Das iPhone allein tut es nicht

Schulungsfahrplan für mobile Reporter bei der Märkischen Allgemeinen

Zuerst kamen mal die Laptops. Das Prinzip „online first“ soll in den Redaktionen der Mediengruppe Madsack auch durchgesetzt werden, indem alle Redakteur*innen, die Außentermine wahrnehmen und Geschichten recherchieren, mit Hard- und Software zum mobilen Arbeiten ausgerüstet werden. Seit dem vergangenen Frühjahr sind diese Veränderungen bei der Märkischen Allgemeine Zeitung (MAZ) in Potsdam und dem Umland im Gange. Ziel: Die Reporter*innen sollen Artikel, Fotos und Videos für Online und Print auch von unterwegs zuarbeiten und selbst veröffentlichen. Neben Arbeitszeitregelungen, Klärung von Rechts- und Versicherungsfragen sowie geeignetem Gesundheitsschutz waren es vor allem Schulungen, die Betriebsrat und Beschäftigte forderten, als die MAZ derart „mobil“ machte.

Längst nicht alles ist seither geklärt. Doch wurden alle festangestellten Reporter*innen mit eben jenen Laptops und iPhone 8 ausgerüstet. „Endlich muss niemand mehr private elektronische Geräte nutzen. Und alle haben dennoch einen festen Arbeitsplatz mit großem Bildschirm in den Büros“, erklärt Betriebsratsvorsitzende Karin Wagner. Wermutstropfen: Pauschalist*innen und Freie brauchen weiter ihre eigene Technik.

Online frisst zusätzlich Zeit

Einen offiziellen „Schulungsfahrplan“ gab es schließlich auch, zu den Schulungsterminen waren die Freien vor Ort sehr wohl eingeladen, quasi in ihrer Freizeit. Zu bislang zwei Terminen unter der Überschrift „Texten fürs Web“ reiste speziell ein Trainer vom Madsack Medien Campus an, der an fünf Standorten die Reporter*innen schulte. In Potsdam und in den Regionalbüros in Brandenburg/Havel, Neuruppin, Oranienburg und KönigsWusterhausen wurden über 100 Festangestellte, einige Volontäre und darüber hinaus zahlreiche Freie Inhousequalifiziert – erstmals im Herbst vergangen Jahres, ein halbes Jahr, nachdem die Laptops kamen. Im Januar/Februar folgte jetzt die nächste Runde, an zwei Arbeitstagen jeweils vier Stunden Schulung.

Ein „ganz schöner Kraftakt, aber wichtig und wertvoll“ sei das gewesen, sagt Lokalreporter Helge Treichel aus Oranienburg. Denn die Zeitungsseiten füllen und online berichten, das übernahm an diesen Tagen niemand anderes. Die Schulungsinhalte seien aber praxisnah und sinnvoll gewesen: „Was macht einen Digital-Text lesenswert?“ Wie unterscheidet er sich von Print-Beiträgen? wurde debattiert und geübt. Es gab Informationen über das Online-Nutzungsverhalten der Leserschaft oder rechtliche Hintergründe zur Datensicherheit. Im Mittelpunkt stand allerdings Fachlich-Praktisches: Wie entwickelt sich eine Geschichte? Es wurde simuliert, wie auf den verschiedenen Kanälen angemessen über den „Waldbrand in Treuenbrietzen“ zu berichten sei. Das Reporter-Tool dafür zu handhaben und mit unterschiedlichen Dateiformaten umzugehen war Übungsziel. Für die Online-Bearbeitung von Fotos und Videosequenzen brauchte es noch eine Extra-Schulung, in der man Regeln lernte, aber auch probieren konnte, sagt Treichel. Er wisse jetzt zwar, wie er mit dem Handy Filmsequenzen aufnehmen und zu einem Video zusammenschneiden könne.

Die Kehrseite jedoch: „Das ordentlich zu machen, fordert zusätzlich Zeit und Aufwand. Wenn wir außerdem täglich die Online-Berichterstattung betreuen und mehrere Facebook-Gruppen im Blick behalten, dort Links zu unseren Beiträgen posten, dann schrumpft die Zeit, in der wir unsere klassische Arbeit als Zeitungs-Berichterstatter machen, immer mehr zusammen.“ Gegenseitige Hilfe hinsichtlich mancher technischen Einrichtungen und Tricks sei unumgänglich.

Nach dem, was bei ihr an Respons ankomme, stelle die rein handwerklich-technische Schulung ein „gewisses Manko“ dar, ist Karin Wagner überzeugt. „Man verlässt sich darauf, dass jeder ein Smartphone bedienen kann. Doch längst nicht alle sind Digital Natives, Nutzerverhalten und Interessen variieren.“ Sie bewundere jedoch viele gestandene Reporterkolleg*innen, „was sie trotz zunehmender Belastung auch im Digitalen leisten“. In der monatlichen Auswertung der Online-Aktivitäten kann die Chefredaktion beispielweise über großes Publikumsinteresse für den Liveticker von einer Bombenentschärfung in Potsdam, von Blaulichtmeldungen und Top-Fotostrecken berichten. Das müsse ja alles geliefert werden – wohlgemerkt mit stets knappem Personal, sagt Wagner.

Der Dienstplanung komme deshalb weiter zunehmende Bedeutung zu. Die Betriebsratsvorsitzende hat ein Auge darauf, dass für die Journalist*innen das Arbeitszeitgesetz eingehalten und Mehrarbeit möglichst zeitnah mit Freizeit ausgeglichen oder vergütet wird. Doch über eine schon lange verhandelte Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit debattiere man inzwischen in der Einigungsstelle. Verpflichtende und verbindliche Dokumentation von Arbeitszeiten ist der bisher ungelöste Streitpunkt.

Mobiles Arbeiten werfe weitere Fragen auf: Was bedeutet es, zeitweise – etwa abends nach Terminen – von zu Hause aus zu arbeiten, sowohl versicherungstechnisch als auch mit Blick auf den Arbeitsschutz? Und dann seien da noch Datenschutzprobleme, die bei künftigem Arbeiten in der Cloud noch dringlicher werden. Dafür bereite, so Wagner, der Konzernbetriebsrat gerade eine Vereinbarung für die gesamte Mediengruppe vor.

Externen Sachverstand nutzen

Den Blick über den Tellerrand hält sie auch in der vertiefenden Phase der bei der Märkischen laufenden psychischen Gefährdungsanalyse für wichtig. Nach einer Belegschaftsbefragung und ihrer Auswertung 2018 stehen nun Interviews und Workshops an. „Das möchte unsere Geschäftsführung gern komplett intern machen.“ Die Betriebsräte wollen aber den Sachverstand des Beratungsinstituts „innsicht“ einbeziehen, das bislang schon beteiligt war. „Belastung und Kommunikation in den redaktionellen Bereichen werden ein Schwerpunkt sein, das ist ganz klar“, so die Betriebsratschefin. Mit Einführung neuer Software seit 2015/16 manifestierte sich die Funktionsaufteilung zwischen eher technischen Desk-Redakteur*innen und den zunehmend mobilen Reporter*innen. Dass war auch mit unterschiedlichen Zugriffsrechten verbunden. So hätten sich ungewollt Hierarchien etabliert – „obwohl alle am gleichen Produkt arbeiten“. Da sei Handlungsbedarf. Im paritätisch besetzen Steuerungskreis des Projekts wollen die Arbeitnehmervertreter*innen nun durchsetzen, „dass wissenschaftliche Expertise und Außensicht eingebracht werden“.

 

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