Der Berg kreißte und gebar – nichts. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Dezember gab es wieder keine Beschlüsse zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Neben der Beteuerung, hinter ARD, ZDF und Deutschlandradio zu stehen, erhoben zwar die Länderchefs erneut die Forderung, dass die Anstalten reformiert werden müssten, doch ein Strategiepapier wurde auf die Sitzung im März vertagt.
Wenn man bedenkt, wie lange die Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bereits geführt bzw. nicht geführt wird, sind Zweifel mehr als angebracht, ob es denn tatsächlich zur notwendigen Reform kommt. Man hat fast den Eindruck, dass die Rundfunkkommission wie das erstarrte Kaninchen vor der Schlange auf den Rundfunkbeitrag blickt in der Hoffnung, wenn sich keiner bewegt, bewegt sich auch der Beitrag nicht (nach oben). Jedenfalls sind die Ministerpräsidenten aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage, sich in die eine oder andere Richtung zu bewegen.
Begrenzter Spielraum
Das wundert nicht, denn die Diskussion über die Finanzierung begann erst, nachdem vor bald drei Jahren die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten (KEF) ihren Bericht vorgelegt hatte. Darin steht, dass der Rundfunkbeitrag bald bei über 20 Euro liegen werde, wenn die Anstalten nicht reformiert werden würden. Das scheuchte die Staatskanzleien auf, der Anstieg des Rundfunkbeitrags über diese sakrosankte Schwelle sollte dringend vermieden werden. Eine Arbeitsgruppe „Auftrag und Struktur“ wurde eingesetzt. Diese sollten mit den Sendern über Einsparungen verhandeln. Vorgaben dazu hatte auch die KEF gemacht. So sollten die Sender durch Kooperationen mehr Kosten einsparen. ARD und ZDF machten dann auch Vorschläge über Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro in zehn Jahren, mehr Spielraum gebe es aber nicht. Die Länder waren unzufrieden, weil die Vorschläge den Beitrag nicht unter der 20-Euro-Schwelle halten würden.
Diskussion mehr als überfällig
Dabei wäre schon viel früher eine Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks notwendig gewesen – sie ist also mehr als überfällig. Es geht um die Frage, wie ein öffentlich-rechtliches Angebot seine Aufgabe auch zukünftig in einer zunehmend digitalen Welt erfüllen kann. Wir erleben einen radikalen Wandel der gesellschaftlichen Kommunikation. Und der Staat muss seiner Schutzverantwortung nachkommen, eine vor Missbrauch und Manipulation geschützte unabhängige Willensbildung auch im Netz zu gewährleisten. Dies ist nur mit einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich. Seine grundlegende Aufgabe, für eine verlässliche und qualitativ hochwertige, der Wahrheit verpflichteten mediale Grundversorgung zu sorgen, gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Netzkompatible Angebote notwendig
Folglich sollte erst über den Auftrag diskutiert werden – nicht nur in Fachkreisen, sondern gerade in der Öffentlichkeit. Denn es ist von zentraler Bedeutung, dass die Gesellschaft sich darüber verständigt, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten soll. Mit den technologischen Entwicklungen sind neue Verbreitungswege eröffnet worden, die sich zur Gründungszeit von ARD und ZDF nicht abzeichneten. Damals gab es limitierte Frequenzen, heute unendliche Möglichkeiten, überall zu senden und zu empfangen. Wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber stärker ins Internet entwickeln muss, müssen auch die Angebote netzkompatibel sein. Die Erwartung der Nutzerinnen und Nutzer ist, alles überall und zu jeder Zeit empfangen zu können. Künstliche Grenzen wie die unsinnige 7-Tage-Regelung müssen abgeschafft werden, die Autorinnen und Autoren für langfristige Nutzungen angemessen vergütet werden. Auch das kostet Geld.
Pferd von hinten aufgezäumt
Nun aber vorrangig über die Höhe des Haushaltsbeitrags zu diskutieren, ist das Pferd von hinten aufzuzäumen. Zunächst bedarf es einer grundsätzlichen Überprüfung des Auftrags. Und erst danach geht es um die Finanzierung. Denn: Der Beitrag folgt dem Auftrag und nicht umgekehrt. Und natürlich brauchen die Sendeanstalten angesichts der gravierenden strukturellen Veränderungen auch Erneuerung. Aus sich heraus schaffen sie es nicht.
Und die Ministerpräsidenten, die ja die Sender mit ihrem breiten Portfolio ausgestattet und beauftragt haben, scheuen die Diskussion, einmal mit den Anstalten, weil Reformen immer weh tun und sie gleichzeitig von den Landessendern eine gebührende Berichterstattung erwarten. Zum anderen wollen sie sich nicht erneut mit den gerade befriedeten Verlegern darüber anlegen, welche Angebote zur angemessenen Auftragserfüllung im Netz mit entsprechenden Kostenfolgen gestärkt werden müssten. Das ist wohl auch der Grund, warum einige Länder eine Indexierung vorschlagen. Allerdings ein vergiftetes Geschenk, denn so entzieht sich die Politik der Verantwortung. Wenn beispielsweise die Vollindexierung dazu führen sollte, dass Angebote nicht mehr finanzierbar sind, läge die Verantwortung für anstehende Streichungen oder zukünftige Neuangebote, sofern sie überhaupt finanzierbar wären, gegenüber der Gesellschaft ohne Rückendeckung der Länder allein bei den Sendern.
Lösungsvorschlag: Expertenkommission
Wenn die Akteure also nicht in der Lage sind, Vorschläge zu erarbeiten, die von allen 16 Ländern getragen werden, müssen andere Wege gefunden werden, um das Notwendige endlich anzugehen. Meiner Ansicht muss die Lösung von außen kommen: Eine unabhängige Expertenkommission sollte den öffentlich-rechtlichen Auftrag samt seiner daraus resultierenden Aufgaben in einer netzbasierten Welt neu bewerten und Reformvorschläge erarbeiten. Soziolog*innen, Medienwissenschaftler*innen und Medienrechtler*innen können am ehesten die Fragen beantworten, welche Leistung der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einer durch Desinformation, Missbrauch und Manipulation gefährdeten digitalen Welt erbringen muss, und auch, welche Altangebote nicht mehr zeitgemäß und verzichtbar sind. Darin sehe ich im Moment die einzige Möglichkeit, Bewegung in die Situation zu bringen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk endlich einen zeit- und zukunftsgemäßen Auftrag zu erteilen.
Ein starkes öffentlich-rechtliches Angebot – am besten in Form einer Plattform – ist in digitalen Zeiten notwendiger denn je. Andere Länder beneiden uns um unser öffentlich-rechtliches Programm, das unabhängig von Staat und Markt von der Allgemeinheit getragen wird. Lasst ihn uns also fit für die Zukunft machen!