Eiszeit bei Verlagen und Presse-Grosso

Foto: fotolia/Björn Wylezich

Die Verhandlungen über eine neue Vereinbarung zu den Handelsspannen zwischen den Verlagen und dem Presse-Grosso wurden auf Eis gelegt. Die Unternehmen der Verlagsallianz haben nicht an der Jahrestagung des Bundesverbands Presse-Grosso (BVPG) am 12. und 13. September in Baden-Baden teilgenommen, weil das Zusammentreffen unter den aktuellen Bedingungen keinen Sinn mache. Unverständnis beim Grosso-Verband: Er sah die Verhandlungen auf einem guten Weg.

Zur Verlagsallianz gehören die Verlage Bauer, Burda, Funke, Klambt, Springer und Spiegel sowie der DPV. Seit Februar führen die sechs Verlage mit dem Grosso Gespräche über eine neue Handelsspannenvereinbarung, weil die aktuellen Verträge Anfang 2018 enden. Die sechs Verlage hatten sich für die Verhandlungen zu einer Allianz zusammengeschlossen. Die Koalition setzte sich bei ihrer Gründung das Ziel, gemeinsam mit dem Pressegroßhandel in den kommenden Monaten „das System effizienter und in Bezug auf Kostenverursachung und Wertschöpfung gerechter zu gestalten“. Das Presse-Grosso mahnte, es müsse weiterhin wirtschaftlich arbeiten können und nah am Kunden vor Ort bleiben, um seinen Versorgungsauftrag erfüllen zu können.

Über die Absage der Verlage äußerte sich der Grosso-Verband am 8. September verwundert. Aus Sicht des BVPG seien die Gespräche über eine neue Branchenvereinbarung „bisher sehr konstruktiv verlaufen“. Beide Seiten hätten noch wenige Tage vor der Absage der Verlage konkrete Einigungsvorschläge eingebracht. Es bestehe kein Zeitdruck. Vor dem Hintergrund der „schwierigen Marktentwicklung“ sei das persönliche Gespräch wichtiger denn je. Die Grosso-Jahrestagung biete dafür die idealen Voraussetzungen.

Verlage drohen mit „Plan B“

„Wir wollen gerne weiterhin Partner der Verlage sein“, sagte BVPG-Geschäftsführer Kai-Christian Albrecht am 12. September dem epd. „Käme das Presse-Grosso der Forderung der Allianz nach, wäre der wirtschaftliche Schaden für das System trotz des laufenden Konsolidierungsprozesses so groß, dass der Versorgungsauftrag nicht mehr zu erfüllen wäre.“ Um auch im digitalen Medienwandel weiterhin Presse in allen Regionen anbieten zu können, sei das Presse-Grosso auf faire Konditionen der Verlage angewiesen. „Die Flächenlogistik ist ein entscheidender Kostenfaktor und steht aufgrund unseres Versorgungsauftrages nicht zur Disposition“, betonte Albrecht.

Der Verlagsallianz-Sprecher sagte dazu, die Allianz sei bereit, weiter zu verhandeln, wenn das Grosso ihren Forderungen entgegenkomme. „Wir Verlage erwarten von dem Grossisten das eindeutige Bekenntnis zu einer nachhaltigen Modernisierung der Betriebe und des ganzen Systems, für die konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen.“ Dieses Bekenntnis habe es bisher leider nicht gegeben, die Koalition bleibe aber gesprächsbereit. Die Allianz droht dem Grosso mit einem „Plan B“, sollte es  ihren Forderungen nicht nachkommen. Details zu diesem Plan nannte der Sprecher auf Nachfrage nicht, wies aber gleichzeitig den Vorwurf eines Bluffs zurück. „Wir reden über die Verfügbarkeit von unabhängigen journalistischen Produkten überall in Deutschland, in diesem Zusammenhang wäre es wahrhaft zynisch, zu bluffen.“

Die Verlagsallianz habe das eindeutige Ziel, das bestehende System durch Modernisierung krisenfest zu machen. „Sollte dieser Plan scheitern, hat die Allianz ein Alternativszenario entwickelt, durch das die diskriminierungsfreie Distribution von Zeitungen und Zeitschriften in ganz Deutschland auch ohne eine neue Vereinbarung mit dem Bundesverband Presse-Grosso sichergestellt werden kann.“

Entscheidung zum Verhandlungsmandat steht aus

Die bundesweit 49 Grossisten, überwiegend mittelständische Betriebe, versorgen ein flächendeckendes Netz von derzeit rund 108.000 Presse-Verkaufsstellen. Die Grossisten kaufen die Zeitungen und Zeitschriften von Verlagen und verkaufen sie zu festen Preisen an die Einzelhändler. Der BVPG, dem derzeit 36 Grosso-Unternehmen angehören, handelt für die Grossisten einheitliche Preise und Konditionen aus.

In einem bereits seit 2011 andauernden Rechtsstreit greift die Bauer Media Group, die Teil der Verlagsallianz ist, das zentrale Verhandlungsmandat des Grosso-Verbandes an. Die Vertriebsgesellschaft des Verlags will mit einzelnen Grossisten eigene Grosso-Konditionen festlegen und so die Preise senken. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte das Verhandlungsmandat des BVPG im Herbst 2015 jedoch. Der Bauer-Verlag dürfe nicht mit einzelnen Pressegrossisten über die Preise und Konditionen für den Verkauf von Zeitschriften und Zeitungen verhandeln, urteilten die Richter. Kartellrechtlich sei es nicht zu beanstanden, dass der Grosso-Verband die Bedingungen im Pressegroßhandel zentral mit den Verlagen aushandelt. Auf diese Weise werde die Pressevielfalt gestärkt.

Bauer legte im Frühjahr 2016 beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen das BGH-Urteil ein. Ein Entscheidungstermin in dem Beschwerdeverfahren sei noch nicht abzusehen, sagte ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts am 11. September dem epd.

 

 

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