Daimler unterliegt im Rechtsstreit um Reportage vom SWR

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Im Rechtsstreit zwischen der Daimler AG und dem Südwestrundfunk (SWR) wegen der Undercover-Reportage „Hungerlohn am Fließband“ hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) vom 8. Juli 2015 nicht zugelassen. Mit Beschluss vom 16. August 2016, der dem SWR jetzt zuging, wies er eine Nichtzulassungsbeschwerde der Daimler AG zurück (VI ZR 427/15). Die Reportage des SWR darf weiterhin ausgestrahlt werden.

Die Sendung „Hungerlohn am Fließband“ lief am 13. Mai 2013 zur besten Sendezeit in der ARD. SWR-Reporter Jürgen Rose hatte sich für die Reportage bei einer Stuttgarter Leiharbeitsfirma anstellen lassen, wurde von dieser an eine Logistikfirma verliehen und von dieser letztlich als Werkvertrags-Mitarbeiter im Motorenwerk der Daimler AG in Stuttgart-Untertürkheim eingesetzt. Dabei erzielte er einen Stundenlohn von 8,19 Euro, Leiharbeiter bei Daimler bekamen zu jener Zeit mehr als 17 Euro pro Stunde. Der Film zeigte, dass Menschen über Werkverträge beschäftigt und in die dortigen Betriebsabläufe integriert waren, jedoch so wenig verdienten, dass sie ihren Unterhalt über eine Hartz-IV-Aufstockung sichern mussten. Der Film erfuhr ein breites Echo in der Öffentlichkeit und auch in der Politik. Unter anderem beriet der Bundestag erst vorige Woche über eine Reform der Rechtsverhältnisse bei Leiharbeit und Werkverträgen.

Die Daimler AG hatte gegen die weitere Ausstrahlung der verdeckt gedrehten Aufnahmen geklagt, war aber sowohl vor dem Landgericht Stuttgart wie dem Oberlandesgericht Stuttgart gescheitert. Die OLG-Richter hatten sich bei ihren Abwägungsgründen am sogenannten Wallraff-Urteil des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Demnach sei die Veröffentlichung rechtswidrig erlangten Materials – wie auch hier beim SWR geschehen – „ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Bedeutung des Gezeigten für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen nach sich ziehen muss. Nötig sei also, dass durch die Veröffentlichung ein erheblicher Missstand aufgedeckt wird, der die Ausstrahlung rechtfertigt. Diesen sahen die Richter darin, dass die Daimler AG Arbeitskräfte zu einem Lohn beschäftige, der weniger als halb so hoch sei, wie der Verdienst der Stamm- und Leiharbeitnehmer des Unternehmen.“ (Beitrag Legal Tribune online) Das OLG hatte die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Daraufhin rief Daimler den BGH an. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH blieb nun erfolglos.

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.
mehr »

Filmtipp: Die Mutigen 56

Hin und wieder ist es gar nicht verkehrt, sich bewusst zu machen, wie gut es uns in vielerlei Hinsicht geht. Jedenfalls gemessen an anderen Zeiten. Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, musste erst erkämpft werden, zum Beispiel die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall; davon erzählt das sehenswerte Dokudrama „Die Mutigen 56 – Deutschlands längster Streik“.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »