Es kommt nicht oft vor, dass die Arbeit eines Dokumentarfilmers durch ein Buch gewürdigt wird. Der Berliner Verlag Neues Leben tut das jetzt und hat dafür aus der Reihe der DDR-Dokumentarfilmer Peter Voigt gewählt, der ohne den Besuch der Babelsberger Filmhochschule ein Könner seines Fachs wurde. Der Band Filmarbeit enthält Skizzen, Kritiken, Essays und Interviews, zusammengestellt von dem Filmhistoriker und Autor Günter Adge.
Peter Voigt – geboren am 26. Mai 1933 in Dessau, gestorben an 12. März 2015 – kam ursprünglich vom Theater. Als Dokumentarfilmregisseur hat er später in zahlreichen Streifen nachdrücklich und voller Empathie das Schicksal deutscher Jugendlicher behandelte. Seine Frage war stets: Wie habt ihr Krieg, Kriegsende und Nachkrieg erlebt?
In der Regel besteht die Schwierigkeit des Filmdokumentaristen darin, von seiner Beobachtung zur Verallgemeinerung zu kommen, in den schöpferischen Prozess seiner Subjektivität Allgemeingültiges einzubringen. Voigts Filme überraschen durch eine handwerkliche Sicherheit, große Sorgfalt und die konsequente Vermittlung der Gedanken. Es überzeugt immer auch die individuelle, unverwechselbare filmische Gestaltung des Themas.
Im Filmbetrieb der DDR war Peter Voigt zeitlebens ein Außenseiter. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen hatte er keine Filmhochschule besucht. Sein Lebenslauf: Von April 1954 bis 1958 war Peter Voigt am Berliner Ensemble als Regie- und Dramaturgie-Assistent engagiert. Hier wurde er gefördert von Bertolt Brecht, auch Ruth Berlau, von dem Regisseur Benno Besson und dem Chefdramaturgen Peter Palitzsch. In den Sommermonaten wurde er von Helene Weigel und Brecht eingeladen, seine Ferien in ihrem Haus in Buckow in der Märkischen Schweiz zu verbringen.
Von 1959 bis 1961 arbeite Voigt im DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden als Colorist, Phasenzeichner und Regisseur. Nach den Dresdner Jahren arbeitete er in Berlin freiberuflicher Regisseur. Seit Ende der 1960er Jahre, bis zur Auflösung 1982, war er als Autor und Regisseur er im Studio H & S der Dokumentarfilmern Gerhard Scheumann und Walter Heynowski tätig. Dann arbeitete Voigt bis 1990 für das DEFA Studio für Dokumentarfilme. Unter anderem beendete er nach dem Tod von Konrad Wolfs am 7. März 1982 gemeinsam mit Erwin Burkert das Dokumentarfilmprojekt „Busch sing – Sechs Filme über die erste Hälfte des 20. Jahrhundert.“ Er war einer der führenden Köpfe des Filmfestivals DOK Leipzig. Nach der Schließung des Dokumentarfilmstudios arbeitete er bis zu seinem Lebensende erneut freiberuflich. Über seine Arbeit, seine Bildsprache, seine Filmtheorie hat Peter Voigt außerordentlich interessante Texte mit einem ganz eigenen Ton verfasst, die nun nachgelesen werden können.
In einem Werkstattgespräch mit dem DDR-Wissenschaftler Lutz Haucke, ob Friedensfilme etwas bewirken, antwortet Peter Voigt etwa: „Schiller hat nicht ein Stück über Wallenstein geschrieben, um den Dreißigjährigen Krieg dem Vergessen zu entreißen. Es schien ihm ein passender Gegenstand, eine seinerzeit höchst aktuelle Weltanschauung unter die Leute zu bringen, als Erlebnis. Er moralisiert nicht gegen das Vergessen an, so wenig wir, wenn wir an zwei verjährte Schlachten erinnern, Stalingrad, Verdun – im Gegenteil: Dieses Erinnern ist ein Spiel mit dem Vergessen, daraus kann die Wirkung kommen. Aber ‚Friedensfilme’ haben auch jede andere Möglichkeit.“
Der jetzt erschiene Band enthält auch eine ausführliche Filmografie der Arbeiten von Peter Voigt.
Ermöglicht wurde die Publikation mit Unterstützung der Ehefrau Jutta Voigt, der Akademie der Künste, des Filmmuseums Potsdam und der DEFA-Stiftung in Berlin. Ein Buch, das dem Leser das faktenreich über das Leben von Peter Voigt erzählt und über den Dokumentarfilm der DDR berichtet.
Günter Agde (Hrsg.), Peter Voigt: Filmarbeit. Skizzen, Kritiken, Essay, Interviews, Verlag Neues Leben, Berlin 2018, 206 S., broschur, 14,99 Euro, ISBN 978-3-355-01874-6