Südafrikaner beschlossen Gesetz zur Informationsunterdrückung
Kein schönes Weihnachtsgeschenk für Südafrikas Journalisten: Der regierende African National Congress (ANC) nutzte seine absolute Mehrheit, um ein neues Gesetz zum Schutz geheimer Regierungsinformationen durchs Parlament zu bringen. Das gibt der Regierung weitreichende Befugnisse, brisante Dokumente als geheim zu klassifizieren – und bedroht Journalisten und Whistleblower mit bis zu 25 Jahren Haft.
Die Wochenzeitung Mail & Guardian lieferte Mitte November einen bitteren Vorgeschmack auf das, was Südafrikas Medienlandschaft bald drohen könnte. Eine Woche vor der Parlamentsabstimmung über das Protection of Information Bill (Gesetz zum Schutz von Informationen) machte das Blatt mit einer investigativen Geschichte über Mac Maharaj, Sprecher von Staatspräsident Jacob Zuma, auf. Maharaj könnte in einen Korruptionsskandal verwickelt sein, lässt die Einleitung des Artikels wissen – danach sind dreiviertel des Textes in großen dunklen Kästen geschwärzt. Maharaj’s Anwälte hatten mit strafrechtlicher Verfolgung gedroht, weil verwendete Informationen aus einem geheimen Verhör stammten. Zu den eigentlichen Vorwürfen äußerte sich der Politiker nicht. Auf Drängen der eigenen Rechtsabteilung entschied sich der Mail & Guardian schließlich zu den Schwärzungen und einem großen „Zensiert“-Banner auf dem Titel.
Einen direkten Zusammenhang mit dem neuen Gesetz gibt es nicht, die Veröffentlichung von Inhalten geheimer Verhöre – ein Sondermodell des südafrikanischen Rechtsstaats, bei dem die Befragten gegenüber der Polizei nicht schweigen, ihre Aussagen im Gegenzug aber auch nicht vor Gericht verwendet werden dürfen – ist seit jeher illegal. Geht es nach dem regierenden ANC soll das für die Presse verwertbare Material zukünftig aber noch wesentlich weiter eingeschränkt werden. Das Gesetz, das die Partei mit ihrer absoluten Mehrheit Ende November trotz deutlicher Proteste durchs Parlament brachte, erlaubt dem Ministerium für Staatssicherheit, Dokumente als geheim zu klassifizieren – und bei hinreichender Begründung auch sämtlichen anderen Ministerien die Erlaubnis zur Geheimhaltung zu geben. Zwar sieht das Gesetz eine Berufungskommission im Parlament vor, doch auch die steht unter dem Einfluss des Sicherheitsministers, Siyabonga Cwele. Der machte bereits in der Woche vor der Parlamentsabstimmung deutlich, welch Geistes Kind er ist, als er Gegnern des Gesetzentwurfs vorwarf, von ausländischen Spionen finanziert zu sein. Der anschließenden Aufforderung des Journalistenverbands SANEF, Beweise für seine wirren Anschuldigungen vorzulegen, kam der oberste Geheimdienstchef freilich nicht nach. Die Gesetzes-Gegner, zu denen neben Journalistenverbänden, Menschenrechtsorganisationen und sämtlichen Oppositionsparteien mit dem Gewerkschaftsbund COSATU sogar ein wichtiger Allianzpartner des ANC gehören, fordern eine Überarbeitung des Gesetzes.
Mit Gefängnis bedroht
Auch international wächst die Kritik. „Das Gesetz gefährdet den investigativen Journalismus und greift die Pressefreiheit an“, appellierte Reporter ohne Grenzen an Präsident Zuma, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Hauptkritikpunkte sind die hohen Haftandrohungen – nach jetzigem Stand soll der unbefugte Besitz als geheim klassifizierter Dokumente mit Gefängnisstrafen zwischen fünf und 25 Jahren bestraft werden – und das Fehlen einer Ausnahmeklausel für Veröffentlichungen im öffentlichen Interesse, beispielsweise bei Recherchen zu Vetternwirtschaft und Korruption. „Zusammen mit der Androhung eines Medien-Tribunals, der Feindseligkeit der Regierung gegenüber den Medien, den jüngsten Verhaftungen von und Schikanen gegen Journalisten deutet dieses neue Gesetz auf eine immer feindlichere Atmosphäre für Journalisten hin“, fürchtet der Johannesburger Journalistik-Professor Anton Harber. „Das neue Gesetz wird es schwerer und riskanter machen, gewisse Teile der Regierung zu überprüfen und kann daher zu schlechter Regierungsarbeit und zunehmender Korruption beitragen.“
Auch Dale McKinley, Sprecher der Kampagne Right2Know, warnt vor den Folgen: „Das Gesetz stellt eine Bedrohung für Whistleblower dar und schafft ein ernstes Klima der Einschüchterung – für den freien Informationsfluss wirkt es wie eine Staumauer“. Der Johannesburger Politikwissenschaftler warnt vor dem Hintergrund interner Machtkämpfe im ANC zudem vor einem „Werkzeug zur Machtsicherung“ der Fraktion um den Präsidenten. „Zuma und sein Flügel sind in der Vergangenheit durch eine Reihe öffentlich gewordener Korruptionsskandale in Verlegenheit gebracht worden und das hat sie mächtig sauer gemacht.“ Das neue Gesetz würde ihnen helfen, kritische Veröffentlichungen zu stoppen. Es gilt daher als unwahrscheinlich, dass entweder die ebenfalls vom ANC dominierte Länderkammer, die noch zustimmen muss, oder der Präsident mit einer Verweigerung seiner Unterschrift das Gesetz noch aufhalten.
Beunruhigend ist daher auch, was direkt nach der Abstimmung passierte: Unter höhnischen Bye-Bye-Rufen aus den Reihen des ANC verließen die Chefredakteure der führenden Medien des Landes, die der Abstimmung beigewohnt hatten, nach der Verkündung des Ergebnisses den Saal. Oppositionsführerin Helen Zille von der konservativen Democratic Alliance sah trotzdem noch „Licht am Ende des Tunnels“. Wie mehrere andere Gesetzesgegner auch kündigte sie an, gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgericht zu klagen. Hoffnung schöpfen die Südafrikaner auch aus dem Kampf vieler Journalisten gegen das Apartheid-Regime. „Journalisten in diesem Land haben immer listige und geschickte Wege gefunden, um an Informationen zu kommen, selbst im Angesicht viel ernsterer Gesetze“, so Harber.