Insolvenz der CineMedia Film AG – traditionelle Kopierwerke geschlossen
Im Zuge der technischen Entwicklung, die mit der Abschaffung der analogen Kopie einher ging, haben traditionelle Kopierwerke ihre Funktion verloren. Besonders hart hat es in Deutschland die CineMedia Film AG getroffen, die mit ihrer Tochter CinePostproduction deshalb im vorigen Jahr Insolvenz anmelden musste. Die CineMedia Film AG ist die Nachfolgefirma der Geyer-Werke München, dem ältesten filmtechnischen Dienstleister Deutschlands.
Zum 1. November 2013 wurde knapp die Hälfte der rund 250 Mitarbeiter entlassen bzw. in eine Transfergesellschaft überführt, das letzte Kopierwerk der Gruppe in Berlin-Neukölln schloss zum Jahresende und die Standorte Hamburg und Köln sind ebenfalls dicht. Der Insolvenzverwalter der CinePostproduction GmbH, Stephan Ammann von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH erklärt dazu: „Wir stellen das Unternehmen für die Zukunft auf und führen notwendige Restrukturierungsmaßnahmen durch.“ Wichtig sei, dass der Betrieb normal weiter gehe und die Kunden auf das bewährte Know-how des Unternehmens vertrauen könnten. Ammann plant, das Geschäft zukünftig mit 112 Mitarbeitern an den Standorten Berlin, München und Halle zu betreiben. Es wird sich dann ausschließlich auf den Bereich der digitalen Bild- und Tonbearbeitung konzentrieren, bei dem auch die CinePostproduction in der Vergangenheit Wachstumsraten erzielen konnte. In Bezug auf den analogen Film wird CinePostproduction in Zukunft nur noch Dienstleistungen in den Bereichen Digitalisierung analoger Kopien, auch von Nitrofilm, Re-Mastering von Ton, Restaurierung von Film und die Lagerung analogen Filmmaterials anbieten. Weitere Informationen waren vom Insolvenzverwalter nicht zu erhalten. Laut dem von einem unbekannten Insider geführten Blog „filmundfernseh“ sind an der Insolvenzmasse der CinePostproduktion die Haupteigner der CineMedia AG interessiert, die zu 60 Prozent im Besitz der Tele München Gruppe von Herbert Kloiber und zu nahezu 30 Prozent in dem der Bavaria Film GmbH ist, an der wiederum WDR, SWR, BR und MDR beteiligt sind. Außerdem gäbe es einen dritten, unbekannten Interessenten. Die Gebäude der CinePostproduktion in Berlin und München gehören der Bavaria bereits.
Gründe der Insolvenz.
Als Grund für die gestellte Insolvenz-Anmeldung gab das Unternehmen an, dass ihm insbesondere der aus der Digitalisierung der Medienmärkte resultierende hohe Kostendruck im Postproduktionsmarkt zu schaffen gemacht habe. Durch den Wegfall des analogen Kopierwerks als Alleinstellungsmerkmal und den damit gesunkenen technischen Markteintrittsbarrieren im digitalen Produktionsprozess sah man sich einem zunehmend heterogenen Wettbewerb durch kleinere Anbieter ausgesetzt, die eine aggressive Preispolitik verfolgten. Die CinePostproduction stellte am 12. August 2013 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nachdem knapp zwei Wochen zuvor deren Mutter, die CineMedia Film AG bereits davor gewarnt hatte, dass die Umsatzziele aufgrund des Rückgangs analoger Kopierwerksprozesse nicht mehr erreicht würden. Eine Woche später folgte die CineMedia, nachdem eine von zwei kreditgebenden Banken zwei Kreditlinien nicht verlängert hatte. Dem voraus gegangen waren Finanzierungsgespräche zwischen der CineMedia und ihren beiden Großaktionären, die laut CineMedia erfolglos verliefen.
Über diese Entwicklung war sich allerdings jeder in der Branche im Klaren. Bereits vor fünf Jahren erklärte der mittlerweile ausgeschiedene Geschäftsführer der CinePostproduction GmbH und Niederlassungsleiter Berlin Stefan Müller in dem Beitrag „Kopierwerk – Wie lange noch?“ in M 1–2/2009: „Für die Erstellung der analogen Kopien beschäftigen wir ca. 150 Mitarbeiter; für die Kopierung für Digitale Master werden zukünftig nur noch zehn bis 15 Mitarbeiter benötigt. Wenn der digitale Rollout kommt, müssen wir Personal abbauen und das kann sehr plötzlich passieren und dadurch sicherlich nicht sozialverträglich sein.“ Und Olaf Hofmann von connexx.av Hamburg sagte in dem gleichen Beitrag: „Ein Produkt verschwindet quasi vom Markt.“ Kathlen Eggerling von connexx.av Berlin bestätigt heute diese Vorhersage: Der Paradigmenwechsel beim Film habe sich lange angebahnt, so dass es gut gewesen wäre, auf mögliche Folgen für die Beschäftigten rechtzeitig zu reagieren. Die Betriebsräte haben seit Jahren darauf aufmerksam gemacht, aber es wurde kaum umgeschult. Neueinstellungen waren zudem viel billiger, meistens tariflos. Und auch ver.di habe bereits während der Tarifverhandlungen 2002/2003 auf notwendige Qualifizierungsmaßnahmen hingewiesen. Bei den jüngsten Veränderungen in der Firma CinePostproduction sei die Gewerkschaft leider trotz vieler Angebote nicht eingebunden gewesen. Die Geschäftsführung habe die Umstrukturierung nicht tariflich begleiten wollen und auch die Betriebsräte wollten die Umstellung allein schultern, bedauert Eggerling. Nach der Insolvenz und Neustrukturierung von CineMedia und CinePostproduction bleiben als Dienstleister für photochemische Prozesse nur noch das Filmarchiv des Bundesarchivs sowie TF Cinenova in Wiesbaden und Arri in München, die auch Kinokopien herstellen.
Archivierung und Back-Katalog.
Bleibt die Frage, was mit dem Film passiert, wenn er aus dem Kino verschwunden ist. Früher wurden die aus dem Polyesterstoff PET (PolyEthylenTerepthalat) bestehenden Vorführkopien zu über 50 Prozent zu Fasern verarbeitet, die von der Textilindustrie genutzt werden. Heute wird der Film einfach von der Festplatte gelöscht. In jedem Fall aber blieb und bleibt das Master des Films und einige Kopien für Nachspiel- und Freiluftkinos erhalten. Beides ist Eigentum des Rechteinhabers bzw. des Lizenznehmers. Was er damit anstellt und wie er es lagert, ist allein seine Sache, letztendlich ist Film noch immer ein Wirtschaftsgut. Aber in Europa wird der Film auch als Teil der kulturellen Identität gesehen. Deshalb gibt es zum Beispiel in Frankreich eine Verpflichtung, eine Kopie jeden Films als Teil des nationalen Erbes ins staatliche Archiv zu geben. Hierzulande gilt die Verpflichtung nur für Filme, die mit Bundesmitteln, also Geldern der Filmförderanstalt (FFA), des Bundesbeauftragten für Kultur (BKM) und des Deutschen FilmFörderFonds (DFFF), gefördert werden. Allerdings sieht das Bundesarchivgesetz inzwischen vor, dass jeder deutsche Film beim Filmarchiv registriert werden muss. „Die Digitalisierung von Kulturgut ist eine der zentralen kulturpolitischen Aufgaben – und, das will ich nicht verschweigen! – leider auch eine der teuersten“, betonte die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Rahmen der Regierungserklärung Ende Januar. Verglichen mit Ländern wie Frankreich tue man in Deutschland dafür noch viel zu wenig und dass, wo gerade das nationale Filmerbe unmittelbar Hilfe brauche, so Grütters. Dies betreffe nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die sichere Aufbewahrung, weshalb „das Bundesarchiv als unser nationales Filmarchiv personell und finanziell besser ausgestattet werden muss“.
Wie Filme sachgemäß aufbewahrt werden, ist nicht ausgemacht. PET hält zwar an die 1000 Jahre, aber es gibt auch andere, kostspielige Ideen für die Archivierung. Bei Dateien ist das allerdings so eine Sache. Man weiß nicht, wie lange Daten auf welchen Trägermedien halten und Weltuntergangsverschwörer geben zu bedenken, dass keine post-apokalyptische, intelligente Lebensform oder Außerirdische die Daten auslesen können, wenn sie nicht wissen, welches Lesegerät man dazu braucht, während sich die Mechanik eines Filmstreifens jedermann erschließt.
Andererseits hat die Digitalisierung zu einem neuen Boom von Klassikern geführt, die wieder allen zugänglich sind. Die europäischen und US-amerikanischen Rechteinhaber scannen nach und nach ihre Schätze ein und bringen sie auf Blu-Ray heraus. Sony hat sogar „Lawrence of Arabia“ in 4K, der vierfachen Auflösung von Blu-Ray, gescannt. Das hat nicht von der Hand zu weisende Vorteile: die alten Filme haben eine Qualität, die der Originalaufnahme entspricht und sie können ohne weiteres wieder im Kino gezeigt werden – und wenn, dann in besserer Qualität als eventuell noch vorhandene Verleihkopien. Von deutschen Filmen jedoch gibt es kaum hochwertige Digitalkopien. Aber wie gesagt: Was der Rechteinhaber mit seinen Filmen macht, ist seine Sache – würde nicht in fast jedem deutschen Film öffentliches Geld in Form von Steuern oder Rundfunkgebühren stecken.
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