Zwei Zeitungen werden in eigenständiger Tochterfirma zusammengelegt
Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) plant eine grundlegende Veränderung der Zeitungslandschaft in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Die Redaktionen der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten werden in einer eigenständigen Tochterfirma zusammengelegt, die künftig beide Blätter herausgibt. 35 Stellen werden gestrichen. Gleichzeitig sollen unterschiedliche Digitalangebote forciert werden.
1972 entwickelte der damalige Verlagsgeschäftsführer Eugen Kurz das sogenannte „Stuttgarter Modell”: Zwei Zeitungen erscheinen unter einem Dach, mit gemeinsamer Anzeigenvermarktung und Technik, aber redaktionell strikt getrennt. So wurde damals die Existenz der Stuttgarter Nachrichten gesichert. Die Stuttgarter Zeitung (StZ) galt als bürgerlich-liberales Aushängeschild des Medienhauses. Die Stuttgarter Nachrichten lieferten den Mantel für eine Vielzahl lokaler Blätter in Württemberg und beackerten ebenfalls das lokale Medienfeld. Nun schleift Richard Rebmann, Chef der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), einen Grundpfeiler dieses Modells, die redaktionelle Eigenständigkeit. „Der neue Stuttgarter Weg”, wie Rebmann sein Programm nennt, ersetzt das alte Stuttgarter Modell.
„Der neue Stuttgarter Weg”, so der StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs, garantiere einerseits „den Fortbestand von zwei Stuttgarter Zeitungstiteln sowie ihrer unterschiedlichen Digitalangebote in höchster Qualität” und soll gleichzeitig Personalkosten einsparen. Laut Verlag sollen bis zu 35 Vollzeitstellen wegfallen. Wie viele Beschäftigte exakt betroffen sind, ist angesichts zahlreicher Teilzeitbeschäftigter noch unklar. Andererseits sind 15 neue Jobs vorgesehen, vorrangig im online-Bereich. „Unser Ziel ist, Sie zur richtigen Zeit auf dem richtigen Gerät mit den für Sie relevanten Informationen zu versorgen. Daher haben sich Redaktion und Verlag der Stuttgarter Zeitung zu einer Reihe von Reformen entschlossen, um unsere Digitalangebote auszuweiten”, so Dorfs.
Mitbestimmung vermisst.
Eine Zusammenarbeit mit der Münchner SWMH-Tochter Süddeutsche Zeitung soll auch weiterhin „nur punktuell” stattfinden (z.B. teilen sich die Stuttgarter Zeitung und die Süddeutsche Auslandskorrespondenten in der Schweiz, Skandinavien, Polen und Griechenland/Türkei). Genaue Pläne für eine gemeinsame Sonntagsausgabe (bisher Sonntag aktuell) stehen noch aus.
Die Redakteure und Redakteurinnen vermissen Mitsprache, Mitbestimmung oder Einbindung in den neuen „Stuttgarter Weg”. Sie reden vom „Stuttgarter Irrweg”, da die Pläne Verlust von Pressevielfalt und Qualität sowie Personalabbau bedeuten. Etwa sechzig Beschäftigte der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten protestierten am 12. Juni vor dem Druckzentrum und Pressehaus in Stuttgart-Plieningen gegen den Beschluss der Konzernleitung, die beiden Redaktionen bis zum April 2016 zu einer Gesamtredaktion für beide Blätter zusammenzulegen. Unterstützt wurden die Beschäftigten bei der Protestaktion vor dem Werkstor von der ver.di-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier, dem ver.di-Konzernbeauftragten der Südwestdeutschen Medien-Holding (SWMH) Uwe Kreft und dem Landesvorsitzenden der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) Ullrich Schreyer.
Die Gründung einer „flexiblen Gemeinschaftsredaktion” berge die große Gefahr, dass das Profil beider Zeitungen verwässert werde und die Medienvielfalt in Baden-Württemberg leide, warnt die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf. Die Themenvielfalt werde auf jeden Fall abnehmen. Gleiches sei für die Meinungsvielfalt zu befürchten. „Die Intention der SWMH ist klar: Sie will Kosten sparen”, sagt Frenzer-Wolf, die beim DGB Baden-Württemberg die Medienpolitik verantwortet. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Redaktion für Managementfehler büßen muss: für den kreditfinanzierten Kauf der Süddeutschen Zeitung, für eine jahrelange Gratiskultur bei den Onlineangeboten und für die zögerlichen Investitionen in neue, gewinnträchtige Digital-Angebote.”
Abbau von Arbeitsplätzen.
Dass der Zusammenschluss der Redaktionen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, zeige, „dass es dem Medienkonzern SWMH in erster Linie um Profitsteigerung durch Kostensenkung geht”, kritisiert auch der zuständige ver.di-Landesfachbereichsleiter Siegfried Heim. Heim verweist darauf, dass im SWMH-Konzern derzeit mehrere Kostensenkungsprogramme laufen, die mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sind.
Am 7. Juli wurde von der gemeinsamen Verhandlungsgruppe des Konzernbetriebsrats eine Vereinbarung zur Zusammenlegung der beiden Zeitungen unterzeichnet. Der von der Geschäftsführung geforderte Stellenabbau von 35 Vollzeitstellen konnte nicht verhindert werden. Es ist aber gelungen, Bedingungen für ein „Freiwilligenprogramm” auszuarbeiten, das interessierten Festangestellten ermöglicht, bis zum 31. August zu finanziell guten Bedingungen Aufhebungsverträge zu unterzeichnen. Zudem wurden hohe Hürden für eventuelle betriebsbedingte Kündigungen vereinbart. Für die neu zu gründende Redaktionsgesellschaft wurde eine Beschäftigungssicherung vereinbart. Die neue Redaktionsgesellschaft soll tarifgebunden sein.
Wie die Anbindung an den Flächentarif gewährleistet werden kann, ist eine spannende Frage für Tarifexperten. Mitglieder im Zeitungsverlegerverband sind Verlage und nicht eigenständige Redaktionstöchter von Konzernen.