Buchtipp: Hintersinniges Zueinanderkommen

Was haben kurzrasierte Mönche auf einem Platz in Phnom Penh und pferdebeschwänzte Freundinnen am Cafétisch in Berlin-Kreuzberg gemeinsam? Nur das Gelb-Orange ihrer Kleidung, respektive der Decken, in die sie sich gehüllt haben? Was verbindet zwei wild gestikulierende Fußballtrainer mit der Frontansicht zweier Bundeswehrpanzer? Ein Erkennen oder Erschrecken, die Entscheidung, der Witz liegen allein im Auge des ­Betrachters. Doch hat das Autorenpaar – er Dokfilmer, sie Grafikdesignerin – 77 wunderbare Doppelvorlagen für solche Aha-Erlebnisse, ein kurzes Schmunzeln oder längeres Nachdenken geliefert.„Synchron“ nennen die beiden ihr handliches Fotobuch. „Synchronität im Disparaten“, erkennt die Vorwortschreiberin vor allem, ein „verborgenes Verwandt-Sein, das ebenso kurz wie überraschend aufleuchtet in jenem Funken, der entstehen kann, wenn Dinge zueinander kommen“. Synchrones im altgriechischen Wortsinne, also Zeitgleiches oder direkt Zusammentreffendes, bilden die Fotomotive, die sich auf den Doppelseiten des handlichen Bandes gegenüberstehen, ohnehin nicht ab. Die Bilder entstanden einzeln, so Walter Krieg, oft als Handyschnappschüsse, über einen Zeitraum von fast vier Jahren an ganz unterschiedlichen Orten. Dem Motto gemäß wurden sie nun ausgewählt und komponiert. Die wenigsten seien „inszeniert“, also extra geschaffen, um ein Paar zu vervollständigen, einige stammen aus fremden Archiven. Die Mehrzahl der Fotos verdankt ihre Aufnahme in den Bildband dem vergleichend-professionellen Blick für Formen und Bildsprache und fotografischem Gedächtnis. Gleichartigkeit oder Gegensätze ziehen sich hier an. Sie können im Material liegen, in der Anordnung, in Farbe, Beleuchtung oder sonst einem Detail. Herausgekommen ist ein Werk, das Liebe auf den ersten Blick erheischt, doch alle notwendigen Bildinformationen für genaueres Nachforschen ebenso bereithält. Kurz: Ein passendes Weihnachtsgeschenk für Leute mit einem Faible für Assoziatives, Fotogenießer und/oder Gedankenspielerinnen.

Walter Krieg/Ines Wenzel: Synchron, edition ­Progressbar, Berlin 2107, Hardcover, 173 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-00-050864-6

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Ein Plädoyer fürs Zuhören

Zuhören, Gehörtwerden, den Dialog auf Augenhöhe führen – das sind Schlagworte unserer Zeit, Leerformeln der politischen Rhetorik. Mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sprachen wir über journalistisches Zuhören, BigTech und den Sofortismus der Sozialen Medien.
mehr »

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Presse-Versorgung hält hohes Zinsniveau

Die Vertreter*innenversammlung der Versicherten der Presse-Versorgung hat beschlossen, die Gesamtverzinsung für das Jahr 2026 im dritten Jahr in Folge beizubehalten. Damit behauptet die Presse-Versorgung erneut ihre Spitzenposition im deutschen Lebensversicherungsmarkt.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »