CrewScouts: Gewerkschaft beim Film

Foto: mfi

Ungewöhnliche Bedingungen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Um den besonderen Voraussetzungen für gewerkschaftliche Arbeit an Filmsets Rechnung zu tragen, hat die ver.di-FilmUnion ein neues Konzept der Interessenvertretung und Tarifarbeit entwickelt: Die CrewScouts, aktive Filmschaffende, die von der FilmUnion geschult werden, um am Filmset als kompetente Ansprechpersonen und Mittler_innen zu ver.di zu fungieren. Eine erste Schulung fand am Wochenende in Berlin Wannsee statt.

Anders als in fest eingerichteten Betrieben kann ver.di in Filmproduktionen, die naturgemäß nur wenige Wochen dauern, nicht auf die bewährten stabilen Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräte oder gewerkschaftliche Vertrauensleute zählen. Am Set als Gewerkschaft in Erscheinung zu treten und die Filmschaffenden vor Ort bei der konkreten Durchsetzung ihrer Rechte während des Filmdrehs zu unterstützen, gestaltet sich deshalb schwierig und kann von den Gewerkschaftssekretär_innen allein nur bedingt geleistet werden. Um die Interessenvertretung für Mitglieder und die Gewerkschaftsarbeit am Filmset insgesamt zu verbessern und zu stärken, hat die ver.di-FilmUnion, die Film- und Fernsehschaffenden in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), deshalb ein völlig neues Konzept gewerkschaftlicher Arbeit entwickelt: Den CrewScout

CrewScout: Mittler_in zwischen Filmschaffenden und Gewerkschaft

Der CrewScout ist ein Mitglied der FilmUnion und ein_e aktiv_er Filmschaffende_r, der/die Rechte, die aus dem Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende (TV FFS) resultieren, besser kennen und nutzen möchte. Er/Sie soll Kenntnis der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen haben, um in der Lage zu sein, Kolleg_innen am Set erste Auskünfte zu geben. Darüber hinaus ist der CrewScout besser mit anderen Mitgliedern der FilmUnion, anderen CrewScouts sowie den fünf Gewerkschaftssekretär_innen der FilmUnion am jeweiligen Filmstandort vernetzt und kann demnach bei Problemen oder Forderungen am Set, die er/sie nicht alleine lösen kann, auf die Unterstützung durch das hauptamtliche Team der FilmUnion zurückgreifen. Der CrewScout fungiert also als Mittler_in zwischen den Filmschaffenden eines konkreten Filmsets und den Gewerkschaftssekretär_innen vor Ort und ist in dieser Hinsicht am ehesten mit einer gewerkschaftlichen Vertrauensperson in Betrieben anderer Branchen zu vergleichen.

Und wie wird man CrewScout?

Wissen und Fertigkeiten für die Arbeit am Filmset erhalten die künftigen CrewScouts in von der ver.di-FilmUnion organisierten Schulungen, bei denen inhaltlich nicht nur Arbeits- und Tarifrecht auf der Tagesordnung stehen, sondern auch kollektive Handlungsweisen. Ziel der Schulung sei es selbstverständlich nicht, Tarifrechtsexpert_innen auszubilden, sagt Matthias von Fintel, ver.di-Tarifsekretär Medien und Geschäftsführer von connexx.av, dem Netzwerk für Medienschaffende in ver.di: „Die Teilnehmer_innen sollen ein solides Handwerkszeug mit auf den Weg gegeben bekommen, um später am Filmset als Kontaktleute und Mittler auftreten zu können. Außerdem soll die Schulung dazu dienen, einen guten Draht zu den Gewerkschaftssekretär_innen vor Ort herzustellen, mit denen die Crews Scouts künftig zusammenarbeiten werden.“ Dabei handelt es sich beim Crew Scout-Konzept aber auch um ein dynamisches Konzept, erläutert Kathlen Eggerling, die für die ver.di FilmUnion in Berlin tätig ist. Den künftigen CrewScouts solle kein fertiges Handlungsraster übergestülpt werden. Es gehe vielmehr darum, das Konzept gemeinsam mit den Schulungsteilnehmer_innen zu entwickeln und dabei deren Wünsche und Ideen zu berücksichtigen. Neben einer zentralen Auftaktschulung  am vergangenen Wochenende in Berlin sind für die Ausbildung der CrewScouts weitere regionale Schulungen in Hamburg, Köln, Berlin, Frankfurt/Main und München geplant. „Die Einhaltung des Tarifvertrages sowie die Präsenz der Filmunion am Set muss und soll zu einer Selbstverständlichkeit werden“, erklärte Ingo Weerts als für die FilmUnion in Köln tätiger Gewerkschaftssekretär.

CrewScout-Auftaktschulung: Gemeinsam dranbleiben

Große Resonanz gab es auf die erste CrewScout-Schulung der FilmUnion am 22. und 23. April im ver.di-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg am Berliner Wannsee. Nicht alle Interessent_innen haben es geschafft, einen der 20 Plätze zu ergattern. Auch ein Grund, warum weitere Schulungen folgen werden. Nach zwei Schulungstagen haben die Teilnehmer_innen aus ganz Deutschland nun nicht nur ein Basiswissen in Tarif- und Arbeitsrecht erworben, sondern gemeinsam mit den Gewerkschaftssekretär_innen auch Verabredungen getroffen, wie die Arbeit am Filmset und die Zusammenarbeit mit dem Team der FilmUnion vor Ort künftig gestaltet werden sollen. So sind beispielsweise ein bis zwei regionale Treffen der CrewScouts pro Jahr geplant, die die ständige überregionale Kommunikation über andere Kanäle ergänzen sowie auch für potenzielle neue CrewScouts offen sein sollen.

V.l.n.r.: Anja Willmann, ver.di-FilmUnion Frankfurt/Main, Kathlen Eggerling, ver.di-FilmUnion Berlin/Brandenburg
Foto: mfi

Durchweg positives Feedback gab es auch von den Teilnehmer_innen selbst in der Abschlussrunde. Besonders erfreut waren viele darüber, aktiven Filmschaffenden aus der ganzen Republik zu begegnen und über den gemeinsamen Austausch und den Dialog festzustellen, dass die Probleme ähnlich sind, dass man aber durch den Zusammenschluss untereinander und durch gelebte Solidarität etwas verändern und erreichen kann. Klar wurde aber auch, dass es nun gilt, „gemeinsam dranzubleiben“, wie Anja Willmann (für die ver.di FilmUnion in Frankfurt/Main tätig) es ausdrückte. Und Matthias von Fintel ergänzte: „Wir wollen die Gewerkschaftsarbeit in Filmteams neu denken und gemeinsam mit Euch entwickeln. Hier sind Menschen zusammengekommen, die etwas verändern wollen. Wir werden die FilmUnion neu entstehen lassen. Es wird Arbeit, aber eine positive Arbeit.“


Für die kommenden Crew Scout-Schulungen können sich Interessierte an das Team der ver.di-FilmUnion wenden: https://filmunion.verdi.de/ueber-uns/kontakt

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„Von Wertschätzung meilenweit entfernt“

Der Juli ist Urlaubszeit, aber auch Verhandlungszeit. Nach zehn zähen Verhandlungsrunden mit den Zeitungsverlegern und mehrfachen Warnstreiks, hat die dju in ver.di endlich einen Abschluss für Tausende von Journalisten in ganz Deutschland erreichen können. Einer der mitverhandelte beim Tarifvertrag ist Peter Freitag, Co-Vorsitzender der dju in ver.di und Redakteur für Kölner Stadt-Anzeiger und der Kölnische Rundschau.
mehr »

Ver.di macht Druck bei TikTok

In der Auseinandersetzung um die Kündigungen der Content-Moderator*innen versucht TikTok nach Einschätzung von ver.di Fakten zu schaffen und zieht nun vor Gericht. Der Arbeitgeber forciert ein gerichtliches Verfahren gegenüber dem Betriebsrat, das nach Einschätzung von ver.di dazu dient, möglichst schnell Kündigungen aussprechen zu können. Bisher hat TikTok den Beschäftigten und dem Betriebsrat Angebote vorgelegt, die diese als unzureichend bewerten.
mehr »

NIUS: Eine Bühne für rechte Hetze

Der ehemalige „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt inszeniert sich seit zwei Jahren auf der Krawall-Plattform „Nius“ als Kämpfer gegen alles vermeintlich oder tatsächlich Linke, Woke, gegen „verlogene Eliten“ und als Gegenpol gegen den verhassten Berliner Hauptstadt-Journalismus.
mehr »

Streik bei TikTok wird fortgesetzt

TikTok-Beschäftigte in Berlin legten heute ihre Arbeit nieder und fuhren mit einem Streikboot direkt an ihrer Geschäftsführung vorbei. Nachdem ver.di zum Streik aufgerufen hatte, waren zahlreiche Beschäftigte gefolgt. Es ist der erste Streik bei einer Social-Media-Plattform in Deutschland überhaupt, an dem sich rund 100 von ungefähr 400 Beschäftigten bei TikTok in Berlin beteiligten. Und es geht weiter: Für kommenden Montag ist bereits der nächste Streiktag geplant.
mehr »