Es begann mit einem Blackout. Erst nach 20 Minuten gab es am Freitag, dem 13. (!) Live-Bilder aus Frankreich vom ersten WM-Gruppenspiel der deutschen Handball-Nationalmannschaft gegen Ungarn. Allerdings nur per Smartphone oder PC. Deutsche TV-Sender gingen beim Rechtepoker leer aus. Stattdessen springt der Hauptsponsor der Deutschen Handball-Liga als publizistischer Akteur ein. Kein Beispiel, das Schule machen sollte.
Ohne die Rettungsaktion der Deutschen Kreditbank (DKB) hätten deutsche Fans vermutlich in die Röhre geguckt. Die DKB profilierte sich als eine Art weißer Ritter, der Live-Bilder – zumindest im Stream – organisierte. Immerhin: Als Premiumpartner des Deutschen Handballbundes ist der Bank eine gewisse Glaubwürdigkeit nicht abzusprechen. Ein schaler Beigeschmack bleibt: Dass in einer Handball-Nation wie Deutschland ein Sponsor einspringen muss, um Live-Bilder zu ermöglichen, ist ein Armutszeugnis für einige der Beteiligten.
Hauptverantwortlich dafür: die Internationale Handball-Föderation. Deren umstrittener Präsident Hassan Moustafa glänzt auf der Homepage der Internationalen Handballföderation (IHF) mit dem Spruch: „Handball ist ein Diamant, der poliert werden muss, damit er sich in einen Brillanten verwandelt.“ Er meint das wörtlich und versteigerte die WM-Übertragungsrechte meistbietend für 80 Millionen Euro an die Öl-Milliardäre aus Katar. Was die dann damit anfangen, egal!
Scheinbarer Gewinner: Die beIn Media Group, mittlerweile einer der weltweit größte Sportrechte-Dealer. Ein Rechteinhaber, der aufgrund seiner finanziellen Potenz nicht auf eine Refinanzierung der Rechte angewiesen ist. Wenn beIn befiehlt, dass Fernsehsignale für Satellitenkunden verschlüsselt werden müssen, ist das Gesetz. Und öffentlich-rechtliche Sender wie ARD und ZDF haben das Nachsehen.
Verlierer ist der Deutsche Handballbund, dessen Präsident Andreas Michelmann nun angesichts des Live-Bilder-Blackouts Krokodilstränen vergießt. Wenn der DHB-Mann den Rechtehändler beIn als Ärgernis bezeichnet, so fällt das auf ihn selbst zurück. Denn der deutsche Handballverband hat in der Vergangenheit immer mit IHF-Präsident Moustafa paktiert. Und ist damit gut gefahren. Schon vergessen? Bei der letzten WM 2015 in Katar bekamen die sportlich nicht qualifizierten deutschen Handballer von der IHF eine Wildcard spendiert. Zu Lasten der sportlich sehr wohl qualifizierten Australier. Kehrseite des Deals: Schon damals konnte das Turnier im Handball-Kernland Germany nur von ein paar Hundertausend Fans im Pay-TV verfolgt werden. Anders als bei der Europameisterschaft 2016, als an die 13 Millionen in der ARD Deutschland im Finale gegen Spanien siegen sahen.
Verlierer sind auch die deutschen TV-Sender, allen voran ARD und ZDF. Sie hatten bei dieser Gemengelage kaum eine Chance, mit den Kataris einen zuschauerfreundlichen Kompromiss zu verhandeln. Ein Ausschluss von 18 Millionen Satelliten-Haushalten ist für sie und das Publikum nicht hinnehmbar. In der Öffentlichkeit verfestigt sich das Bild von ohnmächtigen Anstalten, die nach dem Verlust der Olympiarechte nun eine weitere Schlappe bei einem hochkarätigen Sportereignis beklagen.
Verlierer sind nicht zuletzt die Zuschauer hierzulande: Eine WM in dem Kernland des Handballs, mit knapp 800.000 Mitgliedern und 4.400 Vereinen, die mangels Free-TV-Übertragung nur per Smartphone, Tablet und Rechner gesehen werden kann – das klingt reichlich absurd. Dass dazu noch ein sponserndes Unternehmen als publizistischer Akteur auftritt, macht die Sache nicht besser. Auch wenn die beiden erfahrenen Kommentatoren in den ersten Partien mit Kompetenz und Unaufgeregtheit punkteten: Für eine unabhängige Berichterstattung ist dies keine gute Entwicklung. Es sollte eine Ausnahme bleiben.