Gewerkschaften gewannen viele Prozesse für freie Journalisten
Erfolgreich abgewehrt – dafür steht das Jahr 2011 gleich zweifach. Mit Streiks und anderen Aktionen konnten Journalistinnen und Journalisten ihre Verleger stoppen, die angetreten waren, die Redakteurseinkommen kräftig und dauerhaft zu kürzen. Nicht weniger effektiv war der „juristische Abwehrkampf“ gegen Buy-out-Verträge, die freie Text- und Bildjournalisten um ihre Rechte bringen.
Auch auf diesem Feld agieren die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband gemeinsam – im Jahr 2011 besonders erfolgreich. Nach Springer- und Zeit-Verlag ergingen positive Gerichtsentscheidungen gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) weiterer namhafter Medienunternehmen – Bauer und Gruner+Jahr, WAZ und Süddeutsche Zeitung, Südkurier und Ruhr Nachrichten, Nordkurier und Braunschweiger Zeitung sowie kurz vor Jahresende noch gegen die Mittelbadische Presse.
Am 12. Januar 2012 wurde erstmals vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. Es ging um die „Honorarbedingungen (Text/Bild) für freie Journalistinnen und Journalisten“ der Axel Springer AG. Als der Konzern diese AGB im Januar 2007 an die Freien seiner Zeitungen und Zeitschriften verschickte, hatte dies einen wahren Proteststurm ausgelöst. Das lag an seiner Bedeutung in der bundesdeutschen Medienlandschaft und der Anzahl der betroffenen Freien, an der weitreichenden Rechteeinräumung zum pauschalen Ersthonorar und nicht zuletzt daran, dass ein Vertreter des Springer-Konzerns direkt an den Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln beteiligt war.
Springer 2007: Blick zurück im Zorn
Richtig verständlich wird die damalige Empörung aber erst, wenn man noch einmal zehn, zwölf Jahre weiter zurückblickt. Vom Internet als neuem Informationsmedium erhofften sich natürlich auch die freien Journalistinnen und Journalisten in den 1990er Jahren eine neue Erlösquelle. Stattdessen mussten sie die Erfahrung machen, dass Zeitungs- und Zeitschriftenverlage ihre Artikel und Fotos online stellten, ohne sie dafür zu bezahlen. Dasselbe geschah mit CD-Roms oder Pressedatenbanken, ohne Genehmigung der Urheber, also illegal.
Später begannen die Verlage, sich in „Verträgen über freie Mitarbeit“ einen umfangreichen Katalog an digitalen Nutzungsrechten abtreten zu lassen, meist gegen ein – selten erhöhtes – Pauschalhonorar. Oft wurden diese Rechtekataloge auch auf herkömmliche Medien ausgeweitet. Die zusätzliche Honorierung für den Zweitabdruck entfiel, die eigene Mehrfachverwertung in anderen Medien wurde verhindert. Seitdem hat sich die wirtschaftliche Lage der freien Journalistinnen und Fotografen dramatisch verschlechtert.
Diese Praxis der Verlage führte nicht nur zu Unmut und Gegenwehr, sondern auch zu gesetzgeberischen Initiativen, die kräftig befördert unter anderem von der damaligen IG Medien schließlich in der Reform des Urhebervertragsrechts mündeten. Durchgesetzt wurde das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ gegen den massiven Widerstand der Medienkonzerne und ihre Lobbyarbeit unter Einsatz von vielen Millionen Euro.
Urhebervertragsrecht brachte die Reform
Seit dem 1. Juli 2002 steht im Urheberrechtsgesetz der Leitsatz (§ 11, Satz 2 UrhG): Das Urheberrecht „dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes.“ Die Reform hat die vertragliche Rechtsstellung der Urheber entscheidend verbessert. Zwar wurde der Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“ im Gesetz nicht so klar und durchsetzungsstark geregelt, wie die Urhebervereinigungen es gefordert hatten, doch der neue Leitsatz gilt für alle Regelungen im Urheberrecht wie auch bei den Vereinbarungen der Urheber mit ihren Vertragspartnern.
Dies wirkt sich insbesondere bei der Möglichkeit der gerichtlichen AGB-Kontrolle aus, für die „das Prinzip der angemessenen Vergütung als wesentlicher Grundgedanke des Urheberrechts“ – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – heranzuziehen ist. Erst auf dieser neuen gesetzlichen Grundlage sind die Gerichtserfolge der Gewerkschaften gegen Verlags-AGB möglich geworden. Außerdem gelang es, einen anderen wesentlichen Punkt im Gesetz zu verankern: Verbände von Urhebern und Verwertern können gemeinsame Vergütungsregeln aufstellen, also Kollektivvereinbarungen für freie Urheber. Die Verhandlungen mit den Verbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger über Vergütungsregeln wurden von der dju in ver.di und dem DJV Anfang 2003 aufgenommen, ein Abschluss für Tageszeitungen bekanntlich aber erst nach sieben Jahren erreicht.
Nach der langen Auseinandersetzung um die Urheberrechtsreform war es ruhiger geworden um die Verlags-AGB. Zum einen waren sie in nicht wenigen Verlagen bereits vorher eingeführt worden, zum anderen erhoffte man sich durch die neuen rechtlichen Möglichkeiten die Vereinbarung einer Branchenregelung. Nach vier Jahren Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln brachte der Springer-Konzern nun aber seine neuen AGB in Umlauf. Das führte zum Knall.
Als alle gemeinsam von dju, DJV und der Fotografenvereinigung FreeLens getragenen Proteste den Konzern nicht zur Rücknahme bewegen konnten und der Springer-Vorstandsvorsitzende Döpfner eine gemeinsame Aufforderung, die neuen Honorarbedingungen bis zum Abschluss der Vergütungsregeln auszusetzen, zurückwies, wurde im März 2007 eine einstweilige Verfügung beantragt.
Pauschales Honorar nichtig
Die erste Verbandsklage gegen Verlags-AGB brachte bereits mit dem ersten Urteil des Landgerichts Berlin im Juni 2007 einen Erfolg in einem zentralen Punkt, den Pauschalabgeltungsklauseln. Der Kern aller Buy-out-Vereinbarungen, „Ein Honorar für alle denkbaren Nutzungen“, wurde für unrechtsmäßig erklärt.
Dass die Freien an der Mehrfachnutzung ihrer Beiträge wirtschaftlich zu beteiligen sind und eine Abgeltung mit einem einmaligem Honorar nicht zulässig ist, entschieden danach auch alle anderen zu dieser Frage von den Journalistengewerkschaften angerufenen Gerichte. Durchgängig sind in den ergangenen Urteilen solche Klauseln für unwirksam und nichtig erklärt worden – mittlerweile auch von Oberlandesgerichten in Hamburg, Berlin, München, Hamm (AGB der Ruhr Nachrichten) und Karlsruhe (AGB Südkurier).
Bei Verlagen, bei denen die Einführung von Buy-out-AGB zunächst am Widerstand der Freien und ihrer Gewerkschaften gescheitert war, so bei der Süddeutschen Zeitung 2001 und der Zeit 2007, führten ihre späteren Versuche „nachzuziehen“ nun zum gerichtlichen Verbot. Der Zeitverlag kassierte ein entsprechendes Urteil im Juni 2010, die SZ im April 2011.
Selbst in der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof am 12. Januar verfing der Versuch des Springer-Anwalts, noch einen höchstrichterlichen Umschwung zu bewirken, nicht. „Angesichts der schwachen Stellung des Urhebers ist es nicht realistisch“, entgegnete der Vorsitzende Richter des I. Zivilsenats, Joachim Bornkamp, dass ein freier Journalist nachträglich eine Vertragsanpassung verlangen werde. Es sei gerade dieser „Schutzgedanke, bei dem die AGB-Kontrolle ansetzen kann.“
Das Verfahren gegen Springer ist mittlerweile zum langwierigsten AGB-Prozess geworden. Zwar wurde dem Medienkonzern auch im Hauptsacheverfahren vom LG Berlin im Dezember 2008 die Verwendung wesentlicher Teile seiner umstrittenen AGB-Klauseln untersagt, doch gingen beide Seiten in die Berufung.
Für die Gewerkschaftsseite hat sich das ausgezahlt. Im Urteil vom März 2010 ging das Kammergericht Berlin zugunsten der Freien noch über das Landgericht hinaus. Für unzulässig erklärte wurde, dass die Nutzung auch durch Dritte erfolgen und die Nutzungsrechte auch ohne Zustimmung der Urheber weiter übertragen werden könnten. Auch eine Regelung, nach der bei einer werblichen Nutzung der Beiträge eine Vergütung gesondert vereinbart werden kann, aber nicht muss, darf der Verlag nicht weiter nutzen. Gleiches gilt für den Passus, dass bei fehlender Urhebernennung keine gesonderten Ansprüche der Journalisten entstehen.
Anders als das Landgericht untersagte das Kammergericht außerdem die Verwendung einer Abschlagstaffel bei mehreren Fotos aus einer Produktion. Gekippt wurden auch alle Regelungen zu „Ausfallhonoraren“. Insgesamt sind zahlreiche Klauseln vom Verbot betroffen, so dass bereits wesentliche Teile der AGB der Axel Springer AG nicht mehr verwendet werden können.
Globale Rechteabtretung widerspricht Vertragszweck
Das Urteil des Kammergerichts hat allerdings aus gewerkschaftlicher Sicht einen entscheidenden Makel. Die nahezu vollständige Abtretung aller Nutzungsrechte an den Verlag wurde von den Berliner Richtern nicht untersagt. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 1982, nach dem auch umfängliche Rechtseinräumungsklauseln, wenn die Rechte einzeln aufgeführt werden, nicht im Rahmen der AGB-Kontrolle angreifbar sind.
Erstmals hatte das Oberlandesgericht Hamburg in seinem Urteil vom Juni 2011 im Verfügungsverfahren gegen Bauer Achat mit dieser alten BGH-Rechtsprechung gebrochen und Rechtseinräumungsklauseln, nach denen praktisch kein Nutzungsrecht mehr beim Urheber zurückbleibt, für unwirksam erklärt. Die Entscheidung des OLG, dass die auch als „Zweckübertragungstheorie“ bezeichnete Regelung des Urheberrechts (§ 31 Abs. 5 UrhG) zumindest seit der Urhebervertragsrechtsreform von 2002 einer globalen Rechteübertragung in AGB entgegensteht, bestätigt die langjährige Rechtsauffassung der Journalistengewerkschaften – ein Erfolg auch für ihren Rechtsvertreter in den AGB-Prozessen, Prof. Dr. Christian Donle, der seine Doktorarbeit zur „Bedeutung des §31 UrhG für das Urhebervertragsrecht“ bereits 1993 veröffentlicht hatte.
Dieser Rechtsprechung des OLG Hamburg hatten sich im zweiten Halbjahr 2011 mehrere Landgerichte angeschlossen, so das LG Hamburg in seinem Urteil zu den AGB der G+J Wirtschaftsmedien und das LG Braunschweig im Urteil zur Braunschweiger Zeitung. Im November folgte das LG Bochum in seiner Entscheidung über die Vereinbarung des WAZ Fotopools für freie Fotografen und zuletzt auch das LG Mannheim im Urteil zur Mittelbadischen Presse (Reiff Verlag), das im Übrigen zeigt, dass erfolgreich auch gegen knappste, aber nicht weniger verheerende AGB auf Abrechnungsformularen vorgegangen werden kann. Ob der BGH das auch so sieht, wird sich erst in seinem Urteil zeigen, das am 4. April 2012 verkündet werden soll.
„Knebelbedingungen“ untersagt
Das Verfahren gegen die Achat KG – eine der vielen Töchter der Bauer Media Group, in der Frauenzeitschriften wie bella erscheinen – war von dju und DJV bereits im Juli 2009 eingeleitet worden, nachdem FreeLens mit einer einstweiligen Verfügung nur gegen wenige Passagen der Fotografen-AGB vorgegangen war. Das Hamburger OLG-Urteil hingegen untersagt die Verwendung von insgesamt sieben AGB-Klauseln. Der Bauer-Konzern hat das Urteil mittlerweile akzeptiert und nach einem Mitte 2010 geschlossenen Zwischenvergleich auch auf die AGB der Bauer-Tochter Premium übertragen.
Überhaupt ist in den AGB-Urteilen seit 2007 die Verwendung einer ganzen Reihe von Klauseln als rechtswidrig untersagt worden. Darunter sind einerseits solche, in denen es um die urheberrechtlichen Nutzungsrechte geht, wie deren Übertragung an Dritte, ausschließliche Nutzungsrechte für Tageszeitungen oder Einräumung von Nutzungsrechten nach Vertragskündigung und dem Rückrufsrecht, andererseits solche zu Urheberpersönlichkeitsrechten, also die Namensnennung und das Bearbeitungsrecht. In mehreren AGB sind aber auch weitere Regelungen untersagt worden, die Freie unzulässig knebeln, etwa Wettbewerbsverbote, Klauseln zur Nichtabnahme von Beiträgen, aber auch zur Haftung oder zu verkürzten Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Honorar- und Spesenansprüchen.
Nachdenken gefördert
„Wir haben wirklich eine Menge erreicht“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Donle. „Vor allem haben die Gerichtsentscheidungen das Nachdenken über AGB bei vielen Verlagen befördert. Das ist eine positive Entwicklung.“ Verlage verzichten mittlerweile „freiwillig“ auf unzulässige Klauseln oder lassen es zumindest nicht erst auf ein Urteil ankommen. So willigte die WAZ in einen gerichtlichen Vergleich ein, um dann aber bei ihrem Fotopool erneut unrechtmäßige Klauseln zu verwenden, die vom LG Bochum untersagt wurden.
Ohne Prozess kam es zur Einigung bei der Lausitzer Rundschau und nach einer Unterlassungserklärung im Januar 2012 bei der Celler Zeitung. Bei Spiegel Online wird noch über die neuen AGB verhandelt. Auch der Hamburger Jahreszeiten Verlag, der bereits mit seinen Fotografen-AGB 2009 einen Proteststurm entfachte, hat seine „Rahmenvereinbarung Textproduktion“ zunächst zurückgezogen, um eine Klage der Journalistengewerkschaften zu umgehen.
dju-Broschüre und AGB-Urteile online
Eine Zwischenbilanz zu den AGB-Prozessen hat die dju in einer neuen Veröffentlichung gezogen. Die 28-seitige Broschüre „Buy-out-Verträge stoppen – Fair Pay für freien Journalismus. Gewerkschaftsprozesse gegen die AGB von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen“ soll auch als Arbeitsmaterial für die gewerkschaftliche und juristische Praxis genutzt werden. Die PDF-Broschüre (700 kB) und die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zu Verlags-AGB stehen zum kostenlosen Download auf der dju-Webseite zu den Vergütungsregeln bereit:
http://dju.verdi.de/freie_journalisten/verlags-agb