netzwerk recherche: Can Dündar mit dem Leuchtturm geehrt

„Der Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen“ der Journalistenvereinigung netzwerk recherche (nr) geht in diesem Jahr an Can Dündar. Der Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ wird für die mutigen Recherchen seiner Zeitung sowie für seinen Kampf um die Pressefreiheit ausgezeichnet. Die „Verschlossene Auster“, den traditionellen Preis für den Informationsblockierer des Jahres, erhält Facebook. nr würdigt damit den intransparenten Umgang des Unternehmens mit Hasskommentaren. Beide Auszeichnungen wurden auf der am zweiten Juli-Wochenende beim NDR in Hamburg stattgefundenen Jahrestagung des Netzwerks vergeben.

„Can Dündar ist ein Vorbild.“ Mit dem „Leuchtturm für besondere publizistische Leistung“ werde zu Recht die gesamte Redaktion der „Cumhuriyet“ ausgezeichnet, sagte Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments in seiner Laudatio. „Das ist gut so und diese Auszeichnung ist eine klare Botschaft aus der Pressestadt Hamburg an die Regierungszentrale in Ankara. Ich hoffe, diese Botschaft wird verstanden“, so Schulz. http://nrch.de/nr16schulz
„Der Mut und die Standhaftigkeit Can Dündars und seiner Kolleginnen und Kollegen verdienen größte Anerkennung und auch Unterstützung“, würdigt Julia Stein, nr-Vorsitzende, den türkischen Journalisten. „Er lässt sich nicht einschüchtern, er trotzt der politischen Repression und hat keine Angst vor dem Gefängnis. Can Dündar kämpft unter schwierigsten Umständen für die Pressefreiheit.“ Für Can Dündar, der den Preis in Hamburg entgegen nahm, sendet die Auszeichung eine starke Nachricht an seine Kollegen und die Regierung. Er bedankt sich „für die Unterstützung und Hilfe gegen die staatliche Unterdrückung.“

Ein Gericht in Istanbul verurteilte Anfang Mai Dündar und seinen Kollegen, den Hauptstadtkorrespondenten Erdem Gül. Sie hatten über geheime Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an Islamisten in Syrien berichtet, was die türkische Justiz als Geheimnisverrat bewertete. Dündar soll für fünf Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, Gül für fünf Jahre. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Facebook ist wegen seines intransparenten Umgangs mit Hasskommentaren der Gewinner der „Verschlossenen Auster“. Hasskommentare haben in der politischen Debatte des vergangenen Jahres eine wichtige Rolle gespielt. „Dass Menschen Facebook für solche Botschaften missbrauchen, liegt nicht in der Verantwortung des Unternehmens. Wie die Firma dagegen vorgeht allerdings schon“, heißt es in der Begründung von netzwerk recherche. „Es war und ist nicht erkennbar, wann, ob und nach welchen Kriterien Löschungen vorgenommen werden.“ Nachforschungen auch von Journalisten dazu liefen weitgehend ins Leere.

Eine Einladung des netzwerks recherche zu einer Gegenrede in Hamburg lehnte Facebook ab. Das Unternehmen widerspreche in einigen Punkten und könne „somit die ‚Verschlossene Auster’ nicht annehmen“, schrieb Pressesprecherin Tina Kulow. Seit Herbst 2015 habe die Firma „eine Vielzahl an Maßnahmen im Kampf gegen Hasskommentare und Hetze ergriffen“. Facebook informiere darüber „permanent, offen und transparent“.
Der Laudator auf den diesjährigen Preisträger, der Datenschutzexperte Thilo Weichert hielt dagegen: „Facebook denkt bisher ebenso wenig daran Transparenz herzustellen, wie Fremdenhasser mit Counterspeech zur Menschlichkeit bekehrt werden konnten.“ Denn das Geschäftsmodell von Facebook basiere darauf, „dass unkontrolliert Meinungen verbreitet werden. Dabei werden Daten gesammelt und kommerziell verwertet. Transparenz und Kontrolle wären für dieses Geschäftsmodell Gift.“
Mehr Informationen unter http://nrch.de/auster16

Weitere aktuelle Beiträge

Ver.di macht Druck bei TikTok

In der Auseinandersetzung um die Kündigungen der Content-Moderator*innen versucht TikTok nach Einschätzung von ver.di Fakten zu schaffen und zieht nun vor Gericht. Der Arbeitgeber forciert ein gerichtliches Verfahren gegenüber dem Betriebsrat, das nach Einschätzung von ver.di dazu dient, möglichst schnell Kündigungen aussprechen zu können. Bisher hat TikTok den Beschäftigten und dem Betriebsrat Angebote vorgelegt, die diese als unzureichend bewerten.
mehr »

NIUS: Eine Bühne für rechte Hetze

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt inszeniert sich seit zwei Jahren auf der Krawall-Plattform „Nius“ als Kämpfer gegen alles vermeintlich oder tatsächlich Linke, Woke, gegen „verlogene Eliten“ und als Gegenpol gegen den verhassten Berliner Hauptstadt-Journalismus.
mehr »

Streik bei TikTok wird fortgesetzt

TikTok-Beschäftigte in Berlin legten heute ihre Arbeit nieder und fuhren mit einem Streikboot direkt an ihrer Geschäftsführung vorbei. Nachdem ver.di zum Streik aufgerufen hatte, waren zahlreiche Beschäftigte gefolgt. Es ist der erste Streik bei einer Social-Media-Plattform in Deutschland überhaupt, an dem sich rund 100 von ungefähr 400 Beschäftigten bei TikTok in Berlin beteiligten. Und es geht weiter: Für kommenden Montag ist bereits der nächste Streiktag geplant.
mehr »

Meta will sich nicht verpflichten

Kurz nach Veröffentlichung des freiwilligen KI-Verhaltenskodex hat Meta als erster Konzern entschieden, den Kodex der Europäischen Kommission nicht zu unterzeichnen. Der US-Konzern hinter Facebook und Instagram kritisiert den Vorschlag als rechtlich unsicher, überreguliert und innovationsfeindlich. Ein politisch bedenkliches Signal.
mehr »