Gewerkschaften engagieren sich für Beteiligung der Urheber
Schon vor der Bundestagswahl 2009 haben die Verlage der periodischen Presse massive Lobbyarbeit für spezifisches Verlegerrecht betrieben. Dieses „Verlegerleistungsschutzrecht“ hat in den Koalitionsvertrag Eingang gefunden. In ihrer „Berliner Rede zum Urheberrecht“ am 16. Juni 2010 erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, es sei nicht die Frage, ob es am Ende der Legislaturperiode ein solches Recht geben werde, sondern nur, wie es ausgestaltet sei. Regierungsamtlicher Wille ist es also, die Ausstattung der Verlage mit Rechten zu verbessern. Für den 28. Juni hat das Bundesjustizministerium zu einer ersten Anhörung eingeladen. Wie das Parlament mit diesem Vorhaben umgeht, bleibt abzuwarten.
Worum geht es? Erklärungsbedürftig ist zunächst das Wort „Leistungsschutzrecht“. Das Urheberrechtsgesetz schützt nicht nur die Rechte von Urhebern an ihren Werken und ausübenden Künstlern an ihren Darbietungen, sondern auch bestimmte wirtschaftlich-organisatorische Leistungen etwa bei der Herstellung von Tonträgern, der Sendung von Rundfunk, dem Aufbau von Datenbanken und der Produktion von Filmen. Solche Leistungsschutzrechte können auch Unternehmen (z.B. Sendeunternehmen) zustehen und das ist sogar der Normalfall: So wird z.B. die Investition eines Tonträgerherstellers in die Produktion geschützt. Ein vergleichbares Schutzrecht gibt es für gedruckte Medien nicht. Die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sehen darin mittlerweile ein Defizit. Sie können sich zwar auf das Recht an der Sammlung oder – bei elektronischen Medien – möglicherweise auf das Datenbankrecht berufen; das hilft aber nur bedingt, wenn lediglich einzelne Artikel genutzt werden.
Ein Problem aus Sicht der Verlage ist die Auswertung von Internetangeboten durch Suchmaschinen: Hier wird auf die von den Verlagen eingestellten Dokumente zugegriffen und bei der Anzeige von Trefferlisten durch Werbung Geld verdient. Nachdem die Werbebudgets endlich sind und mitunter auch schrumpfen, wollen die Verlage an den Erlösen aus solchen Geschäften beteiligt werden.
Ein anderes Problem ist der rückläufige Verkauf bei der gedruckten Auflage. Diese Entwicklung dürfte zum erheblichen Teil auf die (politisch gewollte und von Wirtschaftsredakteuren mitunter begrüßte) negative Entwicklung der Massenkaufkraft zurückzuführen sein, aber auch auf das Angebot der Verlage im Internet: Das kostet – zumeist – nichts und ist, gerade bei beruflicher Nutzung, obendrein praktischer – z.B. beim Zitieren per copy & paste statt abschreiben. Deshalb soll durch das Verlegerleistungsschutzrecht auch ein Vergütungsanspruch in den Fällen für die Nutzung des Onlineangebots von Verlagen zu Erwerbszwecken eingeführt werden. Diese Vergütung soll nach den Vorstellungen der Verlage pauschal erhoben werden für jeden Computer, der beruflich genutzt wird und über einen Zugang zum Internet verfügt; dabei soll es allerdings – anders als bei der Rundfunkgebühr – möglich sein, den Zahlungsanspruch dadurch abzuwehren, dass man darlegt, dass der Internetzugang eben nicht beruflich oder nicht zum Abruf von Verlagsangeboten genutzt wird. Realisiert werden soll der Anspruch durch eine Verwertungsgesellschaft. Die Verlage wollen für die private Nutzung weiterhin ihr Angebot im bisherigen Umfang kostenlos im Netz bereithalten, aber „die Inhalte von Zeitungen und Zeitschriften vor dem gewerblichen Zugriff Dritter im Internet schützen“, wie es BDZV und VDZ in der Pressemitteilung vom 25. Juni formulieren. Praktisch bedeutet dieser „Schutz“, dass mit einer Verwertungsgesellschaft Lizenzverträge abgeschlossen werden müssen, nicht aber, dass der Zugang zu Informationen behindert wird.
Die Gruppierung der Internetgemeinde, für die Informationsfreiheit auch Kostenfreiheit bedeutet, läuft erwartungsgemäß Sturm. Markus Beckedahl (netzpolitik.org) und andere schwadronieren von „Monopolisierung der Sprache“ – das nennt sich Schwarmintelligenz: fast 6.000 Einträge zu dieser Phrase finden sich im Netz. Es geht aber nicht um „Monopolisierung“ von Sprache, einzelnen Worten oder dergleichen, sondern darum, systematische – z.B. durch Suchmaschinen – oder andere Nutzungen zu Erwerbszwecken vergütungspflichtig zu machen. Konkret: Den Zugriff auf die im Netz bereitgehaltene Datei wollen die Verlage vergütungspflichtig machen, nicht Informationen oder gar einzelne Begriffe. Es soll auch künftig bei den im Urheberrecht geltenden Schranken (z.B. der Zitierfreiheit und der Zulässigkeit privater Kopien) bleiben. Die Schwarzmalerei von „Kollateralschäden“ (irights.info) ist also zunächst einmal nicht begründbar.
Das Vorhaben ist einigermaßen ambitioniert und erfordert eine sorgfältige Definition des Schutzgegenstands und der Voraussetzungen für Vergütungsansprüche. Eine ganz wesentliche Frage ist, wie das geforderte Leistungsschutzrecht sauber vom Urheberrecht der Journalistinnen und Journalisten zu trennen ist. Das ist rechtstechnisch durchaus möglich und von den Verlagen auch gewollt. Schließlich sollen, so BDZV und VDZ, „die Urheber von Pressebeiträgen – also Journalistinnen und Journalisten – trotz der Trennung von Leistungsschutz- und Urheberrecht an künftigen Erträgen aus einem neuen Leistungsschutzrecht beteiligt werden“.
Die dju in ver.di und der DJV sind in Sachen Verlegerleistungsschutzrecht im Gespräch, um eine auch für Journalistinnen und Journalisten akzeptable Lösung zu finden.