Gleichberechtigung für Journalistinnen heißt: „Wir wollen die Hälfte der Macht!“. Darin waren sich in einer Video-Konferenz die Vertreterinnen von „Pro Quote“ (Deutschland), den „Medienfrauen Schweiz“ sowie dem „Frauennetzwerk Medien“ und dem „Presseclub Concordia“ aus Österreich einig. Das erste Dreiländertreffen dieser Art beschloss den Appell „Gleichberechtigung jetzt!“ an Verlage, Medienhäuser und Sender – gerade in der Corona-Krise.
Lisa Ortgies, Moderatorin von „frau tv“ im WDR und Gründungsmitglied von „Pro Quote“, gab zu Beginn der Konferenz ihre Beobachtung weiter, dass der Verteilungskampf in den Redaktionen durch eine „Corona-Schrumpfung“ härter werde. In der Corona-Krise seien es in 75 Prozent der Fälle die Frauen, die wegen der Familienarbeit zurücksteckten, so Ortgies. Auch Teresa Bücker, früher Chefredakteurin des Online-Magazins „Edition F“ und heute Kolumnistin bei der „Süddeutschen Zeitung“, sieht die negativen Auswirkungen von Corona vor allem bei den Frauen. Wenn Frauen wegen der Kinderbetreuung in den Redaktionen ausfielen, fielen auch Themen weg, für die sie sich einsetzten. Diese gingen dann in der gesellschaftlichen Diskussion unter wie jetzt bei den Konsequenzen der Kita- und Schulsperrungen. Bücker verwies auf die Soziologin Jutta Allmendinger, die durch die Pandemie ein Zurückdrehen der Gleichberechtigungserfolge um viele Jahre prognostizierte. Dagegen müssten Frauen weibliche Solidarität setzen, gut über andere Frauen und sich selbst reden und vor weiblichen Seilschaften nicht zurückschrecken, war der Tenor der Diskussion.
Nach einer Umfrage von „Pro Quote“ bei 137 Medienfrauen gab über die Hälfte der Teilnehmerinnen an, dass sie Aufträge verloren haben, bei fast zehn Prozent bis hin zum Komplettausfall der Einnahmen. Hatte der Verein zur Gründung 2012 nur 30 Prozent der Führungspositionen gefordert, erinnerte Ortgies, gehe es heute nicht mehr um solche „Rücksicht“, auch wenn das heiße, dass Männer ihre Posten verlören. Oft säßen nach ihrem Eindruck auch nicht „die Besten, sondern die Erstbesten“ auf den Chefsesseln. Sie erinnerte die über 70 Zugeschalteten, darunter auch Männer, an den „Guerilla-Geist“ aus Gründungszeiten und forderte, Frauen sollten mit Spaß Netzwerke bilden, nicht nur aus Leidensdruck.
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen Frauen allgemein und in den Medien stärker als Männer und vergrößern die bestehende Ungleichheit der Geschlechter, stellten die Medienfrauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fest. Deshalb fordern sie in ihrem Appell: die Hälfte aller leitenden Posten im Journalismus für Frauen, mehr Protagonistinnen und Expertinnen in der Berichterstattung, mehr Kolumnistinnen und Kommentatorinnen und eine größere Bandbreite der Themen in den Medien. Dafür müssten Leitungsfunktionen in Teilzeit und mit familienfreundlichen Bedingungen gestaltet und freie Mitarbeiterinnen in der Krise solidarisch unterstützt werden. Gleiches Geld für gleiche Arbeit und mehr Diversität in den Redaktionen müssen ebenso durchgesetzt werden wie die Berücksichtigung fairer Geschlechter-Repräsentanz in den Medien bei der Vergabe öffentlicher Fördermittel.
Für Alexandra Wachter, Moderatorin beim österreichischen Sender Puls4 und stellvertretende Vorsitzende des Frauennetzwerks Medien, macht die Pandemie die vorhandene Schieflage bei Medienkarrieren besonders deutlich. In Österreich seien die Führungspositionen zu über 90 Prozent männlich besetzt. „Wir sind noch sehr weit entfernt von echter Gleichstellung in Österreich und der Welt.“ Solange Männer die Spielregeln machten, werde das so bleiben, deshalb forderte sie mehr Kampfgeist bei ihren Kolleginnen.
Auch die Schweiz sei bei der Gleichstellung in den Medien noch ein Entwicklungsland, betonte Marguerite Meyer, früher bei „Swiss Info“ und „joiz Schweiz“, jetzt Chefin vom Dienst bei „Bajour“, der „neuen Online-Stimme Basels“. Dass Frauen im Zusammenhang mit Corona eher als Betroffene oder Ehefrauen denn als Expertinnen in den Medien vorkämen, habe „in der Schweizer Bubble“ für ziemliche Diskussionen gesorgt. Meyer berichtete zur Erheiterung und Bewunderung der Zuhörerinnen von einem „Frauenstreik“ in der Schweiz, der „einen massiven Rutsch“ bei der Nationalwahl zu Folge gehabt habe, so dass es heute mehr Politikerinnen im Parlament und in der Berichterstattung gebe.
Eva Lindner, freie Journalistin in Berlin und im Vorstand von „Pro Quote“, konstatierte jedenfalls ein „ordentliches Rumoren“ bei den Medienfrauen und schlug als Moderatorin in der Diskussion vor, bei Anfragen zu Talkshows und Panels explizit nach anderen Frauen in der Runde zu fragen. Daniela Kraus, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia und damit virtuelle Gastgeberin, erfüllte den Wunsch nach weiterer Vernetzung im Dreiländerformat noch während der Konferenz mit der Einrichtung einer Facebook-Gruppe „DACH Medienfrauen“.
Ein Positives habe Corona, meinte Meyer, nämlich das plötzliche Umschalten auf Homeoffice, wo es vorher angeblich nicht möglich war. „Da kann man bei Bedarf darauf hinweisen.“ Die Tücken von Homeoffice zeigten sich in der Internet-Konferenz allerdings auch, zumindest die in Deutschland: Bei Lisa Ortgies fiel das Bild während ihrer kleinen Rede weg, auch der Nachbar-Laptop bot nur Geruckel. Kommentar im Chat: „Lisa kommt aus der Digitalwüste DE – ihre Bandbreite ist zu schwach.“
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