Eindrücke vom Warnstreik beim WDR
„Streiken – dürfen wir das überhaupt?“ – das war häufig die erste Frage, wenn es um die Vorbereitung von Kampfmaßnahmen gegen die starre Haltung von WDR und Gebäudemanagement-Tochter ging. Tatsächlich glaubten viele Beschäftigte, beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei das Streiken verboten. Und viele Führungskräfte taten das ihre, diesen Eindruck zu bestärken.
„Es gibt kein Streikverbot beim Rundfunk – sowenig wie bei der Müllabfuhr oder der Straßenbahn. Wer von seiner Gewerkschaft in einer Tarifauseinandersetzung zum Streik aufgerufen wird, der kann und soll diesem Aufruf folgen. Das Risiko liegt bei der Gewerkschaft, nicht beim einzelnen Arbeitnehmer.“ Peter Völker, hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär stellte das vor über hundert Besuchern einer Veranstaltung der IG Medien fest.
Schon nach dem ersten Flugblatt der Gewerkschaften, in denen von „Streik“ die Rede war, reagierte der WDR hektisch. Die Programmdirektorin Hörfunk rief ihre Programmbereichsleiter zusammen, die Hörfunktechnik bereitete sich offensichtlich sogar auf mögliche Sabotage vor.
Doch die Kolleginnen und Kollegen der drei betroffenen Abteilungen ließen sich nicht beirren. Ihnen ging es um die Demonstration der Geschlossenheit und der Solidarität für die Rechte der übergeleiteten MitarbeiterInnen und für die enge Anbindung der GmbH an den WDR. Deshalb war es gar nicht das Ziel dieser ersten Aktion, etwa unmittelbare Wirkung auf das Programm auszuüben.
Die Streikleitung bestimmte das Gebäude „Auf dem Berlich“ sowie die WDR-Druckerei als das erste Ziel einer Streikaktion. Dort arbeiten nicht nur MitarbeiterInnen der drei betroffenen Abteilungen, sondern auch die Betriebsausrüstung und andere Teile der technischen Direktion, die in der Zukunft von Auslagerungen betroffen sein könnten. Heiße Diskussionen über die Streikziele, über Für und Wider von Kampfmaßnahmen bereiteten die Streikaktion vor. Der genaue Ort und die Zeit wurden nicht bekannt gemacht.
Und so setzten sich am Dienstagmorgen um halb sieben Uhr zehn MitarbeiterInnen, Redakteur, Hausarbeiter, Drucker, Ingenieur und „gehobene Sachbearbeiterin“ mit den bekannten Streik-Plastiktüten, Megaphonen und einem Tapeziertisch in Bewegung, um bei leichtem Nieselregen den Streik zu organisieren.
Ungewohntes Streik-Outfit
Schnell waren Transparente angebracht, der Klapptisch aufgebaut und eine erste Tasse Kaffee eingeschenkt. Einer nach dem anderen kommen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus, die sich bereiterklärt haben, von Anfang an als Streikposten dabei zu sein.
Und nach einiger Zeit treffen auch die ersten MitarbeiterInnen zum Arbeitsbeginn ein. Lachen, Überraschung, als sie ihre KollegInnen mit dem ungewohnten Streik-Outfit vor dem Rundfunkgebäude stehen sehen. Aber die allermeisten sind nur vom Zeitpunkt überrascht – sie fahren den Wagen in die Tiefgarage und beteiligen sich an dem Ausstand.
Die Kollegin, die mit den Ankommenden spricht, sie einweist und den einen oder anderen noch überzeugt, lacht dem freien Filmteam in die Kamera: „Ja, daß ich als gehobene Sachbearbeiterin noch mal streiken werde, das hätte ich auch nicht gedacht. Beim WDR, da hat man sich doch lange wie eine Beamtin gefühlt – aber langsam merkt man – das ist hier auch nicht anders als in der sogenannten freien Wirtschaft.“
Wenig später wird klar: Die „Streikfront“ steht. Nur ganz wenige KollegInnen, meist Führungskräfte sind in dem Gebäude tätig. Etwa 150 stehen vor dem Gebäude oder wärmen sich in einem nahen Cafe ein bißchen auf. Ein Teil zieht mit vorbereiteten Flugblättern durch die Hauptgebäude des WDR. Darin wird über den Streik informiert und zu einer Abschlußkundgebung um halb zwölf vor dem bestreikten Gebäude aufgerufen.
„Das ist das Tollste – sie haben nichts gemerkt, alle haben dicht gehalten,“ schwärmt die Kollegin, und ein Ingenieur, sonst für die Planung von Starkstromanlagen zuständig, hat fast Tränen in den Augen: „Alle haben mitgemacht – soviel Solidarität, das hätte ich nicht gedacht!“
Unerwartete Geschlossenheit
Zur Abschlußkundgebung kommen weitere KollegInnen, mehr als dreihundert hören Solidaritätsadressen von anderen Rundfunkanstalten und die Aufforderung von Jochen Kaufmann, der für den Vorstand des Betriebsverbandes der IG Medien den WDR zu Einlenken auffordert. Um Punkt zwölf ist der erste Streik beim WDR beendet.
„Das war nur das erste Mal,“ meint einer der Techniker, als er sich die Streiktüte abstreift. „Jetzt ist mindestens mal bewiesen – Streik beim Rundfunk ist möglich. Mal sehen, ob sich jetzt etwas bewegt – sonst machen wir weiter.“