Strafermittler dürfen den Medien nicht zu viele Details über Beschuldigte mitteilen, denn dadurch könnten deren Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Das ergibt sich aus einer einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts Bremen gegen die örtliche Staatsanwaltschaft. Die Richter untersagten den Ermittlern, bestimmte Äußerungen über die abgesetzte Leiterin der BAMF-Außenstelle Bremen, Ulrike B., zu wiederholen.
Ulrike B. steht seit gut einem Jahr im Mittelpunkt der sogenannten „BAMF-Affäre“, die von einigen Politikern und Medien zu einem großen Skandal aufgebauscht wurde. Als Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll B. massenhaft Asylanträge ohne genauere Überprüfung durchgewunken haben. Inzwischen ist das Ausmaß der Vorwürfe geschrumpft, und auch der anfängliche Verdacht der Bestechlichkeit scheint sich nicht zu bewahrheiten. Stattdessen haben die Strafermittler jetzt eine andere Theorie, warum Ulrike B. angeblich zu wohlwollend mit Asylsuchenden umgegangen ist: wegen einer „vermutlich einseitigen tiefen emotionalen Beziehung“ zu einem jesidischen Anwalt. So schrieb es jedenfalls Zeit Online im März und berief sich dabei auf Aussagen von nicht namentlich genannten Staatsanwälten. Als Beleg für diese Vermutung führte die Redaktion an, dass Ulrike B. dem Anwalt oft in seitenlangen Mails ihr Privatleben ausgebreitet habe – eine Information, die ebenfalls nur aus Ermittlerkreisen stammen konnte. Dass „die Motivlage eher im zwischenmenschlichen Bereich, im emotionalen Bereich“ zu suchen sei, bestätigte die Staatsanwaltschaft auch gegenüber dem NDR, in diesem Fall ganz offiziell durch ihren Sprecher.
Mit solchen Presseauskünften griffen die Strafermittler „in unverhältnismäßiger Weise in die Privatsphäre“ der abgesetzten Amtsleiterin ein, entschied jetzt das Verwaltungsgericht Bremen und erließ deshalb auf Antrag von B. eine Verbotsverfügung gegen die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler hätten den ehrenrührigen Eindruck entstehen lassen, dass B. ihre Amtspflichten verletzt habe, um dem Anwalt zu gefallen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Einschätzung gingen solche Mutmaßungen die Öffentlichkeit nichts an, und sie seien „in diesem Detailgrad insbesondere nicht zur Meinungsbildung erforderlich“, entschieden die Richter.
Ebenfalls verboten wurde die Darstellung, dass es zahlreiche Beweise für eine kriminelle Zusammenarbeit zwischen B. und jesidischen Anwälten gebe und dass es in einem möglichen Strafprozess nur noch darum gehen werde, ob Haftstrafen mit oder ohne Bewährung verhängt würden. Dies sei eine „unzulässige Vorverurteilung“, heißt es in dem noch nicht rechtskräftigen Verbotsbeschluss unter dem Aktenzeichen 4 V 642/19.
Ausführlich wägen die Richter zwischen „den widerstreitenden Grundrechten der Pressefreiheit einerseits und des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen andererseits“ ab. Sie zitieren dafür eine Vorschrift, die bisher den wenigsten Medien bekannt sein dürfte: die bundesweiten „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV). Unter der Nummer 23 („Zusammenarbeit mit Presse und Rundfunk“) ist dort geregelt, dass die Unterrichtung der Öffentlichkeit „weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen“ darf. „Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren darf nicht beeinträchtigt werden.“ Außerdem sei zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an vollständiger Berichterstattung die Persönlichkeitsrechte überwiege. Das sei hier nicht der Fall, entschieden die Richter. Das durchaus gewichtige Informationsinteresse der Medien an den BAMF-Ermittlungen gebiete es nicht, derart „pikante“ Details an die Presse weiterzugeben. Während laufender Ermittlungen sei der Behörde nicht jede wahre Behauptung und nicht jede Meinungsäußerung erlaubt.
Laut Gerichtsbeschluss kommt es nicht darauf an, ob sich die Ermittler tatsächlich wörtlich so geäußert haben, wie sie zitiert wurden. Unstreitig sei zumindest, dass sie mit einem Journalisten gesprochen hätten. Wenn sie sich auf diese Weise statt per Pressemitteilung äußerten und auch keine Aktennotiz davon anfertigten, dann dürften etwaige Unklarheiten nicht zu Lasten von B. gehen – daher das Äußerungsverbot auch ohne den Nachweis, dass die Zitate korrekt sind.
Nur in einem Punkt hatte die abgesetzte Amtsleiterin keinen Erfolg: Sie wollte auch Äußerungen verbieten lassen, wonach sie das Gesetz in die eigene Hand genommen und rechtswidrig positive Asylbescheide ausgestellt habe. Dies ist nach Ansicht der Richter keine Vorverurteilung, denn „dem durchschnittlichen Adressaten dürfte klar sein, dass der Erlass eines rechtswidrigen Bescheids nicht in jedem Fall zugleich strafbar ist“. Eine etwas weltfremde Begründung, denn auch in den meisten Berichten über die BAMF-Affäre wird nicht zwischen „rechtswidrig“ und „strafbar“ unterschieden.