Stellenstreichungen

Umstrukturierung in Kiel: Verhandlungen kommen voran

Rüdiger Knaack – bei den Kieler Nachrichten Betriebsratsmitglied – hätte es nun gern leise: „Was halten Sie davon, wenn Sie mal gar nichts berichten?“ Das vergangene Jahr brachte auch wirklich genug Paukenschläge an der Förde. Denn die seit 2009 zur Mediengruppe Madsack gehörenden Kieler Nachrichten (KN) wollen mit aller Macht Kosten reduzieren.

Als erstes bekamen das die 389 Produktionshilfen des ausgegliederten Druckzentrums Moorsee zu spüren. Die Tabel-Gruppe setzte sie zum 30. Juni an die Luft, als dort neue Leiharbeitsfirmen unter Vertrag kamen. Zugleich kündigte die Geschäftsführung der Kieler Nachrichten an, auf mehr als zehn Prozent der 400-köpfigen Stammbelegschaft künftig verzichten zu wollen. Durch Teilbetriebsschließung und Fremdvergaben würden vor allem Stellen in den Bereichen Telefonische Kundenbetreuung bei Anzeigen und Vertrieb sowie im Satz wegfallen. Auch die Pförtner sollten vor die Tür.
Damit war eine innerbetriebliche Auseinandersetzung unvermeidlich. ver.di, mit etwa 130 Mitgliedern im Zeitungshaus vertreten, sowie der DJV verlangten die Rücknahme der Entlassungspläne. Auch der Betriebsrat schloss sich dem an. Für den Fall, dass an den Kündigungen festgehalten werde, wurde ein Sozialtarifvertrag eingefordert. Eine Voraussetzung, um streikfähig „von Macht zu Macht“ zu verhandeln. Martin Dieckmann, ver.di-Verhandlungsführer und Fachbereichsleiter in Norddeutschland, wollte als Ultima Ratio auch einen Arbeitskampf nicht ausschließen. „Die Gespräche bei KN liefen jedoch von vornherein pragmatisch und konstruktiv“, lobt er nun die Suche nach alternativen Lösungen mit der Geschäftsführung. Diese habe sich von der ersten Runde an kompromissbereit gezeigt. Das Verhandlungsmandat als Gewerkschaft und die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat hätten sich bewährt.
Auch Jürgen Heinemann, Chefredakteur und Prokurist der Kieler Nachrichten, hebt das konstruktive Klima und die bisherigen Ergebnisse des Feilschens mit den Beschäftigtenvertretern hervor. Die Umstrukturierungen sind in seinen Augen jedoch zwingend. Vor allem im Anzeigenbereich brechen Umsätze weg, ist die Entwicklung „katastrophal“, klagt er. Die großen Ketten diktieren Rabatte. „Wir sind abhängig, ganz klar.“ Aus unternehmerischer Verantwortung dürfe man „nicht erst dann handeln, wenn man in den roten Zahlen steht“. Noch bis zum 30. April können sich freiwillig ausscheidende Mitarbeiter bei ihm als „goldenen Handschlag“ eine ordentliche Abfindung abholen. Neben dieser „Sprinterprämie“ steht bis dahin auch das Angebot auf eine attraktive tarifvertragliche Altersteilzeitlösung. Die Resonanz darauf sei „erstaunlich gut“, so Heinemann. Sind die Entlassungen damit vom Tisch? Festlegen möchte sich der KN-Chef nicht.
Von einer endgültigen Lösung möchte auch Martin Dieckmann nicht sprechen. Entscheidend bleibt die Rückendeckung durch die Beschäftigten und die aktiven Gewerkschafter. „Verhandlungs- kommt von Handlungsfähigkeit gegen solche Drohszenarien. Das erste und das letzte Wort haben die Mitglieder“, betont der ver.di-Funktionär.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

Erneute Streiks bei NDR, WDR, BR, SWR 

Voraussichtlich bis Freitag werden Streiks in mehreren ARD-Sendern zu Programmänderungen, Ausfällen und einem deutlich veränderten Erscheinungsbild von Radio- und TV-Sendungen auch im Ersten Programm führen. Der Grund für den erneuten Streik bei den großen ARD-Rundfunkanstalten ist ein bereits im siebten Monat nach Ende des vorhergehenden Tarifabschlusses immer noch andauernder Tarifkonflikt.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »