung, angetrieben durch die Ökonomisierung der Inhalte. Ich vermute, dass ein neues Berufsverständnis entsteht. Redakteure sind dann eher Manager.
»M«: Bei all den Problemen der Eingrenzung des Berufsfeldes hat sich der Begriff Online-Journalismus am ehesten etabliert. Welche Rolle spielt dabei die Standardisierung von Ausbildungsangeboten?
Kerstin Engels: Die Standardisierung von Ausbildung ist eine typische Form, um berufliche Muster festzuschreiben. Es geht um die Verallgemeinerung von Arbeitsaufgaben zu Tätigkeits- und Qualifikationsmustern, die als sinnvoll und gültig anerkannt werden. Das gilt auch für den Online-Journalismus, wenn durch Ausbildungsgänge bestimmte Formen des journalistischen Handwerks übertragen werden.
»M«: Hilft zur besseren Orientierung auch ein Austausch unter Angehörigen des Berufsfeldes?
Kerstin Engels: Die Kommunikation bestimmter Erfahrungswerte trägt dazu bei, dass sich ein berufliches Selbstverständnis etabliert. Hierzu gehören journalistische Netzwerke und Stammtische oder Mailinglisten. Es können dabei Probleme der Tätigkeitsbereiche ebenso besprochen werden wie Verdienstmöglichkeiten.
»M«: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Gewerkschaft?
Kerstin Engels: Es gehört zu ihren Aufgaben, diese Austauschmöglichkeiten zu fördern. Ein weiterer Aspekt ist die Tarifpolitik. Tarifliche Regelungen sind eine fortgeschrittene Form, berufliche Muster zu fixieren, weil verschiedene Interessengruppen darüber einen Konsens erreichen müssen, was Teil der Tätigkeit ist und was nicht und welche Vergütung angemessen ist. Auch die Ausbildung wird von Tarifvereinbarungen mit erfasst. dju und DJV wirken als Interessenvertreter der Journalistinnen und Journalisten darauf hin, das Berufsbild des etablierten Journalismus im Rahmen der Norm aufrechtzuerhalten. Das kann dann auf das neue Umfeld übertragen werden.
Das Gespräch führte Martin Sonnleitner