Im Trend: Anwälte und Medien im Clinch

Beim Mediensalon: Daniel Moßbrucker (r.) und seine Mitdiskutant*innen Eva Werner, Christoph Nitz, Peter Freitag und Jan Mönickes auf dem Podium
Foto: Christian von Polentz

„Das schwächste Glied in dieser Kette sind am Ende die Journalist*innen, vor allem die freien“, war das Resümee von Moderator Christoph Nitz. Der Berliner Mediensalon widmete sich diesmal zunehmenden Versuchen, unliebsame Berichterstattung mit Hilfe von Juristen frühzeitig abzuwürgen. „Zuckerbrot und Peitsche? Anwälte vs. Medienberichterstattung“ hieß es am 27. November in der Berliner taz-Kantine.

Für die Zunahme „präventiver Anwaltsstrategien“ sah Daniel Moßbrucker, Mitautor der Studie „Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!“, drei Gründe: Das Wachstumsinteresse der wenigen auf Presserecht spezialisierten Kanzleien, die ständige Verfügbarkeit von (negativen) Veröffentlichungen im Internet sowie das „repressive Presserecht“. Betroffene, die sich verunglimpft fühlen, könnten sich erst im Nachhinein gerichtlich wehren. Deshalb versuchten Prominente oder Unternehmen, durch „presserechtliche Informationsschreiben“ ihrer Anwälte unangenehme Berichte zu unterbinden, was vor allem im Boulevard-Bereich funktioniere, sagte Moßbrucker. Die Untersuchung, die mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte für die der Otto-Brenner-Stiftung entstand, wurde im Sommer 2019 vorgestellt. Sie habe aber auch gezeigt, dass das investigative Interesse gerade der großen Redaktionen durch anwaltlichen Druck eher gesteigert werde.

Die Studie sei ausgezeichnet, aber sie zeige nicht das ganze Bild, kritisierte Rechtsanwalt Jan Mönikes, der auch Justiziar des Bundesverbands der Kommunikatoren ist, des früheren Bundesverbands der Pressesprecher. Er beklagte, dass Berichte über falsche Verdächtigungen für Verlage meist ohne wirklich ernste Folgen blieben, während Politiker*innen oder Sportler*innen zum Rücktritt aufgefordert oder gezwungen würden. Sofern ein Korrekturversuch durch PR-Abteilungen von Betroffenen, „mit Differenzierung stört“, werde das in Redaktionen und Verlagen gerne „runtergespielt“. Oft würden nur „missverständliche Formulierungen“ in der Publikation eingeräumt, eine wirkliche Korrektur von Falschberichterstattung vermieden. Und die Justiz helfe den Betroffenen nachträglich nur sehr begrenzt, wenn im Internet alles weiter zu finden sei. Hier scheine sich die Sensibilität durch „Hate Speech“ und Datenschutzdiskussionen aber zu verändern

Mönikes unterstrich allerdings auch, dass Verlage das Steigen der Streitwerte bei Klagen teilweise selbst verschuldeten: Wenn sie ihre Redaktionen in zahlreiche eigenständige „Profit-Center“ ausgliederten, dann müssten sie für den gleichen Artikel ebenso zahlreiche juristische Gegenmaßnahmen erwarten, nämlich für jedes Kopfblatt einzeln.

Idee einer Clearingstelle umstritten

In weiten Teilen einverstanden mit der Studie zeigte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di Peter Freitag. Als Redakteur in Köln hätte er sich mehr Aufmerksamkeit für die Lokalberichterstattung gewünscht. Journalist*innen seien keine „mutwilligen Falschberichterstatter“, wie es bei Mönikes angeklungen sei. Die Fehlerkorrektur sei in vielen Redaktionen sicher noch ausbaufähig. Allerdings sieht Freitag in dem zunehmenden Arbeitsdruck in den Redaktionen ebenso wie dem wachsenden Einfluss der Anwälte mit ihren Kommunikationsberatern eine Gefahr für Pressefreiheit und Demokratie.

Ob es für solche Streitigkeiten eine Klärungsstelle als Selbstverpflichtung in Kooperation mit dem Presserat geben solle, wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte überlege, war in der Diskussion umstritten. Moßbrucker wies darauf hin, dass es bei den großen Verlagen dafür keine Zeichen finanzieller Unterstützung gebe. Obwohl sich die Medienunternehmen das finanziell leisten könnten, wie Freitag und Eva Werner, früher DJV-Sprecherin und jetzt Beraterin für Krisenkommunikation, betonten. Mönikes bezweifelte den gedanklichen Ansatz eines solchen Gremiums: Prozessieren sei in Deutschland im internationalen Vergleich relativ kostengünstig, vor allem, wenn man gewinne. Und wenn das „Opfer“ der Veröffentlichung die Klage gewinne, dürfte solch ein „Fonds“ der wegen falscher Berichterstattung unterlegenen journalistischen Seite eigentlich nicht finanziell helfen.

Verlage und Sender dürften als Auftraggeber nicht aus der Verantwortung entlassen werden, die Journalist*innen in juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen, forderte Freitag. „Starke Worte“, kommentierte Moderator Nitz vom Mitveranstalter Meko Factory. Denn gerade für Freie seien solche Situationen problematisch, waren sich Journalistin und Journalisten auf dem Podium einig. Und für selbstständige Blogger*innen, die „nach journalistischen Standards arbeiten“, gab es einen ziemlich einhelligen Rat der Diskussionsrunde: In die Gewerkschaft eintreten, um notfalls Rechtsschutz zu bekommen.

 

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