Vermutlich könnten die meisten Drehbuchautoren, die regelmäßig fürs Fernsehen arbeiten, mit ihren oft unliebsamen Erfahrungen ganze Bücher füllen. Nicole Joens hat genau das getan. Normalerweise empfiehlt es sich nicht, die Hand zu beißen, die einen füttert, weshalb Autoren in der Regel nicht zitiert werden möchten, wenn es um öffentlich-rechtliche Missstände geht. Aber Joens sieht sich ohnehin auf einer Schwarzen Liste, sie hat also nichts zu verlieren außer einen Prozess, aber auf dessen Ausgang wird das Buch vermutlich nur wenig Einfluss haben.
Zwanzig Jahre lang hat Joens unter ihrem Mädchennamen Nicole Houwer Drehbücher verfasst, neben einigen Fernsehfilmen vor allem für Serien wie „Marienhof“ (ARD) oder „Die Rettungsflieger“ (ZDF). Richtig glücklich war sie damit nicht, wie mancher Rückblick in ihrem Buch erkennen lässt, doch zum Eklat kam es, als sie für das ZDF ein mehrteiliges anspruchsvolles Heimatdrama schrieb, das der Sender in eine x-beliebige Krimigeschichte umwandeln wollte. „Herzblutlinde“ sollte der Film heißen, und in der Tat steckte offenbar eine Menge Herzblut in der Geschichte, zumal Houwer/Joens auch viele biografische Erlebnisse aus ihrer eigenen Familie einfließen ließ. Während Autoren in ähnlichen Fällen meist klein beigeben und zum Zeichen des Protestes allenfalls ihren Namen zurückziehen, war sie nicht Willens, dieses Projekt aus der Hand zu geben – und sah sich unversehens einer Klage ausgesetzt. Schließlich drehte sie den Spieß rum; den Hergang des nach wie vor andauernden Rechtsstreits dokumentiert das Buch ausführlich.
Warum sie sich gewehrt hat, beschreibt Joens gegen Ende, als sie verdeutlicht, wie innig die Beziehungen eines Autors zu seinen Geschichten sind; erst recht, wenn sich die Entwicklung wie bei „Herzblutlinde“ über zehn Jahre erstreckt hat. Das ist interessant und ausgesprochen nachvollziehbar geschrieben- Aus Branchensicht spannender sind naturgemäß die Einblicke hinter die sorgfältig gepflegten öffentlich-rechtlichen Fassaden, und da tun sich Abgründe auf, vor denen man schaudernd zurückweicht. Unter anderem schildert Joens konkrete Korruptionsvorgänge und sexuelle Gefälligkeiten, wenn auch ohne Namensnennungen; schade eigentlich, zumal diese Abschnitte weitaus spannender sind als die satirischen Exkurse über eine Tanztherapie von ARD und ZDF.
Vielen Schilderungen ist anzumerken, dass sich hier ein zutiefst enttäuschter Mensch seine Verletztheit von der Seele schreiben wollte, zumal Joens das gesamte öffentlich-rechtliche System in Sippenhaft nimmt. Über weite Strecken liest sich „Tanz der Zitronen“ daher wie ein Komplementärbuch zu Hans-Peter Siebenhaars Skandalchronik „Die Nimmersatten“. Der Handelsblatt-Redakteur hat aus der Außenperspektive geschrieben, Joens bietet nun die Innenansicht. Viele Passagen sind eine wütende Abrechnung, vor allem, wenn es um die Talent- und Instinktlosigkeit der Redakteure geht („Nichtskönner mit Minderwertigkeitsgefühlen“). Wer sich ARD und ZDF verbunden fühlt, wird sich vermutlich daran stoßen, dass Joens sämtliche Sender und Redaktionen über einen Kamm schert. Zu denken gibt das Buch trotzdem, und das nicht zu knapp.