Low-Cost-Weiterbildung in der „Reporterfabrik“ von Correct!v
Anwohner protestieren gegen en kommenden Baulärm und den Abriss eines schönen Altbaus; gleichzeitig würde der Neubau mehr Wohnraum schaffen für viele Leute, die in die Gegend ziehen wollen. Stellen Sie sich vor, Sie sollen für eine Lokalzeitung eine Reportage über diesen Konflikt schreiben. Wie könnte ein guter Texteinstieg aussehen?“ Vor diese Aufgabe stellt mich der Workshop „Wie man schlechte Texte rettet“ der Ende Januar gestarteten „Reporterfabrik“ des Recherchebüros Correct!v in Berlin. Die Web-Akademie für Journalismus „richtet sich an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, besonders an Schüler, Blogger, Autoren und an Journalisten“, so Correct!v-Gründer David Schraven, der die „Reporterfabrik“ zusammen mit dem ehemaligen Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben entwickelt hat. Getragen wird die Lernplattform von Correct!v in Kooperation mit der Journalistenplattform „Reporterforum“.
In rund 100 Workshops mit über 1.200 Tutorials, mehr als 120 Podcasts, dem Schulangebot Reporter4You
sowie einer Schulbörse wollen „Reporterfabrik“-Geschäftsführer Schraven und Akademie-Leiter Schnibben mit dem Online-Angebot Medienwissen und journalistisches Handwerk vermitteln. Unterstützt werden sie dabei nicht nur von einem dreizehnköpfigen Mitarbeiter*innen-Team, sondern auch von einem Kuratorium aus prominenten Vertreter*innen der Öffentlichkeit wie Bernhard Pörksen von der Uni Tübingen oder Mathias Müller von Blumencron aus der Chefredaktion des Tagesspiegels.
Außerdem helfe ein Fachbeirat aus 17 Expert*innen verschiedener Bereiche, darunter Stephan Weichert von der Hamburg Media School und Medienpädagogin Kathrin Joswig, bei der Entwicklung der Lehrstoffe und der Auswahl der Dozent*innen, erklärt Schnibben.
Das Workshop-Angebot ist in vier Lehrstufen unterteilt. Los geht es mit den Basics im ersten Level „Was ist Journalismus“. Hier kann ich zum Beispiel lernen, wie man Bloggerin wird, was mein Smartphone alles kann oder mich mit den Grundlagen des Presserechts vertraut machen. Lehrstufe zwei will vermitteln, was ein Journalist alles können muss, etwa gute Titel und Vorspänne schreiben, Nachricht und Kommentar auseinanderhalten, gute Interviews führen oder richtig recherchieren. Was Journalist*innen können sollten, kann sich, wer es nicht kann, in der Lehrstufe drei aneignen. Dazu gehören zum Beispiel die politische Reportage, der mobile Videoschnitt, gute TV-Reportagen ›› oder aus Daten Stories zu generieren. Und wer es ganz genau wissen will, kann sich im vierten Level in sogenannten Masterclasses zu verschiedenen Textgattungen wie Reportage, Interview oder Essay sowie zu Techniken und Formaten den letzten Feinschliff holen.
Die einzelnen Workshops bestehen aus Video-Tutorials, dazugehörigen Aufgaben, einem Diskussionsforum und zusätzlichem Material als Download. So erklären mir im Kurs „Wie man schlechte Texte rettet“ die Welt-Redakteur*innen Jennifer Wilton und Marc Neller in einem Video, mit welchen Methoden man einen guten Einstieg hinbekommt und welche Stolpersteine es dabei zu vermeiden gilt. In mehreren Aufgaben kann ich testen, ob ich das Wichtigste auch erfasst habe und mich im Forum mit anderen Kursteilnehmer*innen über meinen selbst geschriebenen Texteinstieg austauschen. Handouts zu den einzelnen Kapiteln ergänzen die in den Tutorials besprochenen Themen. Manche der Kurse sind kostenlos, andere kosten fünf, fünfzehn oder maximal 25 Euro. Zu den Dozent*innen gehören Doris Dörrie, Moritz von Uslar, Stefan Aust, Sandra Maischberger oder Carolin Emcke. Eine Vergütung erhalten diese in der Regel nicht, sagt Schraven, denn dann wäre das Projekt nicht finanzierbar. „Nur in wenigen, begründeten Ausnahmefällen haben wir ein bescheidenes Honorar gezahlt“.
Wer sich auf der Lernplattform registriert hat, kann praktisch sofort loslegen. Doch nur, wer einen Workshop kauft, hat auch Zugang zum Angebot von „Reporter2Go“, in dem Journalist*innen in mehr als 120 Podcasts über ihre Arbeit in Print-, Online- und TV-Redaktionen berichten und Tipps etwa für freie Reporter*innen, zu Themensuche und Recherche oder zu Genres und Formaten geben. In den ersten drei Wochen nach Start der der Web-Akademie hätten sich über 4.000 Teilnehmer*innen in die Workshops ein geschrieben, sagt Friederike Hoppe aus dem Team der „Reporterfabrik“. Zwar werden bei der Anmeldung auf der Website Informationen wie der Bildungsgrad oder die Motivation optional abgefragt, wie viele der Kursteilnehmer*innen über einen journalistischen Background verfügen, könne man jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, so Hoppe. Eine Evaluation sei aber auf jeden Fall geplant.
Finanziert wird die „Reporterfabrik“ größtenteils über Spenden. Zu den Förderern gehören die Telekom, Facebook, die Bosch-Stiftung, die LfM-Stiftung „Vor Ort NRW“ und die Stadt Hamburg. Weitere Spender*innen und Förder*innen sind willkommen. Eine Bundesförderung habe man bisher nicht beantragt, erklärt Schraven auf Nachfrage, schließt aber nicht aus, dass man das in Zukunft noch tun werde. Immerhin hat es sich die „Reporterfabrik“ mit dem Angebot „Reporter4You“ ja auch zur Aufgabe gemacht, Schüler*innen und Lehrer*innen die Grundlagen des Journalismus und mehr Medienwissen zu vermitteln.
In vierzehn Modulen wird dort erklärt, wie man Fake News erkennt, wie man richtig recherchiert, was eigentlich Urheberrecht ist und wie man auf digitalen Plattformen wie Facebook seine Privatsphäre schützen kann. Zu Reporter4You gehört aber auch die Schulbörse, eine Datenbank, für die sich Journalistinnen und Journalisten registrieren können, die an Schulen über ihre Arbeit sprechen wollen. „Zwei Dutzend Schulbesuche sind bereits organisiert“, sagt Hoppe. Um das Angebot bekannter zu machen und an die Schulen zu bringen, sei für den Tag der Pressefreiheit am 3. Mai außerdem eine Aktion geplant, bei der in Zusammenarbeit mit der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München, vielen weiteren Journalistenschulen sowie Organisationen viele Journalist*innen ihre ehemaligen Schulen besuchen.