Gegen Medienkonzentration, für Pressefreiheit, Transparenz und Angebotsvielfalt
„Krise und Umbruch in der Medienwirtschaft – Gewerkschaften ohne Antworten?“ – nicht ganz, kann nach der Magdeburger Konferenz mit Fug und Recht auf diese in einem Forum zugespitzte Frage geantwortet werden.
Mit einem medienpolitischen Leitantrag hatten die Delegierten bereits sowohl einer klaren Analyse der Medienkrise, als auch ersten Alternativvorschlägen zugestimmt, die der Medienbereich in ver.di entwickeln und durchfechten will. Als Ursachen für die derzeitige Medienkrise in Deutschland benannte dann auch ver.di-Vize Frank Werneke: „Ein verfehltes Management, etwa durch fehlende Rücklagenbildung in der Boomphase des letzten Jahrzehnts und das Setzen auf überdimensionale Produktionskapazitäten.“ Er verwies auf die dramatische Vernichtung von Arbeitsplätzen und die großen Honorareinbußen Freier besonders im Zeitungsbereich. In einer zunehmenden Medienkonzentration suchten Verleger nunmehr einen Ausweg, so Werneke. Medienwissenschaftler Horst Röper ergänzte im Forum diese „zutreffende Einschätzung“: Noch nie habe es in der BRD eine so tiefgreifende und anhaltende Krise in der Werbung gegeben wie bisher. Diese treffe alle werbeabhängigen Bereiche, darunter die Medienbranche extrem. Zudem hätten sich Zeitungsvorstände teils maßlos bei den Gewinnen in den Boomjahren bedient. In Druckkapazitäten sei enorm und kurzsichtig investiert worden. Vielleicht wäre eine Antwort von ver.di, Seminare für Verlagsmanager anzubieten, schlug Horst Röper augenzwinkernd vor.
Portfoliobereinigung
Martin Dieckmann, Fachgruppenleiter Verlage und Agenturen, drittelte die Ursache für den traurigen Zustand der Medienbranche in eine konjunkturelle, eine strukturelle sowie eine, bedingt durch das Werbeinvestitionsverhalten der Unternehmen. Die Konzerne ziehen sich nunmehr auf ihre Kerngeschäfte zurück. Branchenübergreifend findet eine Portfoliobereinigung statt. So habe beispielsweise Holtzbrinck seine Schulbuchverlage an Westermann abgegeben. Ein Drittel der Beschäftigten wurden entlassen (siehe Seite 23). Interessant sei, so Dieckmann, dass reine Zeitungsunternehmen – früher oft im Familienbesitz und mit verlegerischem Anspruch – eher im Aussterben begriffen seien. Heute gebe es dagegen „große ökonomische Einheiten, die sich Einzelobjekte wie Tageszeitungen halten“.
Interessant war an dieser Stelle neben der Schilderung von Betriebsrat Viktor Kalla über die Situation der „Frankfurter Rundschau“ nach der Landesfinanzbürgschaft die Darstellung von Rainer Butenschön über die Firmenpolitik des Hannoveraner Verlegers Madsack. Dieser, den Raum um Hannover beherrschende Unternehmer, schreibe schwarze Zahlen und habe offenbar weniger Fehler gemacht: Keine neue teure Rotationstechnik gekauft, nicht unmäßig ins Internet investiert, eine schlanke Belegschaft über Jahre gehabt, Personalabbau lediglich über den Altersaustritt geregelt und anderes mehr. Geht doch, möchte man an dieser Stelle sagen. Eine genaue Analyse sollte und wird weitere Erkenntnisse bringen.
Denn ver.di stellt sich der brisanten wirtschaftlichen Entwicklung mit konkreten Forderungen und medienpolitischern Alternativen entgegen. Die Medienpolitik der Gewerkschaft solle eine „Balance zwischen Interessenvertretung der Medienschaffenden und der Rezipienten sein“, heißt es im medienpolitischen Leitantrag. Trotz hartnäckiger Weigerung der Verleger wird die Gewerkschaft weiter um einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für Redakteurinnen und Redakteure ringen. In einigen Betrieben wie dem „Weserkurier“ und der „Frankfurter Rundschau“ sind solche Verträge bereits ausgehandelt worden. ver.di tritt entschieden gegen eine Lockerung der geltenden Regelungen zur Pressekonzentration oder deren Abschaffung auf. Gesetzliche Instrumente zur Konzentrationskontrolle könnten dabei mit direkter Presseförderung verknüpft werden, wie es in anderen europäischen Ländern üblich sei, hatte Werneke ausgeführt. Indirekte Presseförderung finde in Deutschland bereits statt, in Form der reduzierten Umsatzsteuer und der verminderten Gebühr bei der Postzustellung von Presseartikeln. Denkbar sei, diese Einsparungen beispielsweise in einen Pressefond einzuzahlen, der in schwierigen Zeiten gezielt zur Unterstützung regionaler Kleinverlage herangezogen wird, so der Fachbereichsleiter. Ende Juni – wenn diese „M“ bereits in Leserhand ist – wird ein ver.di-Expertenhearing stattgefunden haben, um erfolgreiche Modelle der Presseförderung aus anderen europäischen Ländern zu beleuchten. Ergebnis sollte letztlich ein konkreter Vorschlag für ein deutsches Modell sein, das öffentlich zur Diskussion gestellt werden soll.
Notwendiges Rahmengesetz
Weitere Forderungen und Vorschläge aus dem medienpolitischen Antrag: Die Pressestatistik soll wieder als Frühwarnsystem vor Konzentrationsprozessen eingeführt werden. Die Pflicht zur Offenlegung der Kapitalverhältnisse, Kapitalverflechtungen in der Medienbranche muss wieder für alle gelten. Dringend notwendig ist ein Presserechtsrahmengesetz auf Bundesebene.
Schwerpunkte des Antrags und damit der künftigen Arbeit des Fachbereiches ist weiterhin das klare Bekenntnis zum dualen Rundfunksystem, dessen Grundlage ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist als Granant für die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informations-, Unterhaltungs- und Bildungsangeboten. Den Film gilt es, als Kultur- und Wirtschaftsgut zu fördern und auszubauen. Medienkompetenz soll neben anderen Aspekten verpflichtend in Hochschulen und Schulen als Lehrinhalt Einzug halten. Für Medien- und Meinungsfreiheit sowie die Qualitätssicherung im Journalismus gehört endlich der Tendenzschutz im Betriebsverfassungsrecht abgeschafft, notwendig ist ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten und ein Informationsfreiheitsgesetz für alle Bürger.