Wie Journalist/innen über Lesben und Schwule (nicht) schreiben
Lesbische Frauen sind in der Presse überwiegend nicht sichtbar, der schwule Mann steht quasi als „Prototyp“ der Homosexualität. Es gibt kein mediales Bewusstsein für die Vielfalt lesbischen Lebens. Zu diesem Fazit kommt eine kurz vor dem Christopher Street Day (CSD) in Berlin, wenig später beim Netzwerk Recherche in Hamburg vorgestellte und im Auftrag der Münchener Lesbenberatungsstelle LeTRa erarbeitete Studie der Journalistin und Kommunikationswissenschaftlerin Elke Amberg.
Unter dem Titel „Schön! Stark! Frei! Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden“ analysierte Amberg 81 aus dem zweiten Halbjahr 2009 stammende Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung, des Münchner Merkur, der Tageszeitung (tz) und der Abendzeitung (AZ) zur Berichterstattung um den alljährlichen CSD und zur lesbisch-schwulen Gleichstellungspolitik.
Lesen Lesben und Schwule über sich in der Zeitung oder verfolgen Fernsehbeiträge, staunen sie über Textunfälle und ungelenke Formulierungen wie „Homosexuellen Milieu“, „bekennende Schwule“ oder „Homosexuelle und Lesben“. Dass es in vielen Redaktionen beileibe nicht unverkrampft zugeht, zeigen auch die von Amberg untersuchten Publikationen. Das Wort Lesbe tauchte in keiner einzigen Überschrift auf, schwul dagegen in 13, sogar bei Themen, die beide Geschlechter betrafen. Schwule standen in 28 Artikeln im Mittelpunkt, Lesben dagegen in nur sechs, vorrangig als Prominente oder Mütter beschrieben. Ein einziger Beitrag nahm Bezug auf Lesben als diskriminierte Gruppe. 19 Lesben im wörtlichen Zitat – davon fünf Mütter, viermal die Sprecherin des CSD und dreimal die Prominente Ramona Leiß – standen 45 zitierten Schwulen gegenüber. Rund ein Drittel der untersuchten Artikel blendete lesbische Frauen vollkommen aus – so durch sprachliche Mittel wie falsche Überschriften „Steuersplitting für Schwule“ oder die Gleichsetzung der Begriffe von „schwul“ und „homosexuell“.
Diskriminieren durch Ignorieren
„Die Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen hat sich historisch unterschiedlich entwickelt. Sie leben in jeweils anderen gesellschaftlichen Situationen“, konstatiert Amberg. Dass in Redaktionen zumeist männliche Chefredakteure das Sagen hätten und vorrangig der männliche Leser im Fokus stünde, trüge zum „Diskriminieren durch Ignorieren“ lesbischen Lebens bei.
Was ist zu tun? „Lesbische Frauen sind schön! stark! frei! und ihre spannenden Lebenswelten müssen von Journalistinnen und Journalisten entdeckt, ihre Sichtbarkeit in den Medien verbessert werden“, meint Amberg. „Sie engagieren sich in Frauenhäusern, in der Mädchenarbeit, in kirchlichen Heimen, sind in Leitungsfunktionen und nahezu allen Berufen zu finden, es gibt viele Möglichkeiten.“ Dennoch sei der Rechercheaufwand hoch: „Lesben werden als Gruppe nur selten erkannt, Schwule dagegen häufiger.“ Obwohl Lesben ein eigenes Selbstverständnis entwickelten, stünden die Frauen häufig keinesfalls offen dazu. „Sie wollen nicht unbedingt die offene Flanke bieten“, weiß Amberg. Andererseits lähme bei der Berichterstattung eine gewisse Unbeholfenheit: „Was darf ich sagen, welcher Begriff ist richtig?“ Das Wort Lesbe werde als negativ besetzt erlebt, sei weniger aufgelöst als das Wort Schwuler. Dieses habe eine andere Emanzipationsgeschichte und werde schon „stolz benutzt“.
Der Bund Lesbischer & Schwuler Journalist/innen (BLSJ) hilft mit Tipps zur journalistischen Praxis in einem Faltblatt „Schöner schreiben über Lesben und Schwule“ weiter und ermuntert heterosexuelle Kolleg/innen, über Lesben und Schwule zu berichten und dabei die Wirkung der Texte zu bedenken. „Schreibt mehr über uns, nicht nur zum CSD“, wünscht sich der Kölner Wissenschaftsjournalist Axel Bach, BLSJ-Vorstand und Leiter des Felix Rexhausen-Preises für lesbisch-schwule Berichterstattung.
Aber, so weiß der schwule Journalist auch, bei vielen Berichterstattern tut sich eine Schere im Kopf auf. So – und das sind nur wenige von vielen Beispielen – wurde aus einem Lesbenchor in der Artikelüberschrift ein „unverfänglicher“ Frauenchor. Eine vielfotografierte provokante Aktion von Lesben als politisches Anliegen zum CSD mündete in einem kleinen veröffentlichten Bild ohne erklärenden Text, die Parade selbst wird immer als Schwulenparade betitelt, dabei sind ein Drittel der Teilnehmenden Lesben.
Um seriös mit dem Thema umzugehen, braucht es „ein bisschen mehr Fachjournalismus“, wie eine Vertreterin lesbisch-schwuler Medien konstatierte. Man müsse etwas über Genderentwicklung wissen, über Geschichte, Kultur etc. Leider werde das oft unterschätzt.
Ambergs (nicht repräsentative) Studie liefert erstmals Zahlen und Fakten zu bislang „nur gefühlten Leerstellen“, wie die Kommunikationswissenschaftlerin sagt. „Indem ich Defizite aufzeige und Gründen nachgehe, warum Lesben im öffentlichen Diskurs nach wie vor unsichtbar sind, will ich sensibilisieren. Ein Anfang ist gemacht.“
Die Studie erscheint Anfang Oktober als Buch „Schön! Stark! Frei! Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden“ beim Ulrike Helmer Verlag Bad Sulzach, 200 Seiten, 20 Euro, ISBN 9783897413245