Anhörung zum Zeugnisverweigerungsrecht
„Schon wenige öffentlich bekannte Durchsuchungen führen zu Beschränkungen der Pressefreiheit.“ – Die knappste Zusammenfassung zum Thema Staatsgewalt contra Medien lieferte Professor Cornelius Nestler vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages. Er tagte am 27. Mai in Bonn, um Experten zu den Zeugnisverweigerungs-Gesetzentwürfen von Bundesrat und B90/Die Grünen zu hören (siehe M 12/95, 11/96 u.a.).
Nestlers Einschätzung und seine konsequenz, das Zeugnisverweigerungsrecht dringend zu präzisieren, teilten die Journalistengewerkschaften, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, Presserat und Zeitungsverlegerband. Für die IG Medien stellte Wolfgang Schimmel zudem klar, daß der Versuch der Einschüchterung mittels Durchsuchungen auch angesichts der Ergebnisse auf der Hand liege: „Der Ertrag aller bislang bekannt gewordenen Redaktionsdurchsuchungen ist gleich Null“. Auch formaljuristisch, so Professor Dieter Dörr, liege „die Pflicht des Gesetzgebers, politisch zu agieren“ auf der Hand, schließlich stehe – was in der Praxis offenbar ignoriert werde – die grundgesetzliche Pressefreiheit „unter Gesetzes-, nicht unter Richtervorbehalt“.
Lediglich einige geladene Experten der Justiz erhoben dagegen Widerspruch. Insbesondere Richterin Karin Schröder, die von einer „einseitigen Privilegierung“ der Medien sprach, fiel dabei durch eine gesunde Praxisferne auf: Die Pressefreiheit, so ihre Meinung wie die der Staatsanwaltsvertreter, sei durch die Pflicht zur Abwägung dieses Grundrechts gegen das der Strafrechtspflege ausreichend gesichert. Der logischen Konsequenz des DJV-Vertreters Benno Pöppelmann „wenn die Presse eh geschützt ist, kann man es auch so regeln“, wollten sie (natürlich) nicht folgen.
Kein Wunder, können die Strafverfolgungsbehörden doch gut damit leben, daß – wie die Zahl und immer abenteuerlichere Begründungen der Durchsuchungen zeigen – die Abwägung in der Praxis kaum erfolgt. Einzelrichter, so Nestler, „lassen faktisch immer Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu“. Dagegen helfe auch kaum der Bundesratsentwurf, der einen umfassenden Ausnahmekatalog bei Verdacht auf Straftaten durch Journalisten vorsieht. Ein einfacher Tatverdacht, so seine Begründung, könne immer „leicht konstruiert und leicht begründet“ werden.
Ob nun, wie er forderte, so schnell wie möglich die „Eingriffsschwelle ganz hoch angesetzt wird“, um die Pressefreiheit nicht länger unzulässig einzuschränken, ist fraglich: Zwar sahen die Ausschuß- wie die Expertenmehrheit offensichtlich dringenden Handlungsbedarf, jedoch ist, so Ausschußvorsitzender Horst Eylmann (CDU), „die Umsetzung in dieser Periode schwierig bis unwahrscheinlich“. – Durch die fortgesetzte parlamentarische Verschleppung des Themas wird der Zustand wohl frühestens in der nächsten Legislaturperiode verändert werden können. Ob dies angesichts steigender Hysterie um „Organisierte Kriminalität“ dann noch gewünscht wird, bleibt abzuwarten: Weder Innenminister Kanther noch Schattenminister Schily stehen für diese Hoffnung.